Mutscheltag | Bildquelle: RTF.1

Reutlinger Mutscheltag:

Kein geselliges "Mutscheln" in der Corona-Pandemie

Stand: 07.01.21 16:35 Uhr

Der Donnerstag nach dem Dreikönigstag ist traditionell der sogenannte Mutscheltag - für die Reutlinger ein Highlight zum Jahresauftakt. Normalerweise wird dann um das sternförmige Gebäck aus einem mürben Hefeteig in geselliger Runde gespielt. Das ist während der Corona-Pandemie natürlich nicht möglich. Wir wollen Ihnen daher aber trotzdem einmal zeigen, wie so ein geselliger Abend mit Würfelspielen aussehen kann und zeigen Ihnen daher einige Eindrücke aus dem traditionellen Mutscheln des Reutlinger Gemeinderats.


Im letzten Jahr hat sich der Reutlinger Gemeinderat im Gerberstüble in Reutlingen getroffen. Oberbürgermeister Thomas Keck war zum damaligen Zeitpunkt auch das erste Mal in der Funktion des Stadtoberhauptes mit dabei. Doch politische Themen haben an solchen Abenden keinen Platz auf dem Tisch. Dann geht es nämlich nur um eines: um die Reutlinger Mutschel.

Und um diese wird traditionell mit verschiedenen Würfelspielen gespielt. Dabei sind die Fraktionen an den Tischen bunte gemischt. Hier wird gerade das Spiel „Die kleine Hausnummer" gespielt.

Wir fragen nach, ob es eine bestimmte Strategie gibt?

Hagen Kluck von der FDP erklärt, dass er auf Risiko spiele, damit es lustig wird. Wenn nur auf Sicherheit gespielt werde, dann passiere ja gar nichts, so Kluck wörtlich. Etwas Platz für Sticheleien gibt es dann aber doch, zum Beispiel als Kluck seinen Kollegen Helmut Treutlein von der SPD vorwirft, er würde sich mit fremden Federn schmücken, weil er den Sieg seiner Frau als einen gemeinsamen Sieg verkaufen würde. Treutlein hingegen betont, dass man nach 46 Jahren Ehe schon den Sieg als gemeinsamen Gewinn verstehen dürfe. Und dann wird ein anderes Spiel gespielt – nämlich „Der Wächter bläst vom Turme." Spaßig dann vor allem für Treutlein, denn Kollege Kluck bekommt den Würfel nicht vom Becher geblasen.

„Der Wächter bläst vom Turme" gehört auch nicht gerade zum Lieblingsspiel von Oberbürgermeister Thomas Keck. „Der Mutscheltag ist immer der Donnerstag nach dem Öbersten (Dreikönigstag), mitten in der Erkältungszeit. Und die ganze Stadt bläst ihre Bazillen quer über den Tisch auf die Mutscheln. ich habe extra meine Flädles-Suppe ausgelagert, damit die nichts abkriegt. Ddeshalb mag ich das Spiel nicht", so Keck. Und damit hat der OB wohl nicht ganz unrecht. Zum damaligen Zeitpunkt gab es den Corona-Virus zwar schon – aber da war eben noch ganz weit weg. Aber auch schon ein Jahr zuvor, als Thomas Keck noch mitten im Wahlkampf stand, erklärte er, warum er „Der Wächter bläst vom Turme" nicht mag. „Das ist bei mir das bei mir unbeliebteste Spiel, weil ich den Würfel fast nie runter kriege. Das liegt an meiner Atemtechnik. Wahrscheinlich oder vielleicht auch daran, dass ich es mit der „heißen Luft" nicht so habe", scherzt Keck.

Die langjährige Rathauschefin Barbara Bosch hingegen, hatte eine klare Strategie:„Die Strategie ist: mutig vorwärts! Tief Luftholen beim Wächter bläst vom Turme und gezielt ablassen. [...] Ich setze vollkommen auf Sieg. Ich will die heute Abend mit heim nehmen", erklärte Bosch im Interview 2019.

Kein Wunder – ist die Mutschel doch ein echtes Traditionsgebäck. Die Mutscheln selbst werden schon lange vor dem eigentlichen Mutscheltag bei den Reutlinger Bäckereien verkauft – doch gerade die größeren Formate des Gebäcks gibt es erst in der heißen Phase. Die Bäckerei Bayer in Mittelstadt beispielsweise bietet insgesamt fünf verschiedene Mutschelgrößen an – die Größte wiegt stolze zwei Kilo.

Doch wie wird sie eigentlich genau hergestellt?

Martin Bayer, Bäckermeister und Geschäftsführer der Bäckerei Bayer, erklärt was alles in den klassischen mürben Hefeteig hineinkommt: Albkorn-Weizenmehl 550, Butter oder Margarine, Salz, Hefe und Milch. Auf gar keinen Fall sollte man Wasser nehmen, betont er ausdrücklich.

Beim Formen des Gebäcks sei die Erhöhung in der Mitte wichtig, so wie die acht Zacken herum. In Windeseile schneidet Bäckermeister Martin Bayer die Teiglinge zurecht. Die Erhöhung soll dabei den Reutlinger Hausberg, die Achalm darstellen. Die Zacken sollen entweder, je nach Überlieferung, die acht Teilgemeinden von Reutlingen oder die acht alten Handwerkszünfte symbolisieren, so Bayer. Wichtig sind aber auch die Verzierungen, die von den Bäckern echtes Handwerk abverlangen.Wenn die Mutscheln dann fertig geformt sind, werden sie noch mit Ei besprüht und dürfen bis zum nächsten Morgen ruhen und schön aufgehen. Dann werden sie je nach Größe zwischen 15 und 25 Minuten gebacken.

Und dann landen sie im besten Fall auf den Tisch einer spielfreudigen Runde – so wie beim Reutlinger Gemeinderat. Zur Mutschel selbst gehört von jeher auch ein deftiges Essen, klassischerweise ein Wurstsalat. Auch ein Bier oder ein Glas Wein passt hervorragend zum mürben Hefegebäck.

In diesem Jahr musste diese Form des Mutschelns leider ausfallen – hoffen wir, dass diese Tradition dann 2022 wieder fortgeführt werden kann.

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