Rathaus Tübingen | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Wimpernschlagfinale zwischen Palmer und Soltys? So lief der Wahlkampf.

Stand: 19.10.14 21:46 Uhr

Mit Spannung wird heute nicht nur in Tübingen auf das Ergebnis der OB-Wahlen gewartet. Alles dürfte sich auf das Duell des grünen Amtsinhabers Boris Palmer mit der von CDU und FDP gestützten Fellbacher Baubürgermeisterin Beatrice Soltys zuspitzen.

Die erste Frage: wird einer der Kandidaten bereits im ersten Wahlgang die 50 Prozent-Marke knacken - oder braucht es Runde 2? In einigen - allerdings nicht repräsentativen - Umfragen lag Palmer knapp hinter Soltys. Einiges deutet darauf hin, dass es ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben könnte. Brisant, weil Palmer gegenüber RTF.1 und anderen Medien angekündigt hat, in einem zweiten Wahlgang nicht mehr anzutreten, wenn er im ersten nicht wenigstens siegreich wäre. Dann sei ein OB - aus seinem Verständnis - von den Wählern faktisch abgewählt.

WahlurneJetzt sind die Wähler in Tübingen gefragt

Entscheidend könnten deshalb ungewollt vor allem jene Wähler sein, die im Sinne haben, in der ersten Runde den "Spaßkandadidaten" Häns Dämpf zu wählen. Sie dürften im Grundsatz eher Palmer zuzuordnen sein, könnten diesem aber in Runde eins fehlen und so die Konkurrentin Soltys ungewollt - vielleicht entscheidend – stärken.

Wie haben sich die beiden Kandidaten im Wahlkampf präsentiert? Palmer hob vor allem seine glänzende Bilanz hervor: rund 5000 neue Arbeitsplätze, 5000 neue Wohnungen, fast ohne Flächenverbrauch. Der Haushalt ist ausgeglichen, die Stadt schuldenfrei - und das, obwohl schon eine Menge öffentlicher Gebäude saniert wurden. In der Kleinkinderbetreuung hält Tübingen den bundesweiten Spitzenplatz. Die Wirtschaftskraft ist um rund 15 Prozent gewachsen. Und mit der international beachteten Klimaschutz-Kampagne "Tübingen macht blau" hat es Palmer geschafft, den Pro-Kopf-CO2-Ausstoß um 18 Prozent zu senken.

Beatrice Soltys setzte vor allem an der Kritik an Palmers Verkehrspolitik an, die dieser das Etikett der Autofeindlichkeit zurordnet. Sie nahm auch verbreitete Klagen über eine angeblich zu geringe Zahl an Parkplätzen auf - und deutete an, dass es bei den Kliniken am Schnarrenberg mit ihr ein neues Parkhaus geben könne. Zudem kritisierte Soltys die Parkraumbewirtschaftung und forderte für die Innenstadt eine sogenannte "Brötchenholtaste", ein kostenloses Parken für eine Viertelstunde. Dass die Verkehrsplanung insgesamt nicht stimme, zeige sich an dem Umstand, dass Kaufkraft nach anderswo - wie Reutlingen - abfließe. Scharfe Kritik übte Soltys zudem an Verzögerungen der Genehmigungsverfahren im städtischen Bauamt. Ein Umstand, den Palmer selbst einräumte und mit einer steigenden Anzahl von Anträgen, vielen Krankheitsfällen und Ausfällen begründete.

Brisanz in den Wahlkampf haben noch ein paar andere Dinge gebracht: So warf Boris Palmer der Gegenseite im RTF.1 - Interview vom Donnerstag vor, Sachauseinandersetzungen auszuweichen - und stattdessen zunehmend auf persönliche Angriffe zu setzen. Soltys hatte unter anderem gegenüber RTF.1 betont, dass „wenn Palmer abgewählt werden würde, dies mit seiner Art zu tun habe". Zudem hatte sie herausgestellt, dass ihrer Meinung nach „Politik nicht ins Rathaus" gehöre. Dem hatte Palmer vehement widersprochen.

Der Wahlkampf wurde zudem unerwartet angeheizt durch den Bericht eines TV Magazins über - von Palmer nicht zu verantwortende - Tierversuche am Max-Planck-Institut für Kybernetik.

Ganz zu Wahlkampfende - strategisch sehr durchdacht ge-timet, könnte man meinen - gab es dann noch einen dubiosen anonymen Hinweis an die Presse über staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Palmer. Er soll im September beim Einparken Kratzer an einem anderen Auto verursacht und sich von der "Unfallstelle" entfernt haben.

Für Boris Palmer wäre der Verlust des Tübinger OB-Sessels auch insgesamt ein Karriererückschlag. Denn der 42jährige politische Senkrechtstarter, Strategen und Querdenker, den nicht wenige politische Beobachter für ministrabel in Land und Bund halten, war zuvor mit seiner Kandidatur für den grünen Parteirat gescheitert . Palmer hatte sich unter anderem gegen Steuererhöhungsforderungen gestellt.

Am Ende des Wahlkampfs prognostizierten viele inner- und ausserstädtische Bobachter ein Kopf-an-Kop-Rennen.

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