Warnstreiks im Omnibusgewerbe | Bildquelle: RTF.1

Reutlingen:

Busfahrer streiken

Stand: 16.06.21 16:36 Uhr

Sicherlich hat es heute den ein oder anderen Reutlinger Stadtbewohner geärgert, dass die Busse nicht gefahren sind. Aber stellen Sie sich einmal folgende Situation vor: Sie bestreiten einen Arbeitstag mit einer 12-Stunden-Schicht. Aktiv gefahren sind sie davon acht Stunden, die restlichen vier Stunden waren Standzeiten, sogenannte Fahrplan-bedingte Pausenzeiten. Und genau diese werden den Busfahrern nicht bezahlt. Und das ist nur einer der Gründe, warum die Busfahrerinnen und Busfahrer gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di heute streikten.


Es wurde an diesem Mittwoch in einigen Städten in Baden-Württemberg gestreikt, unter anderem eben auch in Reutlingen. Um 10 Uhr trafen sich ca. 70 Busfahrer am Zentralen Omnibusbahnhof zu einer Kundgebung. Mehr waren pandemiebedingt nicht zugelassen.

Die Forderung an den Arbeitgeber betreffen dieses Mal nicht das Entgeld, sondern es geht in erster Linie um die unbezahlten Pausenzeiten sowie Schichtzuschläge an Sonn- und Feiertagen.

Doch der Arbeitgeber – die RSV – zeigt bislang kein Entgegenkommen. Im Gegenteil.

„Die Arbeitgeberseite hat vier Mal mit uns verhandelt, unter Corona.Bedingungen, was schwierig war. Aber in vier Verhandlungsrunden ist von den Arbeitgebern nur ein eigener Verhandlungskatalog auf den Tisch gebracht worden, mit der Aussage: es muss für sie was raus springen. Sie sind überhaupt nicht bereit etwas zu geben und was zu verbessern. Nein, im Gegenteil, wollen sie was verschlechtern. Sie wollen auch die Pausenzeiten für alle verschlechtern. Das heißt, für die, die heute gute Bedingungen haben, wollen sie sie verschlechtern", erklärt ver.di-Bezirksgeschäftsführer Fils-Neckar-Alb Benjamin Stein . Die nächste Verhandlungsrunde sei für den 26. Juni geplant.

Auch die Bundestagsabgeordnete der Linken, Jessica Tatti, war vor Ort, um die Busfahrer zu unterstützen. Sie kritisiert auch, dass die RSV – obwohl es einen Fachkräftemangel bei Busfahrern gibt – befristete Verträge einfach auslaufen lässt. Sie berichtet, dass von 50 befristeten Verträgen, 20 jetzt einfach auslaufen werden, die Menschen also ihren Job verlieren.

„Mir hat ein Familienvater unter Tränen gerade von dieser Situation berichtet und dass geht einfach nicht. Da muss die RSV auch nochmal ganz dringend ihre Personalpolitik und ihre Fahrtenplanung überprüfen", so Tatti.

Rund 70% der RSV sind in privater Hand. Der Rest gehört zur Stadt. Trotzdem wurde vor etlichen Jahren einstimmig die Gründung einer sogenannten Service Gmbh beschlossen, die gleichzeitig den Wegfall einer betrieblichen Altersvorsorge für Busfahrer bedeutete. Stadträtin der SPD, Silke Bayer, sitzt heute wie damals im Aufsichtsrat der RSV. Sie versucht sowohl als Stadträtin die politische Seite zu sehen als auch als Aufsichtsrätin die Betriebswirtschaft im Blick zu behalten.

„Gleichzeitig sage ich heute, es war ein riesiger Fehler. Das ist ja heute einer der Punkte, dass wir diese Service Gmbh gegründet haben in der Vergangenheit und damit diese Altersvorsorge für Busfahrer gestrichen haben. Dadurch haben wir eine Ungleichbehandlung hier und die Kollegen sind nah dran, dass sie eine Alterssicherung andererseits brauchen. Und das sind Zustände, die gehen nicht", erklärt Silke Bayer.

Insbesondere in Zeiten, in denen die Verkehrswende und der Umstieg auf den ÖPNV wichtiger als je zuvor sei, müsse man sich folgende Frage stellen:

„Ist es sinnvoll, dass der öffentliche Personennahverkehr, dass das städtische Buskonzept, in privater Hand ist? Ist es nicht gerade in einer Zeit, wo wir über Klima sprechen, wo wir über den Ausbau des ÖPNV sprechen, ist es nicht sinnvoll, im Interesse dieser klimapolitischen Ziele und einer guten Versorgung, eines guten städtischen Konzepts für den ÖPNV und der Busse und natürlich auch im Interesse der Beschäftigten, der Busfahrerinnen und Busfaher, da die Debatte zu beginnen, die RSV zurück in städtische Hand zu holen?", erklärt Jessica Tatti.

Ein Anfang ist gemacht. Heute zeigten die Arbeitnehmer deutlich, was sie von der Unternehmenspolitik ihres Arbeitgebers halten – morgen ziehen die Kollegen in Tübingen nach. Auch dort wird von ca. 8 bis 16 Uhr gestreikt.

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