Oberbürgermeister Boris Palmer | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Jahresrückblick mit Oberbürgermeister Boris Palmer

Stand: 04.01.21 22:37 Uhr

Der prominenteste Oberbürgermeister in unserer Region ist sicherlich Boris Palmer. Immer wieder macht er auch bundesweit Schlagzeilen mit Erfolgen wie dem Cyber Valley, seiner Klimapolitik oder zuletzt auch durch den Tübinger Impfstoffentwickler CureVac. Aber auch bundesweite Negativ-Schlagzeilen verfolgen den Tübinger Oberbürgermeister regelmäßig. Wir haben mit Boris Palmer über das Corona-Jahr 2020 gesprochen und ihn auch nach Plänen für 2021 gefragt.


Es war ein anstrengendes Jahr – auch für ihn: Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Auch er versuchte, wie alle anderen Stadtoberhäupter der Region, seine Bürgerinnen und Bürger möglichst gut vor dem Corona-Virus zu schützen und überlegte sich dafür sogar Strategien, die Land und Bund zur jeweiligen Zeit noch nicht auf dem Schirm hatten.

Mit seinem Ziel, vor allem die älteren Bürger der Stadt zu schützen, trat er mit seiner Wortwahl während eines Interviews mit dem SAT1-Frühstücksfernsehen im April dann ordentlich ins Fettnäpfchen. Der Satz wurde zudem von vielen Medien nicht im Gesamt-Kontext dargestellt, was für noch mehr Empörung sorgte.

Zitat Palmer: "Ich sage es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben sowieso tot wären – aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankung", so Palmer wörtlich. Weiter fügte er an: "Aber die weltweiten Zerstörungen der Weltwirtschaft sorgen nach Einschätzungen der UNO dafür, dass der daraus entstehende Armutsschock dieses Jahr eine Million Kinder zusätzlich das Leben kostet."

Palmer erklärt dazu in unserem Interview: „Oft ist es halt so, wenn man zu früh dran ist, wird man von der Geschichte genauso bestraft, wie wenn man zu spät dran ist – nach einem Zitat von Gorbatschow. Und ich glaube so war es. Meine Überlegungen, dass es notwendig ist, die Risikogruppen besonders zu schützen, die ich im April schon formuliert habe und auch schon angefangen habe das zu tun, indem wir in Tübingen separate Taxen eingeführt haben für Ältere, damit sie nicht mit den Jüngeren gemeinsam im Bus fahren müssen bis das vorbei ist, diese Überlegungen sind am Anfang oft falsch verstanden worden. Sie wurden als Diskriminierung der Älteren gedeutet, deswegen gab es diese heftigen Debatten."

Die Diskussion ging soweit, dass sogar Palmers grüne Partei-Kollegen seinen Parteiaustritt forderten. In Stuttgart wurde außerdem über ein Parteiausschluss-Verfahren beraten. Dass dieses Missverständnis dazu geführt habe, ihm den Parteiaustritt zu empfehlen, habe ihn besonders getroffen, so Palmer. Für ihn sei dies keine Vorstellung von einer offenen und ehrlichen Debatte, die er eigentlich mit seiner Partei verbinde. Palmer wurde letztendlich nicht aus seiner Partei ausgeschlossen und ist mit seinem Verfahren im Umgang mit dem Corona-Virus inzwischen erfolgreich, ja in einigen Punkten sogar bundesweites Vorbild.

„Mein Eindruck ist, dass mittlerweile viele erkennen, dass diese Strategie richtig war. Und sie trägt auch Früchte. Wir haben ja im Gemeinderat schon im Mai intensive Appelle an die Landesregierung gerichtet, das Personal in Pflegeheimen regelmäßig zu testen. Das wurde nicht gemacht. Und dann haben wir als erste Stadt in Deutschland auf Kosten der Stadtkasse und mit voller Unterstützung aller Fraktionen im Gemeinderat, im September mit den Tests begonnen", so Palmer.

Die Strategie ging auf: bis zum 10. Dezember 2020 gab es in keinem Tübinger Pflegeheim einen Corona-Virus-Ausbruch, während in den meisten anderen Städten der Virus schon lange wieder in den Alten- und Pflegeheimen wütete. Allgemein gesehen, findet aber auch Palmer, dass Deutschland gut durch die Krise komme und im europäischen Vergleich sehr gut dastehe.

„Aber auf der anderen Seite finde ich auch, dass es Länder gibt, die sehr viel besser mit dieser Pandemie umgehen und das sind insbesondere die in Asien. Denn dort hat man nicht diese Zurückhaltung beim Datenschutz und hat es geschafft, durch sehr sehr effektive Nachverfolgung von Kontakte von Infizierten, die Pandemie vollständig unter Kontrolle zu bringen", erklärt der Tübinger OB. Als Beispiel nennt er Taiwan, das mittlerweile seit rund sechs Monaten coronafrei sei und sogar wieder Partys mit 130.000 Menschen feiern könnte.

Zu Feiern hatte Palmer in diesem Jahr auch etwas – den Beschluss über das Kilmaschutzpaket. Denn Tübingen will bis 2030 klimaneutral werden. Dies soll unter anderem mit dem Verlegen von Fernwärme und einer Pflicht zur Nutzung der Dächer für Solaranlagen geschehen, erklärt Palmer. Natürlich spiele auch das Mobilitätskonzept dabei eine Rolle. Im kommenden Jahr wird es einen Bürgerentscheid zur Innenstadtbahn geben – für Palmer eine wichtige Entscheidung, da die Bahn eine bedeutende Rolle im Erreichen dieses Ziels spielt.

Für das kommende Jahr plant der Oberbürgermeister zusammen mit dem Gemeinderat einen extremen Sparhaushalt, auch Steuererhöhungen könnten dann zur Debatte stehen.

Palmer hofft, dass wir alle den Corona-Virus bald wieder weit hinter uns lassen können und es dann auch wieder mehr Kultur in der Stadt geben könne. Und im neu gestalteten Saal im Sudhaus könne er sich auch mal wieder vorstellen eine Nacht lang zu feiern und durch zu tanzen.

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