Hugo Boss | Bildquelle: RTF.1

Mögliche Zwangsarbeit:

Trotz Zusage offenbar doch Baumwolle aus Xinjiang in Hugo-Boss-Kleidung

Stand: 05.05.22 17:50 Uhr

In Kleidung von Hugo Boss und anderer deutscher Marken wie Adidas und Puma gibt es Hinweise auf Baumwolle aus der chinesischen Provinz Xinjiang. Bei dieser Baumwolle besteht ein Risiko, dass sie mit Zwangsarbeit produziert wurde.

Die Unternehmen hatten wegen dieses Risikos bisher öffentlich versichert, keine Baumwolle mehr aus Xinjiang zu verwenden. Offenbar ist das aber weiter der Fall, wie das investigative Format STRG_F (NDR/ funk) in Zusammenarbeit mit dem "Agroisolab Jülich" und der Fachhochschule Niederrhein jetzt herausfand.

Mithilfe einer Isotopen-Analyse konnte die Herkunft der Baumwolle bestimmt werden. Bei Kleidungsstücken von Adidas, Hugo Boss, Puma, Jack Wolfskin und Tom Tailor wurde Baumwolle identifiziert, die nach den vorliegenden Erkenntnissen aus der Region Xinjiang im Westen Chinas stammt.

"Die isotopischen Fingerabdrücke in der Baumwolle sind eindeutig und lassen sich von Baumwolle aus anderen Ländern und selbst anderen chinesischen Regionen unterscheiden", so Dr. Markus Boner vom "Agroisolab".

In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Berichte über die systematische Unterdrückung ethnischer Minderheiten in Xinjiang, insbesondere der muslimischen Uiguren. So besteht auch der Verdacht, dass diese Minderheiten zur Ernte und Verarbeitung von Baumwolle gezwungen werden. Deshalb haben die USA den Import von Baumwolle aus der Region verboten, zahlreiche große Textilunternehmen geben an, keine Baumwolle aus Xinjiang zu beziehen oder zukünftig nicht mehr beziehen zu wollen. In der EU wird über ein Importverbot bisher nur diskutiert.

China hat die Region für unabhängige Journalisten abgeriegelt. Auch das Team von STRG_F erhielt keine Visa, um vor Ort recherchieren zu können. Es konnte aber mit zahlreichen im Exil lebenden Augenzeugen sprechen.

Der LKW-Fahrer Erbaqyt Otarbai berichtet, wie er festgenommen wurde, weil er den Messenger-Dienst Whatsapp auf dem Handy installiert hatte. Im Gefängnis sei er gefoltert und beim anschließenden Lageraufenthalt gezwungen worden, Kleidungsstücke zu nähen. "Es war eine sehr anstrengende Arbeit. Wer nicht gut gearbeitet hat, wurde zurück ins Gefängnis geschickt, und dahin wollte keiner zurück."

Der ehemalige chinesische Polizist Wang Leizhang (Name geändert) berichtet zum ersten Mal einem deutschen Filmteam, wie er während seines Einsatzes in Xinjiang vor wenigen Jahren an der systematischen Festnahme und Folter ethnischer Minderheiten beteiligt gewesen sei. Darüber hinaus sei er Zeuge von Zwangsarbeit geworden: "Während meiner Zeit in Xinjiang sind sehr viele Uiguren in Lager gebracht worden. Sie sollten dort durch Arbeit wie z.B. Nähen umerzogen werden. Die produzierte Ware konnte dadurch auch viel günstiger verkauft werden."

Die Nichtregierungsorganisation "European Center for Constitutional and Human Rights" (ECCHR) hat Strafanzeige gegen die Geschäftsführer mehrerer deutscher Textilunternehmen bei der Generalbundesanwaltschaft erstattet, weil diese problematische Lieferbeziehungen nach Xinjiang haben sollen.

"Die Recherche liefert wichtige zusätzliche Hinweise. Wer Baumwolle aus Xinjiang in seiner Kleidung hat, kann nicht ausschließen, dass diese unter Zwang produziert wurde. Das Risiko ist hoch", sagte Miriam Saage-Maß vom ECCHR. Bisher hatte die Generalbundesanwaltschaft keine Ermittlungen eingeleitet, das ECCHR erhofft sich durch die Recherche neue Bewegung in der Sache.

Auf Nachfrage blieben die Hersteller bei ihrer Behauptung, keine Baumwolle aus Xinjiang zu beziehen. Adidas teilte schriftlich mit, man beziehe Baumwolle ausschließlich aus anderen Ländern. Puma erklärte: "Auf Basis aller gesammelten Informationen, die wir eingeholt haben, und Rückverfolgung sowie Kontrollen, die wir etabliert haben, können wir sagen, dass in unseren Produkten keine Baumwolle aus Xinjiang verwendet wird."

Hugo Boss: "Tolerieren keine Zwangsarbeit"

Hugo Boss erklärte, keine Zwangsarbeit in seinen Lieferketten zu tolerieren und wollte sich nicht weiter zu der Frage äußern, ob sie Baumwolle aus Xinjiang in ihren Produkten ausschließen können. Jack Wolfskin äußerte sich nicht konkret zur Frage nach Baumwolle aus Xinjiang, betonte aber, Zwangsarbeit sei inakzeptabel, alle Lieferanten wüssten, dass "verfügbaren Daten und Zertifikate zur Lieferkette zur Verfügung" gestellt werden. Tom Tailor antworte auf Nachfrage nicht.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Baumwolle aus Xinjiang in Kleidung oder anderen Baumwollprodukten aus China steckt, ist verhältnismäßig hoch. Knapp 90 Prozent der chinesischen Baumwolle und damit mehr als ein Fünftel der weltweiten Baumwolle stammt nach offiziellen Zahlen aus der Region. Die Recherchen von STRG_F zeigen dementsprechend auch, dass Baumwolle aus Xinjiang offenbar nicht nur in Produkten "Made in China" steckt, sondern auch in Kleidung, die etwa in Vietnam oder Indonesien produziert wurde.

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