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"Ein schwäbischer Orientforscher" - Linden-Museum zeigt Ausstellung über Julius Euting

Stand: 17.07.17 18:51 Uhr

Das Linden-Museum Stuttgart zeigt noch bis 11. Januar 2015 die Kabinett-Ausstellung "Julius Euting (1839 - 1913): Ein schwäbischer Orientforscher" in der Orient-Abteilung. Die Ausstellung in Kooperation mit der Julius Euting-Gesellschaft erinnert an den aus Stuttgart stammenden Orientalisten, Forschungsreisenden und Maler Julius Euting. Anlass der Ausstellung sind sein 100. Todestag (2.1.2013) und sein 175. Geburtstag (11.7.2014).

Julius Euting, in Stuttgart geboren, arbeitete nach dem Studium der Theologie und orientalischen Sprachen an der Universität Tübingen als Bibliothekar. 1871 wechselte er an die neue Kaiserliche Universitäts- und Landesbibliothek in Straßburg, zu deren Direktor er 1900 ernannt wurde. Er war zudem als Honorarprofessor für semitische Sprachen an der dortigen Universität tätig. Hierbei galt sein besonderes Interesse der Epigraphik.

Euting, der zahlreiche Sprachen beherrschte, bereiste das östliche Mittelmeergebiet, Nordafrika und 1883/84 das Innere Arabiens. Hierbei legte er rund 2300 km zu Pferd und Kamel zurück. Sein „Tagbuch einer Reise in Inner-Arabien" wurde publiziert und fand große Aufmerksamkeit. Forschungsreisen in ferne Länder auf der einen Seite, Heimatverbundenheit auf der andere Seite: Euting war langjähriger Präsident des Vogesenclubs und erschloss auch im Schwarzwald zahlreiche Wanderwege. Euting starb am 2. Januar 1913 in Straßburg.

Im Zentrum der Ausstellung steht die "Sammlung Euting", die 1912 als Schenkung Eutings in das Linden-Museum kam. Bedingt durch die Tatsache, dass zahlreiche Sammlungsstücke im Krieg zerstört wurden bzw. verloren gingen, wurde dieser wichtige Altbestand der Orient-Abteilung seit Jahrzehnten nicht mehr im Zusammenhang gezeigt. Die Aufarbeitung der Sammlung in den letzten Jahren, spannende Wiederentdeckungen und ein wertvoller Neuzugang sind Grundlage der Präsentation. Die Ausstellungsstücke nehmen den Besucher mit auf Eutings Reisen - so etwa ein Kamelsattel mit zahlreichen Accessoires.

Die von Euting gesammelten Gegenstände sind Zeugnisse der Alltagskultur der bereisten Gebiete. Teilweise waren sie als Reisemitbringsel aber auch Bestandteil von Eutings Leben in der Heimat. Die „Sammlung Euting" macht ein facettenreiches Leben sichtbar, das zur Reflektion einlädt.

Leihgaben der Universitätsbibliothek Tübingen, der Forschungsstelle für Islamische Numismatik Tübingen, des Instituts für Klassische Archäologie Tübingen, des Heimatmuseums Freudenstadt und der Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg sowie Objekte aus Familienbesitz ergänzen die Schau.

Karten:

EUR 4,-/3,- inkl. Dauerausstellungen

Julius Euting – Sein Leben

Julius Euting wurde am 11. Juli 1839 in Stuttgart geboren. Nach dem Besuch des Eberhard­Ludwig-Gymnasiums wurde er Seminarist in Blaubeuren, es folgte das Studium der Theologie und der orientalischen Sprachen in Tübingen.

Von 1866 bis 1871 wirkte er als Bibliothekar in Tübingen. 1871 wechselte er an die neue Kaiserliche Universitäts- und Landesbibliothek in Straßburg, zu deren Direktor er 1900 ernannt wurde. Zudem lehrte er als Honorarprofessor für semitische Sprachen an der Universität Straßburg.

Immer wieder brach Euting zu Reisen in den Orient auf. Berühmt wurde er für sein „Tagbuch einer Reise in Inner-Arabien' in den Jahren 1883/84, das 1896 bzw. 1914 erschien.

Forschungsreisen in ferne Länder auf der einen Seite, Heimatverbundenheit auf der anderen Seite: Der begeisterte Wanderer und Naturliebhaber Euting war langjähriger Präsident des Vogesenclubs und erschloss auch im Schwarzwald zahlreiche Wanderwege.

Der begabte Zeichner und Maler Euting brachte nicht zuletzt diese Naturverbundenheit zum

Ausdruck. Seine Aquarelle und Zeichnungen zeigen Reiseimpressionen ebenso wie heimatliche Landschaften.

Euting, der keine eigene Familie hatte, war ein geselliger Mensch. Er pflegte familiäre wie freundschaftliche Beziehungen und engagierte sich in Vereinen. Bekannt war er allerdings auch als „Professor im Burnus', der den Orient zuweilen in der Heimat zelebrierte.

Julius Euting starb am 2. Januar 1913 in Straßburg.

Der Wissenschaftler Euting : Ein Leben für Sprache und Schrift

„Seine besondere Gabe war die Sicherheit des Auges; was er einmal angesehen hatte, das hielt er im Geiste fest und konnte es nachzeichnen." (Theodor Nöldeke über Euting, 1913)

Julius Euting beherrschte zahlreiche Sprachen und hieß im Volksmund „Sechzehnsprachenmännle". Seine wissenschaftliche Spezialisierung galt den semitischen Sprachen. Dabei verband sich die Begabung für Fremdsprachen mit Eutings „Sicherheit des Auges" und großer Leidenschaft für Schrift. Frühe Arbeiten zum Mandäischen, einer aramäischen Liturgiesprache, und ein Münzkatalog aus Tübingen stellen auch Eutings praktische kalligrafische Fähigkeiten unter Beweis.

Auf seinen Reisen sammelte Euting Tausende von Inschriften. Im „Tagbuch einer Reise in Inner­Arabien" sind die teilweise halsbrecherisch anmutenden Versuche abgebildet, Inschriften in großer Höhe „abzuklatschen". Auch kopierte Euting zahlreiche Inschriften, fertigte Repliken an und brachte teilweise sogar Originale nach Europa. In der Straßburger Bibliothèque Nationale et Universitaire finden sich entsprechende Sammlungsstücke – Originale und Repliken sowie Abklatsche.

Euting publizierte zahlreiche Inschriften und deren Lesungen. Auch sind die von ihm dokumentierten epigraphischen Zeugnisse bis heute Quellen für wissenschaftliche Studien. Bleibende Verdienste erwarb sich Euting in der semitischen Paläographie. Mehrere Generationen von Wissenschaftlern stützten sich auf die von Euting angefertigten Schrifttafeln, die in zahlreiche Standardwerke integriert wurden.

Reisen im Dienst der Wissenschaft

Eine erste Orientreise führte Euting 1867 donauabwärts bis in das Osmanische Reich mit den Städten Konstantinopel (Istanbul) und Smyrna (Izmir).

1869 reiste Euting über Sizilien nach Tunis und Karthago. Dies ist die erste Forschungsreise Eutings, von der ein Tage- und ein Skizzenbuch erhalten sind. Im Anschluss erarbeitete er mehrere inschriftenbezogene Publikationen. 1870 folgte eine zweite Reise in die Türkei.

Die spektakulärste und längste Forschungsreise führte Euting 1883/84 ins Innere Arabiens. Wichtigstes Ergebnis war vor allem reiches vorislamisches Inschriftenmaterial in Form von über 900 Abklatschen und Abschriften.

Euting hatte sich endgültig einen Namen in Fachkreisen gemacht und durfte an weiteren wissenschaftlichen Unternehmungen im Vorderen Orient teilnehmen. Nach der Reise nach Ägypten und auf die Sinai-Halbinsel (1889) erhielt Euting 1889/90 die Möglichkeit, an den Ausgrabungen in Sendschirli (heute: Zincirli) teilzunehmen und Nord-Syrien zu bereisen. Euting arbeitete epigraphisch, übernahm jedoch auch organisatorische Aufgaben wie Grabungsaufsichten oder die Auszahlung von Arbeitern.

1898 reiste Euting mit einer Expedition unter Leitung von Heinrich von Brünnow nach Port Said, Jerusalem und Petra. 1903 folgte seine Reise nach Syrien und Ägypten.

Seine letzte Reise in den Orient führte Euting 1905 zum Orientalistenkongress nach Algier und nach Tunis.

Die Universitätsbibliothek Tübingen bewahrt die Tage- und Skizzenbücher zu Eutings Reisen.

Die „Große Reise"

1883 erfüllte sich Eutings langgehegter Wunsch, das „Innere Arabiens' zu bereisen: Dank der Unterstützung durch den kaiserlichen Statthalter in Elsass-Lothringen, Freiherr Edwin von Manteuffel, und König Karl von Württemberg brach Euting am 22. Mai von Straßburg aus auf. Mit Euting reiste der bekannte Forschungsreisende Charles Huber, ein Franzose aus dem Elsass. Die beiden trennten sich am 19. März 1884, Huber wurde am 29. Juli bei Dscheddah ermordet. Euting kehrte im August 1884 nach Europa zurück. Rund 2300 km hatte er zu Pferd und auf dem Kamel zurückgelegt.

Ziel der Reise war die Suche nach Inschriften und Denkmälern, speziell der vorislamischen Zeit. Euting sammelte über 900 Inschriften. Huber und Euting erwarben die berühmte Stele von Tayma (5. Jh. v. Chr.) und bereiteten sie für den Abtransport nach Europa vor. Sie befindet sich heute im Louvre in Paris.

In seinen Tagebüchern notierte Euting auch Beobachtungen zum Alltagsleben und der materiellen Kultur, speziell der Beduinen, und illustrierte das Erlebte. Durch die Publikation als „Tagbuch einer Reise in Inner-Arabien' wurde Euting einem breiteren Publikum bekannt.

Als Teil seiner Aufgabe verstand Euting auch das Anlegen einer ethnographischen Sammlung. „Meinen Kameelssattel nehme ich mit, um ihn als Antîka in meiner Heimath zu zeigen', schrieb Euting. Auch wenn viele Sammlungsstücke verloren gegangen sind, faszinieren die vorhandenen Objekte als Zeugnisse der materiellen Kultur der Beduinen und als Erinnerungen an die „Große Reise'.

Kamelsattel

„Als ich mich meinem Delûl näherte, einem hochgesattelten Kameelshengst, breit behängt mit den Doppeltaschen, worin auf jeder Seite ein Koffer stack, darüber noch zwei kleine Säcke, oben darauf noch mein Teppich, und als Bett eine abgesteppte Decke, am hinteren Sattelknopf mein Mauser­Repetir-gewehr in Beduinenfutteral, auf der anderen Seite eine Säbel- und Stocktasche dazu eine Wasserpfeife in einem Lederbeutel, da war ich doch etwas befangen; mir war zunächst unklar, wie ich über all den Hausrath und Gepäck hinweg in den Sattel kommen sollte." (Tagbuch einer Reise in Inner­Arabien I, S. 34)

Die „Sammlung Euting" des Linden-Museums

Julius Euting stand lange Jahre in Verbindung mit dem Württembergischen Verein für Handelsgeographie, insbesondere mit dessen Vorsitzenden Graf von Linden. Interessiert verfolgte er die Bemühungen um den Aufbau eines Völkerkundemuseums in seiner Heimatstadt. In Stuttgart schätzte man den Wissenschaftler und bekannten Orientreisenden, den man 1907 zum Ehrenmitglied ernannte. Euting wiederum erklärte sich bereit, dem späteren Linden-Museum eine Sammlung von auf Reisen erworbenen Gegenständen zu stiften.

Wenige Wochen vor seinem Tod bat der schwerkranke Euting um die Anreise eines Museumsmitarbeiters zur Aufnahme der Sammlung. Auf diese Weise konnten noch wichtige Informationen notiert werden. Ende November 1912 traf eine Sammlung von fast 400 Objekten in Stuttgart ein. Weitere Objekte erhielt das Museum posthum aus Familienbesitz.

Die Sammlung zeichnete sich ursprünglich unter anderem durch reiche Textilbestände aus. In besonderem Maße dokumentierte sie Eutings „Große Reise'. Auch hatte sich Euting um Objekte verschiedenster Bevölkerungsgruppen und religiöser Minderheiten der durchreisten Gebiete bemüht.

Allerdings ist nur noch ca. ein Drittel der Objekte vorhanden. Vor allem im Zweiten Weltkrieg gingen zahlreiche Sammlungsstücke verloren.

Dennoch fasziniert die Sammlung bis heute – auch durch die Möglichkeit, die Eutingschen Tagebücher in Verbindung mit den Objekten zu bringen. Die „Sammlung Euting" zählt zu den wertvollen Altbeständen des Linden-Museums.

Asyut-Keramik

In der „Sammlung Euting" befanden sich ursprünglich zahlreiche Tonwaren aus dem ägyptischen Asyut. Sie machten etwa ein Sechstel der gesamten Euting-Bestände aus. Erhalten geblieben sind 19 Objekte.

Auffällig an diesen Töpferarbeiten ist die glänzende rot-braune oder schwarze Oberflächenfarbe. Rohstoffe zur Herstellung dieser Keramik waren Granit und Hämatit. Angewendet wurden auch spezielle Brenn- und Poliertechniken.

Der Ursprung dieser Keramik liegt in Nubien. In Assuan und Asyut wurde die Fertigungstechnik weiterentwickelt. Vor allem wurden die Töpferwaren zunehmend feiner dekoriert. In Asyut kamen hierfür Stempel aus Holz zum Einsatz.

Reiseberichte des 19. Jahrhunderts loben die Keramik aus Asyut, vor allem die präzise ausgeführten Verzierungen mit reliefierten Ornamenten. In Wechselwirkung mit dem aufkommenden Niltourismus war hier ein bedeutender Wirtschaftszweig entstanden. Töpferwaren aus Asyut wurden zu beliebten Souvenirs. Präsentiert wurden diese auch auf den Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts.

Die Asyut-Keramik gelangte in großer Zahl in europäische Museen. Im Vergleich zu hochwertiger islamischer Keramik oder Objekten aus Alt-Ägypten wurde sie allerdings als qualitativ minderwertig angesehen. Die Beliebtheit dieser Töpferei unter den Ägypten-Reisenden geriet in Vergessenheit.

Euting erwarb Asyut-Keramik nur zum Teil als persönliche Souvenirs. Vermutlich sammelte er sie gezielt im Hinblick auf eine spätere Übergabe an Museumssammlungen.

Orient im Alltag

Von seinen Reisen brachte Euting zahlreiche Dinge mit nach Hause. Allerdings ist nur im Zusammenhang mit der „Großen Reise" von intensiver Sammeltätigkeit aus wissenschaftlicher Motivation heraus auszugehen.

Auf den anderen Reisen sammelte Euting weniger systematisch. Dabei führte vermutlich oft sein persönlicher Geschmack zur Auswahl „schöner Dinge". Viele Objekte sind als typisch für das gehobene Inventar städtischen Lebens anzusehen und dokumentieren Alltagskultur der bereisten Gebiete. Doch manche Gegenstände ließen sich auch in den heimischen Alltag oder zumindest in das Wohnzimmer integrieren. Euting war auch als „Professor im Burnus" bekannt, der den Orient zuweilen zu Hause zelebrierte und seine Gäste in Beduinentracht bewirtete.

Entsprechend waren in der Sammlung ursprünglich zahlreiche Objekte vorhanden, die die Themen „Kaffeekultur' und „Rauchen' illustrierten. Während die meisten Sammlungsstücke zum Thema „Kaffee' verloren gegangen sind, sind zahlreiche Objekte zu Tabakkultur und Rauchen noch vorhanden.

Besonderen Gefallen scheint Euting an großen Tabletts bzw. Platten gefunden zu haben, die er zahlreich erwarb. Diese verblieben jedoch fast vollständig in der Familie. Eine große Messingplatte der Euting-Sammlung wurde 2012 wieder entdeckt. Ebenfalls 2012 erhielt das Linden-Museum eine „persische Platte' aus Familienbesitz, die dem Museum bereits hundert Jahre zuvor als bemerkenswertes Stück aufgefallen war.

Zu Eutings Zeit ging vom „Orient' noch immer Faszination aus, obwohl die „Orientmode' bereits an Bedeutung verlor.

Nicht zuletzt begeisterte die sagenhafte Vergangenheit der vorislamischen Kulturen, die in Ausgrabungen zum Vorschein kam. Am „Abenteuer Wissenschaft' nahm die westliche Öffentlichkeit Anteil und freute sich an Funden, die nach Europa gelangten. Dies ging jedoch keineswegs mit dem Wunsch einher, die Gegenwart zu verstehen. Der Orient blieb exotisch und fremd.

Auch Eutings Reiseerfahrungen stehen in diesem Kontext. In seinem „Tagbuch einer Reise in Inner-Arabien' bedient Euting Klischees von „unzivilisierten' oder „halbzivilisierten' „Orientalen', denen er sich überlegen fühlte.

Zugleich finden sich in Eutings Tagebüchern aber auch Schilderungen von Begegnungen, in denen seine Wertschätzung gegenüber einzelnen Menschen zum Ausdruck kommt. Spürbar ist auch seine Überzeugung, dass Islam, Christentum und Judentum eng miteinander verbunden sind.

Heute sind Europa und Eutings Heimatstadt Stuttgart von Internationalität und kultureller Vielfalt geprägt. Auch die Wissenschaft des 21. Jahrhunderts lebt von internationaler Zusammenarbeit.

Im „Tagebuch einer Reise nach Nord-Syrien' fasziniert Eutings akribische Aufstellung der Grabungsarbeiter in Zincirli und Umgebung. Diese Liste erstellte er vermutlich aus wissenschaftlichem Interesse an den Namen.

Im Jahr 2013 möchten wir diese Namen als späte Wertschätzung nennen und sie symbolisch für wissenschaftliche Zusammenarbeit und Begegnung auf Augenhöhe verstehen.

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