Webtalk Klimapolitik Tübingen | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Klimaneutral bis 2030 - Wie funktioniert das?

Stand: 31.01.21 16:41 Uhr

Bis 2030 will die Stadt Tübingen klimaneutral werden. Diesbezüglich hat der Gemeinderat im November letzten Jahres einen Klimaschutzplan verabschiedet und somit eine Vorreiterrolle eingenommen. Die Deutsche Klimaschutzorganisation GermanZero wollte mehr über die Klimapolitik der Stadt wissen und hat deshalb mit Lokalpolitikern, Klimaschützern und Sachverständigen in Form eines Webtalks darüber gesprochen.


Die Stadt Tübingen engagiert sich schon lange für den Klimaschutz und übernahm bereits häufiger eine Vorbild-Funktion für Klimaschutzprogramme und Maßnahmen. Nicht zuletzt durch das Engagement des grünen Oberbürgermeisters Boris Palmer. Seit seiner Antrittsrede zur Amtseinführung im Jahr 2007 war der Klimaschutz für Palmer immer das Wichtigste Thema in Tübingen, das er selber vorantreiben wollte. Damals erhielt der OB für sein Konzept „Tübingen macht blau" auch seitens des Gemeinderats viel Unterstützung. Mit der Kampagne habe man es innerhalb eines Jahrzehnts geschafft, die Pro-Kopf-bezogenen CO²-Emissionen um etwa 35% zu senken, erklärt Palmer. Für die Fridays-for-Future-Organisation sei dieses Bestreben aber immer noch zu wenig, da man so noch bis 2050 brauchen würde, um die Emissionen auf Null zu bekommen. Für Palmer ein Grund das Tempo zu verschärfen, auch wenn es anspruchsvoll sei.

Tübingen will nun bis 2030 klimaneutral werden und verabschiedete im Gemeinderat im November 2020 fast einstimmig einen umfangreichen und ambitionierten Klimaschutzplan.

„Ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich den Gemeinderat an der Stelle falsch eingeschätzt hatte. Ich bin schlicht nicht auf den Gedanken gekommen, dass die Antwort der Fraktionen auf die Frage, ob wir schon in zehn Jahren klimaneutral sein wollen, dass die JA lauten würde. Das war für mich außerhalb des politisch vorstellbaren, ganz schlicht und ergreifend. Und ich glaube, dass ist das, was „Fridays for Future" am stärksten verändert hat; dass da plötzlich in der Politik Dinge möglich geworden sind, die man sich vorher einfach gar nicht vorgestellt hat", erklärt Palmer.

Doch was genau bedeutet eigentlich Klima-Neutral? Zumindest den Ernährungsbereich umfassen die Tübinger-Maßnahmen nicht, denn mehr als an einen Veggie-Day appellieren will der OB – zumindest bis jetzt – nicht.

„Wir haben uns auf die Energie-bedingten CO² Emissionen fokussiert, also immer dann, wenn Öl, Kohle oder Gas verbraucht wird und das mit unserem Energieverbrauch direkt gekoppelt ist, dann ist es eine Energie-bedingte CO²-Emission und die wollen wir bis 2030 soweit auf Null bringen, dass wir mit geringfügigen Kompensationen - eine gewisse Verrechnung haben wir uns noch erlaubt - dann tatsächlich auf Null sind. Zum Beispiel wollen wir verrechnen mit CO²- senkenden Wald oder aber im Holzbau", so der Tübinger Oberbürgermeister.

In den drei Bereichen Wärme, Strom und Mobilität wolle man jetzt die ganz großen Hebel umlegen.

Ernst Gumrich von der Tübinger Liste betont, dass es noch sehr viel zu tun gäbe und man jetzt ganz genau schauen müsste, was gemacht werde. Denn nicht alles laufe schon so wie es solle.

„Die Frage, wie machen wir unsere Wärme in Zukunft, da stehen wir am Anfang. Wir machen jetzt gerade unseren Wärmeplan, den andere Kommunen schon haben. Sehr gut, dass wir es machen, müssen wir auch machen, aber gleichzeitig gehen unsere Stadtwerke in Teilorte und bieten Gasleitungen an, von denen wir selbst behaupten, dass sie 2030 keine Funktion mehr haben", so Gumrich.

Lob für die Vorgehensweise des Oberbürgermeisters gab es von Evelyn Ellwart von den Linken, die betont, wie so ein großes Vorhaben gelingen kann – auch in anderen Städten und Kommunen.

„Also wenn man herkommt mit einem Klimaschutzprogramm und sagt: „So muss es sein, stimmt zu oder lehnt ab", dann könnte so etwas baden gehen. Und er (Anm. d. Red.: Boris Palmer) ist aber einen ganz anderen Kurs gefahren, so habe ich das zumindest wahrgenommen. Er hat sehr darauf gesetzt, alle mitzunehmen, auch die Kleinen. [...] Das fand ich dem Prozess sehr bemerkenswert", erklärt Ellwart.

Dass etwas in puncto Klimaschutz geschehen muss, sei den meisten Menschen mittlerweile klar, betont auch Martin Sökler von der SPD. Doch wenn es um konkrete Maßnahmen gehe, die den eigenen Geldbeutel betreffen, wie beispielsweise den geplanten verteuerten Anwohner-Parkausweisen, müsse man es langsam angehen lassen, erklärt Sökler.

„Deswegen sind wir da auch nicht für die Revolution, sondern die Evolution. Dass wir da jetzt keine Verzwölffachung, sondern eine Vervierfachung fürs Anwohnerparken machen. Und ganz wichtig, dieses Geld gleich wieder den Menschen zu Gute kommt, indem wir mit dem Geld die ÖPNV-Preise runternehmen und das Angebot im ÖPNV verbessern", so Sökler.

Auch wenn die Mitglieder der Fraktionen CDU und FDP des Tübinger Gemeinderats nicht anwesend waren, so kam doch eines ganz deutlich zum Ausdruck: in Tübingen ziehen die meisten Akteure an einem Strang, um das ganz große Ziel zu erreichen – in 9 Jahren klimaneutral zu sein.

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