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Israel:

"Darauf haben wir tausende Jahre gewartet" - Israel erlaubt Registrierung als "Aramäische Christen"

Stand: 17.07.17 19:05 Uhr

glaukichri.de - Einem Bericht der Jerusalem Post zufolge ist ein zweijähriger Bub als erster Israeli als "aramäischer Christ" registriert worden. "Auf diese Gerechtigkeit haben wir tausende von Jahren gewartet", sagte Shadi Halul aus der Ortschaft Gush Halav in Galiläa. Zusammen mit seiner Frau hatte der israelische Offizier den zweijährigen Sohn am Montag offiziell als "Christlichen Aramäer" registrieren lassen. Bisher konnten sich israelische Christen in Israel nur als "Araber" registrieren lassen.

Israelischer Innenminister macht den Weg frei

Den Weg frei für eine Registrierung als "Aramäischer Christ" machte der israelische Innenminister Gideon Saar. Er hatte zuvor entschieden, dass das israelische Bevölkerungsregister für arabische Christen ab sofort eine eigene, "Aramäische Identität" anerkennt.

Die Möglichkeit, sich als Aramäer registrieren zu lassen, steht der Jerusalem Post zufolge nun allen allen Israelis offen, die sich mit dem historischen Volk der Aramäer identifzieren.

Aramäische Christliche Assoziation verfolgt als Ziel die Anerkennung des Aramäischen

Halul, der als Capitän der Reserve in einer Fallschirmjägereinheit in der israelischen Armee dient, hatte den Angaben zufolge vor sieben Jahre die "Aramäische Christliche Assoziation" gegründet. Die Organisation verfolgt demnach das Ziel einer Anerkennung des Aramäischen Volkes als eigene Nation, mit seiner eigener Sprache und seinen eigenen Gebräuchen.

Zum- englischsprachigen -  Artikel der Jerusalem Post geht es hier

Einem Bericht des TV-Senders i24.tv zufolge haben sich nach Angaben von Halul bisher etwa 250 Familien auf eine Interessenliste für die Registrierung als Aramäer eingetragen. Dr Gründer der Aramäischen Christlichen Assoziation rechnet mit tausenden weiteren Interessenten.

Registrierung steht Maronniten, Orthodoxen Aramäern, Syrischen Katholiken, Griechisch Orthodoxen und Griechischen Katholiken offen.

Israelische Staatsbürger, die sich als Aramäer registrieren lassen wollen, müssen dem Sender zufolge aus dem Mittleren Osten stammen, mit der aramäischen Sprache vertraut sein, und einer von fünf christlichen Konfessionen angehören:Nämlich den Maronniten, den Orthodoxen Aramäern, den Syrischen Katholiken, den Griechisch Orthodoxen oder den Griechischen Katholiken.

Die christliche Gemeinschaft in Israel umfasst heute 120.000 Menschen. Damit macht diese Gruppe 9% der arabischen israelischen Bevölkerung aus.

Geschichtlicher Exkurs - (Im Folgenden aus einem Vortrag zum Thema von Stefan Klarner)

Aramäisch gehört zur gleichen Sprachfamilie wie Hebräisch: Im Heiligen Land verbreitete sich das Aramäische nach der Zwangsumsiedlung von aramäischen Bevölkerungsteilen durch fremde Eroberer einige Jahrhunderte vor Christi Geburt, speziell im Gebiet von Galiläa. 

Gegen aramäisch sprechende Galiläer gab es Vorbehalte

Die Neuankömmlinge nahmen mit der Zeit den jüdischen Glauben und die jüdischen Gebräuche an. 

Trotzdem wurden die aramäisch sprechenden Galiläer noch zu Zeiten Jesu als nicht vollwertige Mitglieder des jüdischen Volkes empfunden, auf Schwäbisch würde man heute sagen: Sie waren immer noch "Reigeschmeckte".  

Jesus selbst war Galiläer und sprach Aramäisch, das belegen aramäische Wörter, die unübersetzt und mit einer Erklärung versehen ("das bedeutet..")  ins griechischsprachige Neue Testament übernommen worden sind.

Die Vorbehalte der Jerusalemer gegen die aramäisch sprechenden Galiläer sind auch im Neuen Testament dokumentiert: Dort wird berichtet, ein Vorbehalt gegen Jesus sei gewesen: Der Messias könne doch unmöglich aus Galiäa kommen ... - Man könnte heute salopp zuspitzen: "Der Messias kann doch nicht von "Reigschmeckten" abstammen.

Spur der judenchristlichen Gemeinen verliert sich mit der Zerstörung Jerusalems

Die Spur der ursprünglich umfangreichen  judenchristlichen Gemeinden in Israel, also von Juden, welche die Lehre Jesu angenommen hatten, verliert sich mit der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 nach Christus. Aufgrund einer rechtzeitigen Warnung sei die judenchristliche Gemeinde noch vor dem Beginn der römischen Belagerung aus Jerusalem nach Peräa im heutigen Jordanien umgesiedelt.

Der  Fluchtpunkt Peräa liegt auf der Hand, da in dieser Gegend Jahre zuvor auch Johannes der Täufer einen seiner Wirkungsmittelpunkte hatte, und es denkbar ist, dass sich der "harte Kern" der judenchristlichen Gemeinde, der ursprünglichen Jünger Jesu, dort noch gut auskannte. 

In Peräa verliert sich die Spur der judenchristlichen Jerusalemer Gemeinde; Peräa wurde selbst in den Wirren der Folgezeit  ebenfalls zerstört und verlassen.

Syrien und Irak waren über Jahrhunderte blühende Zentren des Christlichen Glaubens

Einige Jahrhunderte später finden wir aramäisch sprechende Christen vor allem im Gebiet des heutigen Syrien und Irak. Die Gebiete des heutigen Syrien und Irak waren für Jahrhunderte blühende Zentren christlichen Glaubens.

Inwieweit diese aramäischen Christen auf die ursprünglichen Judenchristen zurückgehen, oder von nichtjüdischen Heidenchristen der Petrus- und Paulus-Mission abstammen, läßt sich nicht eindeutig klären. Die aramäische Sprache könnte allerdings auch auf eine historische Verbindung zu Judenchristen hindeuten.

Enthält die Peschitta, das aramäische Neue Testament, den aramäischen Originaltext Jesu ?

Die syrisch-christliche Kirche vertritt übrigens bis heute den Standpunkt, dass es sich bei ihrer Peschitta, daher ihrem Neuen Testament in aramäischer Sprache, nicht etwa um eine Rückübersetzung aus dem Griechischen ins Aramäische handelt.

Stattdessen handele es sich um den unveränderten Text, wie er von Jesus in aramäischer Sprache überliefert und seither tradiert worden sei. 

War das "Kamel" ein "Tau"?

Ganz interessant ist in diesem Zusammenhang übrigens ein Vergleich der Peschitta, also dem Aramäischen Neuen Testament, mit dem Griechischen Neuen Testament:

Wir europäische Christen kennen den Satz "Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr...". In der aramäischen Fassung der Peschitta lautet der Satz aber: "Eher geht ein Tau durchs Nadelöhr...".

Die Wörter "Tau" und "Kamel" unterscheiden sich im Aramäischen durch einen einzigen Buchstaben. Deswegen wird von manchen Wissenschaftlern die These vertreten, aus dem aramäischen "Tau" sei erst durch eine schlampige Übersetzung ins Griechische das "Kamel" geworden.

Wortbild passt zum umfangreichen Fischereibetrieb rund um den See Genezareth

Demzufolge wäre das ursprüngliche Wortbild dem umfangreichen Fischereibetrieb zu Jesu Zeiten rund um den See Genezareth entlehnt. Die Fischer hatten als Tagesgeschäft ihre Segel zu flicken und benutzten dafür große Nähnadeln, in die man zwar ein dünnes Seil, aber kein dickes Tau einfädeln konnte.

Forschungsergebnisse des israelischen Forschers und Fischers Mendel Nun belegen eine rege Fischerei-Tätigkeit am See Genezareth auch zur Zeit Jesu. Der Forscher konnte die Reste von gut 15 antike Hafenanlagen rund um den See Genezareth nachweisen. Dazu viele Stein- und Basalt-Anker, sowie eine Unzahl von Senk-Bleien und Senk-Steinen, welche die Verwendung von Fischernetzen belegen.

Die Entdeckung und Identifizierung der antiken Hafenanlagen waren möglich geworden, nachdem Mendel Nuns herausgefunden hatte, dass der heutige Seespiegel des See Genezareth nicht der Wasserhöhe in antiker Zeit entspricht.

Ein weiterer Beleg für antike Fischerei ist der Name des Fischerdorfs Bethsaida. "Bethsaida" heißt übersetzt schlicht "Fischen" oder "Bei den Fischen". Im sogenannten "Evangelischen Dreieck" am Nordwestufer des Sees, zwischen Bethsaida, Kafarnaum und Chorazim, vollzog sich der größte Teil des galiläischen Wirkens von Jesu.

Andere Erklärungsversuche verweisen allerdings darauf, dass das Begriffspaar "Kamel" und "Nadelöhr" ebenfalls stimmig sein könnte, da hier der Gegensatz zwischen "dem größten Nutztier" und "dem kleinsten Gegenstand" dargestellt werden sollte.

Mittelalterliche Islamisierung führt zu starkem Rückgang der aramäisch-christlichen Bevölkerung

Seit der im Mittelalter aufkommenden Islamisierung der ursprünglich tief christlichen geprägten Staaten von Syrien bis Irak ist der Anteil der aramäisch sprechenden, christlichen Bevölkerung allerdings dramatisch geschrumpft. 

Außerhalb Israels gab es bis vor wenigen Jahren noch wenige Gegenden und Gemeinden, in der die Muttersprache Jesu - oder zumindest der nördliche aramäische Dialekt - von Christen gesprochen wurde.

Dramatischer Aderlass durch aktuelle Bürgerkriege und islamistische Übergriffe

Mit den Bürgerkriegen und den islamistischen Übergriffen im syrisch-irakischen Gebiet haben diese Gemeinschaften in den letzten Jahren und besonders in den letzten Monaten aller Wahrscheinlichkeit nach nochmals einen erheblichen Aderlass durch Flucht oder Vertreibung hinnehmen müssen.

Wieviele der heute 120.000 israelischen Christen aramäisch sprechen, ist dem Autor nicht bekannt.

Außerhalb Israels sind ein Beispiel für aramäisch sprechende Christen  die rund 500.000 Mitglieder der chaldäisch-katholischen Kirche. Dabei handelt es sich um aramäisch sprechende Assyrer, die im Norden Mesopotamiens leben (es besteht dabei kein ethnischer Bezug zu den Chaldäern, die bis um das Jahr 550 im Süden Mesopotamiens lebten. Die Namensgleichheit ist lediglich durch einen Übersetzungsfehler vom Hebräischen ins Lateinische zustandegekommen:: So wurde aus Abrahams Geburtsort "Ur Kasdim" - das in Assyrien vermutet wird - fälschlicherweise mit "Ur in Chaldäa" übersetzt.). [Dieser Absatz nach:  Hans Joachim Löwer: Die Stunde der Kurden, Kap. 19, S.182 f.;  Verlag Styria Premium, 2015].

Gesicherte Zukunft aramäischer Christen in Israel ?

Die Zulassung einer aramäischen Identität - übrigens als eine der letzten Amtshandlungen des israelischen Innenministers Gideon Saar vor dessen Rücktritt - lässt es möglich erscheinen, dass sich die so ursprüngliche christlich-aramäische Kultur zumindest in Israel halten und entwickeln kann.

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Dieser Artikel erschien ursprünglich in kürzerer Fassung und wurde um einen geschichtlichen Exkurs, basierend auf einem Vortrag von Stefan Klarner, ergänzt.

Der Autor freut sich über ergänzende Hinweise zur Thematik christlich-aramäischer Kultur der letzten 2000 Jahre an die E-Mail-Adresse: redaktion@glaukichri.de 

 

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