"Im Netzwerk Wissenschaftsfreiheit haben sich 70 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus dem deutschsprachigen Raum und unterschiedlichen akademischen Disziplinen zusammengeschlossen", schreibt das Wissenschaftsnetzwerk in seiner ersten Pressemitteilung:
Appell für die Wissenschaftsfreiheit
Man trete mit dem Appell für die Wissenschaftsfreiheit am heutigen 03. Februar 2021 erstmalig an die Öffentlichkeit: Die Sorge gelte "einer zunehmenden Verengung von Fragestellungen, Themen und Argumenten in der akademischen Forschung."
Abweichende Positionen und Meinungen werden an den Rand gedrängt
Weiter heißt es: "Vielerorts ist an den Universitäten ein Klima entstanden, in dem abweichende Positionen und Meinungen an den Rand gedrängt und moralisch sanktioniert werden." Diese Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit würden - so argumentiert das Netzwerk - häufig einer ideologischen oder politischen Agenda folgen: "Sie behindern eine rationale und ergebnisoffene Suche nach Erkenntnis, die den Kern der Freiheit der Wissenschaft in der Tradition der Aufklärung ausmacht."
Schon viel Schaden angerichtet: "Cancel Culture" und "Political Correctness"
Hier sei schon viel Schaden angerichtet worden: "Cancel Culture und Political Correctness haben die freie und kontroverse Debatte auch von Außenseiterpositionen vielerorts an den Universitäten zum Verschwinden gebracht."
Unerlässlich: Intellektuelle Freiheit, Neugierde, wissenschaftlicher Pluralismus
Mit dem Appell und der Gründung des Netzwerkes "wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Voraussetzungen freiheitlicher Forschung und Lehre verteidigen und stärken", heißt es in der Pressemitteilung: "Sie setzen sich für eine von Sachargumenten und gegenseitigem Respekt geprägte Debattenkultur ein." Weiter heißt es: "Intellektuelle Freiheit, Neugierde und wissenschaftlicher Pluralismus sind dafür unabdingbar."
Das Manifest des Netzwerks
Mit dem Gang an die Öffentlichkeit hat das das Netzwerk zugleich auch ein Manifest veröffentlicht. Im "Manifest Netzwerk Wissenschaftsfreiheit" heißt es [Zwischenüberschriften wurden durch die Redaktion eingefügt]:
Gemeinsames Anliegen: Freiheit von Forschung und Lehre zu verteidigen
"Das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit ist ein Zusammenschluss von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit dem gemeinsamen Anliegen, die Freiheit von Forschung und Lehre gegen ideologisch motivierte Einschränkungen zu verteidigen und zur Stärkung eines freiheitlichen Wissenschaftsklimas beizutragen."
Moralische und politische Vorbehalte schränken Freiheit zunehmend ein
"Wir beobachten, dass die verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit von Forschung und Lehre zunehmend unter moralischen und politischen Vorbehalt gestellt werden soll. Wir müssen vermehrt Versuche zur Kenntnis nehmen, der Freiheit von Forschung und Lehre wissenschaftsfremde Grenzen schon im Vorfeld der Schranken des geltenden Rechts zu setzen."
Versuche, Forschung und Lehre weltanschaulich zu normieren & politisch zu instrumentalisieren
"Einzelne beanspruchen vor dem Hintergrund ihrer Weltanschauung und ihrer politischen Ziele, festlegen zu können, welche Fragestellungen, Themen und Argumente verwerflich sind. Damit wird der Versuch unternommen, Forschung und Lehre weltanschaulich zu normieren und politisch zu instrumentalisieren. Wer nicht mitspielt, muss damit rechnen, diskreditiert zu werden. Auf diese Weise wird ein Konformitätsdruck erzeugt, der immer häufiger dazu führt, wissenschaftliche Debatten im Keim zu ersticken."
Erheblicher Druck auf Hochschulangehörige - Skandalisierung missliebiger Gastredner
"Hochschulangehörige werden erheblichem Druck ausgesetzt, sich bei der Wahrnehmung ihrer Forschungs- und Lehrfreiheit moralischen, politischen und ideologischen Beschränkungen und Vorgaben zu unterwerfen: Sowohl Hochschulangehörige als auch externe Aktivisten skandalisieren die Einladung missliebiger Gastredner, um Druck auf die einladenden Kolleginnen und Kollegen sowie die Leitungsebenen auszuüben."
Versuche, Forschungsprojekte zu verhindern und missliebige Publikationen zu unterbinden
"Zudem wird versucht, Forschungsprojekte, die mit den weltanschaulichen Vorstellungen nicht konform gehen, zu verhindern und die Publikation entsprechend missliebiger Ergebnisse zu unterbinden. Von besonderer Bedeutung sind dabei die mittelbaren Wirkungen dieser Druckmaßnahmen: Sie senden das Signal, dass man auf den 'umstrittenen' Gebrauch seiner Forschungs- und Lehrfreiheit künftig besser verzichte. Die Etikettierung als „umstritten" stellt dabei den ersten Schritt der Ausgrenzung dar."
Aus Angst vor Diskreditierung: Die Schere schneidet schon im Kopf
"Wir beobachten damit die Entstehung eines Umfelds, das dazu führt, dass Hochschulangehörige ihre Forschungs- und Lehrfreiheit selbst beschränken, weil sie antizipieren, mit Äußerungen, Themenstellungen oder Veranstaltungen als Person diskreditiert zu werden. Solche präventiven Einschränkungen erfolgen vor allem dann, wenn die Betroffenen die Erfahrung gemacht haben, dass denjenigen, die ins Visier des ideologischen Aktivismus geraten, wegen des Risikos, selbst zur Zielscheibe zu werden, niemand beispringt."
Voraussetzungen für freie Wissenschaft erodieren: Forschungsfragen & Debatten werden gemieden
"Wenn Mitglieder der Wissenschaftsgemeinschaft aus Furcht vor den sozialen und beruflichen Kosten Forschungsfragen meiden oder sich Debatten entziehen, erodieren die Voraussetzungen von freier Wissenschaft. Eine solche Entwicklung wirkt sich negativ auf die Leistungsfähigkeit der Hochschulen und damit auf den Wissenschaftsstandort Deutschland und seine internationale Reputation aus."
Voraussetzungen für freiheitliche Forschung und Lehre verteidigen und stärken
"Ziele: Hauptziel des Netzwerkes ist es, die Voraussetzungen freiheitlicher Forschung und Lehre an den Hochschulen zu verteidigen und zu stärken. Dazu wird das Netzwerk
• allen Versuchen entgegenwirken, die wissenschaftliche Arbeit von Hochschulangehörigen einzuschränken. Grenzen dieser Freiheit sind ausschließlich Verfassung und Gesetz;
• sich aktiv dafür einsetzen, dass intellektuelle Freiheit und wissenschaftlicher Pluralismus in Forschungsfragen, Forschungsansätzen und Forschungsmethoden als selbstverständlich gelten und dass die argumentative Auseinandersetzung mit anderen Ansätzen und Perspektiven stattfindet, auch und gerade, wenn sie inhaltlich nicht geteilt werden;
• für eine Debattenkultur eintreten, in der alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierenden ihre Erkenntnisinteressen frei von Sorgen vor moralischer Diskreditierung, sozialer Ausgrenzung oder beruflicher Benachteiligung verfolgen und ihre Argumente in Debatten einbringen können. Wir bestehen darauf, dass Debatten von gegenseitigem Respekt geprägt sind und Ad-hominem-Argumente unterbleiben."
Die Aktivitäten: Analyse, Gegenstrategien, Offenlegung, Debattenformate, Unterstützung
"Aktivitäten: Das Netzwerk stellt die Bedeutung der Forschungs- und Lehrfreiheit durch öffentliche Veranstaltungen heraus, analysiert Gefährdungen der gelebten Wissenschaftsfreiheit, legt Fälle ihrer Einschränkung offen und entwickelt Gegenstrategien.
Darüber hinaus organisiert das Netzwerk Debattenformate, die zu unterschiedlichen Themen möglichst viele Perspektiven zusammenbringen, die in einem offenen intellektuellen Klima ausgetauscht werden. Schließlich unterstützt das Netzwerk Kolleginnen und Kollegen sowie all diejenigen, die sich Angriffen auf ihre Wissenschaftsfreiheit ausgesetzt sehen."
Soweit das Manifest des neugegründeten Netzwerks.
Bislang 70 Mitglieder aus den unterschiedlichsten Disziplinen
Die bislang 70 Mitglieder des Netzwerks kommen, schreibt das Netzwerk, aus den verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen. Als Steuerungsgruppe des Netzwerks fungieren Dr. Sandra Kostner (Sprecherin des Netzwerks), Prof. Dr. Ulrike Ackermann, Prof. Dr. Maria-Sibylla Lotter, Prof. Dr. Martin Nettesheim und Prof. Dr. Andreas Rödder
Der Homepage des Netzwerks zufolge kann Mitglied im Netzwerk derzeit werden, wer eine abgeschlossene Promotion aufweist, sowie einer wissenschaftlichen Tätigkeit nachgeht. Der Internet-Auftritt von "Netzwerk Wissenschaftsfreiheit" findet sich unter: www.netzwerk-wissenschaftsfreiheit.de
Erstveröffentlichung; 03.02.2021-21:31
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