Politik: Die Zeit vor Napoleon
Vor Napoleon war der Raum des heutigen Baden-Württembergs Teil des Heiligen Römisches Reiches Deutscher Nation, regiert zu jener Zeit von Kaiser Franz II. aus dem Hause Habsburg-Lothringen. Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation: so war die offizielle Bezeichnung für den Herrschaftsbereich der römisch-deutschen Kaiser vom Spätmittelalter an. Im Raum des heutigen Baden-Württembergs gab es in dieser Zeit eine Unmenge kleiner und kleinster Herrschaftsgebiete. Ungefähr 300 Staaten verteilten sich auf Zwergstaaten einzelner Reichsritter, kleine Fürstentümer, Grafschaften, Abteien oder freie Reichsstädte wie Ulm und Lindau. Die größten Staaten waren das Herzogtum Württemberg und die Markgrafschaft Baden. Der Kaiser, die Reichskirche und der Reichsadel garantierte die Eigenständigkeit der Territorien.
Im Reich herrschte die alte Gesellschaftsordnung des Mittelalters. An der Spitze standen Adel und Klerus. Dann kamen die Bürger und freie Bauern, schließlich die unfreien Bauern, welche ein Stück Land vom Fürsten oder Klerus verliehen bekommen haben und dafür Frondienste leisten mussten. Letztlich gab es noch die vogelfreien Menschen, wie Bettler und Wegelagerer, welche nicht nur keine Rechte hatten, sondern nicht mal zur Gesellschaft gehörten.
Die Ordnung der damaligen Welt stand schon so seit Jahrhunderten fest. Jeder Mensch hatte seinen Platz Eine Gleichheit der Menschen war in dieser Zeit abwegig. Aus dieser Ordnung ergaben sich dann verschiedene Regeln: Der König wurde von Gottes Gnade berufen, machte die Gesetze, schöpfte das Geld und ging auf die Jagd. Militärführer wurden nicht durch Kompetenz ausgewählt, sondern durch den Stand und wurden bezahlt. Spätestens seit dem Barock wechselten adelige Militärs den Auftraggeber, je nach Bezahlung. Es gab keine Nation im klassischen Sinne, sondern Familien. Für den Hochadel war der Familienstamm das A und O. Der Einfluss und der Besitz des Familienstammes mussten gefördert werden, nicht die Nation. Wenn ein Familienmitglied deswegen starb oder 20 Jahre eingesperrt wurde, dann war das sehr bedauerlich, aber wenn sein Besitz weggenommen werden sollte, dann war es eine Katastrophe! Denn das war der Besitz der Familie.
Dann kam Napoleon und alles wurde anders.
Übergang
Doch zuvor kam die Französische Revolution. Die Ideen schwappten über in das Gebiet des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Sie wurde von vielen Bürgern begrüßt. Im Adel spürte man dagegen hauptsächlich Bedrohung. Auch der Klerus war in wesentlichen Teilen gegen die Revolution. Als dann jedoch die Jakobinische Schreckensherrschaft begann - mit den täglichen Enthauptungen und dem Höhepunkt der Enthauptung von Ludwig XVI. und Marie-Antoinette, kippte die Stimmung auch unter den Freunden der Revolution. Auch die direkte Erfahrung änderte die Haltung. Im ersten Koalitionskrieg kämpften Preußen, Österreich und kleinere deutsche Staaten, darunter Württemberg, gegen Frankreich, gegen die Revolution (1792-1797). Als die Franzosen im ersten Koalitionskrieg in Gebieten des heutigen Baden-Württembergs vordrangen, wurden sie vielerorts noch als Befreier begrüßt. Allerdings fehlte es den Truppen am Nötigsten: Nahrung, Kleidung, Sold, ... Die Soldaten plünderten wahllos Kirchen und Dörfer. Das war eine ernüchternde Erfahrung für die Betroffenen.
1795 wurde das Jakobiner-Regime gestürzt. Ein eingesetztes Direktorium von 5 parlamentarisch gewählten Direktoren übernahm. Das neue System hatte frühere radikale Auswüchse gebändigt, war aber anfällig für Korruption. Einer von Ihnen, Paul-Francois-Jean-Nicolas, Vicomte de Barras, oder kurz Paul de Barras, hatte eine Geliebte: Joséphine Beauharnais, die spätere Ehefrau von Napoleon. Über Barras lernte Sie Napoleon kennen. Joséphine war Witwe. Ihr erster Ehemann, der adelige Offizier Alexandre de Beauharnais, war noch in den letzten Tagen der Jakobiner-Terrorherrschaft guillotiniert worden. Als früherer Präsident der Nationalversammlung galt er nach dem Sturz der Jakobiner als Märtyrer der Revolution. Seiner Witwe Joséphine, zeitweise selbst eingekerkert, standen damit die Türen zu den wichtigen Pariser Familien offen. Barras setzte auf Napoleon. Als 1795 Royalisten versuchten, das Direktorium zu stürzen, vertrieb Napoleon mit gut gezielten Kanonenschüssen die Übermacht. Danach pries man ihn als „Retter von Frankreich". Barras versuchte nun Napoleon an sich zu binden. Er beauftrage ihn mit der Führung der Italienarmee (1796/97), unterstützte ihn bei seiner späteren ägyptischen Expedition (1798-1801) und versuchte vor allem ihn mit Joséphine zu verkuppeln. 1796 heiratete Napoleon Joséphine. Durch Joséphine kam Napoleon zu Kreisen, die ihm sonst verwehrt geblieben wären.
Das Direktorium versuchte durch Feldzüge Tribute zu erzwingen, um die Staatsfinanzen zu sanieren. Erfolgreichster General war Napoleon Bonaparte. Im Inneren war Frankreich jedoch instabil. Zwischen radikalen Revolutionären und Royalisten kämpften die verschiedensten Gruppen um die Vorherrschaft. 1799 putschte sich Napoleon an die Macht und löste das Direktorium auf. Barras wurde der Misswirtschaft beschuldigt und musste Paris verlassen. Andere Direktoren wurden unter Hausarrest gestellt. Die Parlamentskammer wurde gestürmt. Eingeschüchtert nickten die Abgeordneten der neuen Verfassung, dem Konsulat, zu. Napoleon wurde zum ersten Konsul auf 10 Jahre benannt, was ihm fast diktatorische Vollmachten gab. Die Revolution war tot, lange lebe die Revolution. Napoleon gelang es durch Reformen, sich als Streiter für die bürgerlichen Freiheiten darzustellen. Im Jahr 1800 überlebte er zwei Attentate.
Die Ära „Napoleon"
Innenpolitik
Napoleon baute nun einen Polizeistaat auf. Mögliche Umstürzler wurden verbannt, die Presse zensiert. Hinzu kam sein Arbeitstempo. In kürzester Zeit wurde das Verwaltungssystem reformiert und ebenso das Bildungssystem. Die Staatskassen wurden saniert. Nach Verhandlungen mit dem Papst kam 1801 der Katholizismus nach Frankreich zurück, allerdings musste sich die Religion dem Staat unterordnen. Mit Lebensmittelaufkäufen für Paris 1801 wurden schnell kleinere Unruhen beendet. All diese Maßnahmen dienten auch zur Stabilisierung von Frankreich nach den zuvor unruhigen Jahren. Hinzu kam Napoleons wichtigstes Projekt: Der Code Civil wurde 1804 eingeführt – ein einheitliches Zivilgesetzbuch für Frankreich und seine besetzten Gebiete.
Außenpolitik
Derweil eilte Napoleon außenpolitisch von Sieg zu Sieg. 1802 ernannte sich Napoleon zum 1. Konsul auf Lebenszeit. Seine Erfolge führten dann indirekt zum letzten bedeutenden Gesetz des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation: dem Reichsdeputationshauptbeschluss: die weltlichen Fürsten, welche ihre links-rheinischen Gebiete an Frankreich verloren hatten, wurden mit anderen Gebieten abgefunden. Dies geschah durch Säkularisierung kirchlicher Herrschaftsgebiete und durch Mediatisierung, also die Auflösung kleinster weltlicher Herrschaften. 100 Kurfürstentümer, Hochstifte, Reichsabteien und Reichsstädte bekamen neue Herrscher. Wir sprechen hier von grob 45.000 km².
Abbildung 1: [Derzeit nicht verfügbar]
Abbildung 2: [Derzeit nicht verfügbar]
1804 ernannte sich Napoleon selbst, mit der Assistenz des Papstes, zum Kaiser der Franzosen. Viele einstige Verehrer von ihm, sahen sich an der Sache verraten. „Ich habe ihn geliebt. Jetzt schätze ich ihn aus Verachtung", so der Schriftsteller Stendhal in seiner Biographie über Napoleon.
1805 kam es zu der Schlacht bei Austerlitz, die auch unter den Namen „Dreikaiserschlacht" bekannt ist, weil 3 Kaiser beteiligt waren: Zar Alexander I. von Russland, Kaiser Franz II. und Napoleon. Es war der dritte Koalitionskrieg, von England und Russland gebildet, trat auch Österreich am 8. August der Koalition bei. Daraufhin suchte Napoleon, mit seinen Verbündeten Baden, Württemberg und Bayern, die schnelle Entscheidung. Bei Ulm wurde ein Teil der österreichischen Armee eingekesselt und gefangen genommen. Dann zweieinhalb Monate später trafen östlich vom heutigen tschechischen Brno die Hauptheere aufeinander. Napoleon gewann und beim Frieden von Preßburg verlor Österreich seine Vormacht in Mitteleuropa.
Bayern und Württemberg wurden entsprechend der vorherigen Geheimverträgen zu Königreichen von Napoleons Gnaden. Die vorderösterreichischen Besitzungen in Schwaben kamen an Württemberg und Baden. Mitte 1806 entstand in Deutschland der Rheinbund unter der Schirmherrschaft von Napoleon: eine von Frankreich abhängige Konföderation von deutschen Staaten, die aus dem Heiligen Römischen Reich auszutreten und Frankreich im Bedarfsfall Truppen zu stellen hatten. Auch die vier verbliebenen Staaten des heutigen Baden-Württembergs traten dem Rheinbund bei: Großherzogtum Baden, das Königreich Württemberg, Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen. Aus ungefähr 300 Staaten im heutigen Baden-Württemberg noch vor dem Reichshauptdeputationsgesetzt 1802 und der Mediatisierung (also der Eingliederung von Reichsständen und Adeligen in die neuen Bundesstaaten von 1803-1806) blieben 4 Staaten nach der Bildung des Rheinbundes 1806 übrig. Aus dem Herzogtum Württemberg wurde 1803 das Kurfürstentum Württemberg und 1806 das Königreich Württemberg und aus Herzog Friedrich wurde König Friedrich I. Aus der Markgrafschaft Baden wurde 1803 das Kurfürstentum Baden und schließlich 1806 das Großherzogtum Baden mit Großherzog Karl Friedrich an der Spitze. Hohenzollern-Sigmaringen und Hohenzoller-Hechingen blieben Fürstentümer.
Abbildung 3: [Derzeit nicht verfügbar]
Kaiser Franz II. sah sich genötigt, die Krone abzugeben. Das Heilige Römisches Reicher Deutscher Nation hatte aufgehört zu existieren. Er behielt die österreichische Kaiserkrone und nahm den Namen Franz I. an.
Der Code Civil
Der Eintritt in den Rheinbund bedeutete für die betroffenen Staaten die Anwendung des Code Civil (zeitweise auch Code Napoleon genannt). Dieses wurde 1804 als neues Zivilgesetzbuch eingeführt, um die Gleichheit und Freiheit aller Franzosen festzulegen sowie die rein weltliche Staatsgewalt. Aus den Idealen der französischen Revolution wurde juristischer Ernst. Gleichheit aller vor dem Gesetz, Selbstbestimmung, Gewerbefreiheit, Vertragsfreiheit, Schutz des Privateigentums und Trennung von Staat und Kirche: das alles wurde gesetzlich festgelegt. In den 3 Folgejahren wurde es zudem durch das Zivilprozessbuch und das Handelsgesetzbuch ergänzt.
Vor der Einführung des Code Civil gab es grob gesagt im Norden von Frankreich das Gewohnheitsrecht und im Süden das römische Recht. Allerdings war das Gewohnheitsrecht sehr flexibel. Je nach Gegend. So konnte es sein, dass man auf einer Tagesreise verschiedene Gebiete mit jeweils unterschiedlichen Gewohnheitsrechten passierte.
Nun galt für alle Staaten im französischen Einflussbereich – und dazu gehörte der deutsche Rheinbund – der Code Civil. Der Code Civil war gewissermaßen eine frühe gemeinsame europäische Rechtsprechung. In Frankreich gilt heute noch der Code Civil, nur behutsam modernisiert. Auch in anderen Ländern, wie den Benelux-Staaten oder aber auch Polen gilt der Code Civil, leicht angepasst, bis heute.
Zusammen mit dem Wegfall von vielen Zollgrenzen durch die Mediation (s.o.) förderte die Gleichheit vor dem Gesetz, Vertragsfreiheit, Gewerbefreiheit und das Recht auf privates Eigentum die Wirtschaft immens. Es ist sicherlich kein Zufall, dass in jenen Gebieten in Deutschland, in denen der Code Civil auch nach Napoleon noch galt (das sogenannte Rheinische Recht), die frühen Zentren der Industrien lagen: Stahl an der Ruhr, Chemie in Ludwigshafen oder Schuhe in Pirmasens.
Kunst/Mode
Nicht nur politisch hatte die Zeit von Napoleon bzw. die Französische Revolution einen großen Einfluss auf Baden-Württemberg. Sondern auch auf Mode und Kunst.
Beginnen wir mit der Mode. Bis zur französischen Revolution trat der Adel mit Rüschen und Flitter auf. Weißhaarige Toupets wurden getragen. Das war die Zeit des Barocks und seine Steigerung, des Rokokos. Die Kleidung zeigte vor allem die Unterschiede der Stände. Damit war es jetzt vorbei. Statt Pomp war jetzt schlichte Eleganz angesagt. Der zwei- bis dreiteilige Anzug mit Krawatte in gedeckten Farben ist bis heute die gängige Uniform bei den Männern. Bei den Frauen verschwand Korsett und Reifrock. Stattdessen Musselinkleider und, da dieses keine Taschen hatten, kamen die Vorläufer der Handtaschen in Mode: die Réticules.
In der Kunst müssen wir über einen Mann reden, der hier eine enorme Bedeutung für die heutige Museumswelt hatte: Monsieur Dominique-Vivant Denon. Gefördert von Napoleon und von ihm zum Generaldirektor der nationalen Museen ernannt worden. Damit leitete er auch das Louvre. Dieser Mann wollte aus dem Louvre das größte und schönste Museum im ganzen Universum und – das war revolutionär – für das ganze Volk zugänglich machen. Museen gab es schon vorher, aber es waren Schatzkammern von Herrschern, welche nur ausgewählte Personen ansehen durften. Zudem dienten sie nur zur Präsentation und dem ästhetischen Vergnügen. Denon wollte nicht nur das Museum für alle öffnen, sondern auch die Menschen damit bilden. Ein ganz neuer Gedanke. Er glaubte, dass Kunst den Charakter der Menschen mitformen könnte. Als oberster Schatzräuber von Napoleon begab er sich ständig auf Reisen, um in den französisch besetzten Gebieten auf Beutezug zu gehen. Unter anderem brachte er die Berliner Quadriga vom Brandenburger Tor in den Louvre (erst 1814 kam sie nach Berlin zurück). Es wurde ein riesiger Kunstberg angehäuft. Der Louvre war inzwischen schon zu klein geworden. Zweigstellen des Museums wurden errichtet. 1814 war es dann aber mit dem Glanz auch schon vorbei. Mit der Verbannung von Napoleon auf die Insel Elba muss Denon viele Entitäten wieder hergeben. Der Kunstraub hatte aber Nachwirkungen: Durch den Raub der Kunstgegenstände bekamen diese bei den Beraubten einen viel höheren Stellenwert als davor. Jetzt wurde der vormalige „Plunder" erst richtig geschätzt. Und es entstanden überall Museen, welche von jedermann besichtigt werden konnte. Auch die Quadriga bekam erst durch ihre Rückführung nach Berlin ihre wahre Bedeutung. Erst jetzt wurde sie zum Wahrzeichen auf dem Brandenburger Tor.
Louvre Museum
Abbildung 4: Louvre Museum
Politik von 1806-1815
Es soll hier keine Auflistung von allen 50 Schlachten von Napoleon durchgeführt werden. Häufig wird Napoleon für diese Anzahl von Kriegen verantwortlich gemacht. Man spricht auch von den Napoleonischen Kriegen. Das ist aber nicht ganz richtig, denn meistens wurde Napoleon selber angegriffen – meist initiiert und finanziert durch England, welches seine Handelsbilanz in Gefahr sah. Napoleon hatte 1803 einen Handelsvertrag mit England abgelehnt, welches die zollfreie Einfuhr von englischen Waren nach Frankreich vorsah. England griff deshalb 1803 Frankreich an. Diesem neuen englisch-französischem Krieg folgte sämtliche Koalitionskriege bis 1815, noch verschärft durch die 1805 von Napoleon erlassene Kontinentalsperre für England.
Die Motivation von Russland, Preußen und Österreich war nun natürlich eine andere. Es ging um Restauration, also die Herstellung der alten (feudalen) Ordnung vor der Revolution als auch um Machtpolitik. Später auch um nationale Gedanken.
Bei diesen Kriegen war eine Sache anders als in den Kriegen zuvor. Es war die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in französischen Gebieten. In feudalen Zeiten hatten angeheuerte Söldner den Krieg geführt. Personen, die sich freiwillig zu Kriegsdiensten meldeten. Und dann demjenigen dienten, der am Meisten zahlte. „Nationen", wie wir sie heute verstehen, gab es damals nicht. Es gab hier eher „Dynastien", wie die Bourbonen oder die Habsburger und Ihre Herrschaftsbereiche. Mit der Revolution und der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht änderte sich dies grundlegen. Die Nation war das Gegenmodell zum Fürstenstaat, ein „Fürs Vaterland" und gegen den Adel. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht spielte hier auch speziell für den Rheinbund eine zentrale Rolle. Nun konnte und wurde jeder wehrpflichte Bürger zum Wehrdienst herangezogen und, da es so viele Kriege gab, und viele Wehrdienstleistende nicht mehr zurückgekommen sind, war diese äußerst unbeliebt. Durch die „verbesserte" Kriegstechnik zusammen mit der Wehrpflicht kam es zu den ersten Massenschlachten der Neuzeit. Dies alles führte im Rheinbund zur Opposition gegen alles Französische.
Franzosen in der Schlacht
Abbildung 5: Franzosen in der Schlacht
Preußen hingegen verlor 1806 in einer Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt zusammen mit Sachsen gegen die Franzosen. Napoleon zog in Berlin ein und Preußen erlebte sein Trauma und stand kurz vor seiner Auflösung. Nur durch die Intervention von Alexander I. von Russland blieb Preußen als Staat bestehen.
Dann kam der Russlandfeldzug 1812. Dies war natürlich ein Angriffskrieg von Napoleon. Die einzelnen Rheinbundmitglieder mussten für diesen Feldzug Soldaten abstellen. Napoleon mobilisierte eine Armee von 630.000 Soldaten. Davon marschierten 450.000 Soldaten in der bis dahin größten europäischen Armee Richtung Russland. Darunter auch Kontingente aus Preußen (20.000 Soldaten) und Österreich (30.000 Soldaten)! Einen großen Teil der Armee füllten Soldaten aus dem Rheinbund (120.000 Soldaten). In der Grand Armée kamen 16.000 Soldaten allein aus Württemberg. Baden stellte 6.700 Soldaten. Für die Franzosen galten diese Soldaten als Hilfstruppen und wurden entsprechend behandelt. Konflikte innerhalb der Truppe waren nicht selten. Und es gab Tote ohne dass ein Schuss fiel: Ein westfälisches Regiment bestand nach einem Gewaltmarsch bei sengender Hitze nur noch aus 210 Soldaten. Ursprünglich waren es 1980 Mann gewesen. Nachschub blieb aus. Die Soldaten hungerten. Krankheiten, wie die Ruhr griffen um sich. Arzneien gingen aus. Es hieß, man ging leichtverletzt in das Feldlazarett und kam auf der Bahre wieder raus. Der Ausgang des Feldzuges ist bekannt. Napoleons Truppen erreicht zwar Moskau (es waren nur noch 90.000 Mann), doch Moskau wurde von den Russen selber in Brand gesetzt. 80% der Häuser brannte nieder. Jetzt brach die Disziplin der französischen Armee zusammen. Nach 5 Wochen zog Napoleon ab – parallel begleitet von den russischen Truppen unter dem Befehlshabe Kutusow. Ständige Nadelstiche setzten der französischen Armee zu. Dann begann Anfang November der Winter mit Schnee und Temperaturen von deutlich unter -20°C. Der katastrophale Höhepunkt jenes Rückzuges war die Überquerung des Flusses Borissow im heutigen Belarus. Von den noch verbliebenen 70.000 Soldaten erreichten gerade mal 40.000 das andere Ufer. Und danach kamen erst die kältesten Tage! Mit der Überquerung der Memel fand der Feldzug offiziell sein Ende. Je nach Quelle kehrten zwischen 23.000 und 30.000 Soldaten zurück. Von den knapp 16.000 Württembergern kamen 387 Mann zurück. Die badische Division, anfangs 6.700 Mann, bestand am 30. Dezember noch aus 40 kampffähigen und 100 kranken Soldaten. Die Stuttgarter Zeitung zitierte eine Anekdote aus dieser Zeit: König Friedrich von Württemberg ist außer sich. „Warum haben Sie meine Armee verlassen", fragt er Generalmajor Karl von Kerner erbost, als dieser am 26.Dezember 1812 bei ihm vorspricht. „Majestät haben keine Armee mehr", entgegnet Kerner.
Das Ergebnis des Russlandfeldzuges sprach sich schnell herum. Preußen und Russland schlossen einen Waffenstillstand. Damit scherrte Preußen aus der erzwungenen Allianz mit Frankreich aus und wurde zunächst neutral. Später schlossen Preußen und Russland einen Freundschafts- und Bündnisvertrag. Als russische Truppen im März 1813 in Berlin einmarschierten, wurden sie als Befreier von Napoleon gefeiert.
England und Schweden schlossen sich der Allianz an. Die „Befreiungskriege" beginnen. Im August stieß dann auch Österreich hinzu. In der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 2013 gab es eine vernichtende Niederlage von Napoleon. Der Rheinbund zerfiel. Napoleon musste sich auf Frankreich beschränken. Im darauffolgenden März zog die Allianz in Paris ein. Napoleon dankt im April ab und wurde auf die Insel Elba verband. Der Bourbone Ludwig XVIII. wird König von Frankreich.
Völkerschlachtdenkmal Leipzig
Abbildung 6: Völkerschlachtdenkmal Leipzig
Doch ein Jahr später schon kehrt Napoleon von Elba nach Paris zurück und wird wieder Kaiser für 100 Tage. Bei der Schlacht von Waterloo erlitt er seine letzte militärische Niederlage und wird auf die Atlantikinsel St. Helena verband, wo er dann 1821 stirbt.
1815 wird der „Deutsche Bund" gegründet: ein lockerer Staatenbund von Fürsten und freien Städten einschließlich Österreichs und Preußens. Baden gibt sich 1818 als einer der ersten deutschen Staaten eine Verfassung.
Abbildung 7: [Derzeit nicht verfügbar]
Gesellschaft
Der neu entstandene Patriotismus und Nationalismus in den deutschen Staaten, auch als Gegenentwurf zum feudalen Fürstenstaat, wurde, wie schon oben erwähnt, durch die Einführung des allgemeinen Wehrdienst im Rheinbund befeuert, welcher zu einer starken Ablehnung alles französischen führte. Die Aushebung von Soldaten führte zu Aufständen. In Preußen hingegen mehr durch das Trauma des Einmarsches von Napoleon in Berlin und der Beinah-Auflösung von Preußen.
Nationalistische Gruppen entstanden, wie der Turnerbund von Turnvater Jahn, die über die „Ertüchtigung des deutschen Mannes" zur deutschen Einheit und zur Befreiung von den Franzosen führen sollten.
Aber auch auf anderem Gebiet gab es eine nationale Strömung. Die Romantik, die Besinnung auf die Natur als Gegenmotiv zu den künstlich geometrisch angelegten Gärten des feudalen Barocks, erhielt immer stärker einen nationalen bis nationalistischen Unterton. Viele Anhänger dieser Strömung waren anfangs noch Anhänger von Napoleon. Doch das änderte sich mit der Annahme des Kaisertums und den vielen Kriegen. Aus Verehrung wurde erst Enttäuschung. Der tägliche Anblick von französischen Soldaten in deutschen Städten verstärkte das Ressentiment gegen Napoleon und Frankreich. Durch die Besetzung der deutschen Staaten, auch Preußens, den Untergang des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation wurde der Traum für ein Ende der Kleinstaaterei groß, ersetzt durch einen nationalen Staat. Etwas naiv für die heutige Zeit, aber damals sehr verbreitet, war der Gedanke, dass durch das Ende der Fürstentümer mit Ihrer Kleinstaaterei, ersetzt durch einen nationalen Staat, das zu einem Ende der ewigen Kriege zwischen den Fürsten führen würde: eine friedliche Koexistenz von Nationen. Innerhalb weniger Jahre wurde „das Deutsche" bestimmendes Motiv in Lyrik und Literatur. Es wurde versucht, eine nationale Einheit und Identität herbeizuschreiben, die es nicht gab. Alt-deutsche Lieder wurden gesammelt: Die drei Bände „Des Knaben Wunderhorn" wurden zum Verkaufsschlager. Die Gebrüder Grimm waren mit Ihrer Märchensammlung auf der Suche nach einer deutschen Identität. Ob Absicht oder nicht, flossen auch französische Märchen in die deutsche Sammlung ein: Rotkäppchen, Gestiefelter Kater oder Dornröschen waren französischen Ursprungs. Auch das von Ihnen herausgegebene „Deutsche Wörterbuch" sollte die nationale Identität stärken. Schriften von Autoren, wie des sehr populären Ernst Moritz Arndt, verbreiteten sich schnell. Sie radikalisierten die Menschen gegen die Franzosen. Es entstanden kriegsverherrlichende Texte mit einem tiefen Hass gegen Franzosen. So schrieb z.B. Arndt: „Ich will den Hass gegen die Franzosen nicht bloß für diesen Kriege, ich will ihn für lange Zeit, ich will ihn für immer. Dieser Hass glühe als die Religion des deutschen Volkes, als ein heiliger Wahn in allen Herzen". Sie alle wurden zur Propaganda gegen Napoleon und den Franzosen.
Bewertung von Napoleon in der Geschichte
Napoleon stand an einer dieser Schnittstellen der Weltgeschichte. Es gab die Epoche vor Napoleon und jene danach. Sein Einfluss war riesig. Mit seiner Bewertung wird es allerdings schwierig, denn sein Wirken war vielfältig und ambivalent. Er zerstörte und baute Neues auf. Je nach Region wird Napoleon heute noch eher verehrt oder eher verachtet. Sehen wir nach Mailand, dort wird Napoleon als Wegbereiter der Einigung Italiens gewürdigt und eine der teuersten Einkaufsmeilen Europas, die Via Monte Napoleon, ist nach ihm benannt. Dagegen nicht sehr weit entfernt in Venedig ist eine öffentliche Toilettenanlage nach ihm benannt. Das liegt daran, dass Napoleon 1797 die 1000jährige Unabhängigkeit von Venedig beendet hat.
Auch für Baden-Württemberg ist seine Bewertung zwiespältig. Allein schon durch den Russlandfeldzug wurden tausende junger Menschen in den Tod geschickt. Durch seinen Code Civil und auch durch seine Verwaltungsreform mit letztendlich nur noch vier Gebieten hat er Rechtssicherheit, mehr Grundrechte für den Bürger und den wirtschaftlichen Aufstieg in diese Region gebracht. Nicht gewollt, aber mit verursacht, hat er den Nationalismus nach Deutschland gebracht – mit all seinen späteren Folgen.
Literatur:
Fürst Metternich über Napoleon Bonaparte: Eine Charakterstudio aus 1813 und 1820. -braumüller GmbH.Leonhard Horowski: Das Europa der Könige.- 2018, rororo-Verlag. Simon Rilling: Als Württemberg seine Armee verlor.- Stuttgarter Zeitung, 24.03.2019Wikipedia: Napoleon.Nils Minkmar: Warum wir um Napoleon nicht herumkommen. - Spiegel Geschichte, Ausgabe 1/2021: Napoleon und die Deutschen.Thomas Schuler: Klein und größenwahnsinnig? - Spiegel Geschichte, Ausgabe 1/2021: Napoleon und die Deutschen.Hauke Friederichs: Die Nacht war so scheußlich. - Spiegel Geschichte, Ausgabe 1/2021: Napoleon und die Deutschen.Ulrike Knöfel: Kunstraub für Paris. - Spiegel Geschichte, Ausgabe 1/2021: Napoleon und die Deutschen.Julian Nebel: Gut gealtert. - Spiegel Geschichte, Ausgabe 1/2021: Napoleon und die Deutschen.Philipp Löwe: Ein neuer Stil. - Spiegel Geschichte, Ausgabe 1/2021: Napoleon und die Deutschen.Angelika Franz: Geschichte wird gemacht. - Spiegel Geschichte, Ausgabe 1/2021: Napoleon und die Deutschen.Uwe Klußmann: Wer ist hier unbesiegbar? - Spiegel Geschichte, Ausgabe 1/2021: Napoleon und die Deutschen.Frank Patalong: Mit Schnaps gegen den Kaiser. - Spiegel Geschichte, Ausgabe 1/2021: Napoleon und die Deutschen.Ruth Hoffmann: Poetische Mobilmachung. - Spiegel Geschichte, Ausgabe 1/2021: Napoleon und die Deutschen.Geoffrey Regan: Militärische Blindgänger und Ihre größten Schlachten. – Verlag zu Klampen. 1998.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Reichsdeputationshauptbeschluss .- Geographische Anstalt von Velhagen & Klasing, Leipzig - Alfred Baldamus; Ernst Schwabe (Hg.): F. W. Putzgers Historischer Schul-Atlas zur alten, mittleren und neuen Geschichte. 24. Aufl. Velhagen & Klasing, Bielefeld / Leipzig 1900, S. 26f., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18139940 4
Abbildung 2: Reichsdeputationshauptbeschluss: Ausschnitt heutiges Baden-Württemberg. - Geographische Anstalt von Velhagen & Klasing, Leipzig - Alfred Baldamus; Ernst Schwabe (Hg.): F. W. Putzgers Historischer Schul-Atlas zur alten, mittleren und neuen Geschichte. 24. Aufl. Velhagen & Klasing, , Bielefeld / Leipzig 1900, S. 26f., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18139940 4
Abbildung 3: Liste der Mitgliedstaaten im Rheinbund, Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Mitgliedstaaten_im_Rheinbund# 5
Abbildung 4: Louvre Museum 7
Abbildung 5: Franzosen in der Schlacht 8
Abbildung 6: Völkerschlachtdenkmal Leipzig 10
Abbildung 7 Der deutsche Bund - ziegelbrenner, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3414903 10
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