Asylsuchende in Flüchtlingsunterkunft | Bildquelle: RTF.1

Tübingen/Stuttgart:

"Sieben Jahre nichts für Flüchtlinge erreicht". Palmer attackiert ehemalige grüne Politikgrößen

Stand: 16.10.14 04:26 Uhr

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat im Rahmen seines Wahlkampfbesuchs bei Boris Palmer in Tübingen noch einmal zu seiner Bundesrats-Ja für den sogenannten "Asylkompromiss" Stellung bezogen. Dieser macht schnellere Verfahren gegen Elendsflüchtlinge möglich. In der eigenen Partei wurde Kretschmann daraufhin heftig kritisiert. In diesem Zusammenhang warf Boris Palmer der ehemalige Grünen-Parteispitze vor, in vielen Berliner Regierungsjahren für Flüchtlinge gar nichts erreicht zu haben.

Hier, im Bundesrat, reckte am 19. September der Vertreter des Landes den Finger zum "Ja"-Zeichen: 6 Stimmen für das Asylgesetz der Bundesregierung, das den Bundestag bereits passiert hat. Kretschmann verhalf damit dem von der Großen Kolition verschärften Asylgesetz zur Gültigkeit - gegen drastische Forderungen aus der eigenen Partei und der Flüchtlingsverbände. Fast zur gleichen Zeit: Rechtfertigungsversuche in Stuttgart. Der Ministerpräsident habe heute die Interessen des Landes über die Wünsche seiner Partei gestellt, so Ulrich Sckerl, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen.

Damit können Asylverfahren von Flüchtlingen aus Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina auf wenige Monate beschleunigt und Abschiebungen damit schneller vollzogen werden. Zuvor konnte sich dieser Prozess über Jahre hinziehen. Hintergrund ist, dass diese Staaten als "sichere Herkunftsländer" gelten. Länder, in denen keine politische Verfolgung droht. In der Praxis werden rund 99 Prozent aller Asylgesuche schon jetzt abgelehnt.

Kompromiss aber heißt aber: der Bund hat gegenüber Kretschmann Zugeständnisse gemacht: Flüchtlinge dürfen berreits nach 3 Monaten arbeiten. Die Vorrangpflicht für EU-Bewerber für eine Stellenbesetzung entfällt. Zudem auch die Residenzpflicht. Ein weiterer, langjährige Kritikpunkt der Flüchtlingsverbände ist hinfällig: Statt Sachleistungen erhalten Asylbewerber wieder Geld. Die Wut der linksliberalen Kommentatoren und vieler vergangener grüner Politgrößen hatte das indessen nicht mildern können. Claudia Roth und Jürgen Trittin äußrertten sich entsetzt. Volker Beck warf Kretschmann gar Verrat an den idealen der eigenen Partei vor.

Im Tübinger Sudhaus stellte Kretschmann indessen am Dienstag Abend erneut klar: er habe bei seiner Entscheidung nichts zu bereuen. Er habe lange gerungen und das Für und Wieder abgewogen. Letztlich sei er aber der Überzeugung gefolgt, dass die Entscheidung im Sinne des Landes und auch der Flüchtlinge sei. Denn er wisse, was auf Baden-Württemberg und Deutschland noch zukomme. Allein für das kommende Jahr werde mit rund 200 000 zusätzlichen Flüchtlingen gerechnet. Da sei es richtig, dass jene, die hier nur ein wirtschaftlich besseres Leben suchten, nicht den Platz für die blockierten, die tatsächlich um Leib und Leben fürchteten. Zudem dürfe die Solidarität der Bürger, die derzeit überall zu spüren sei, nicht durch Überlastung gefährdet werden. Wichtig sei auch, dass ein parteiübergreifender politischer Konsens in einer solchen Frage bestehe. Werde in dieser Frage die Kompromssfähigkeit nicht gewahrt, dann werde das Land diese Herausforderung nicht stemmen.

Der Tübinger OB kann die parteiinterne Kritik an Winfried Kretschmann nicht nachvollziehen. Er sei ganz praktisch jeden Tag mit den faktischen Seiten der Flüchtlingsströme konfrontiert, die man bereits jetzt kaum unterbringen könne. Auch die Sorgen der Hilfesuchenden kenne er: die litten unter nichts so sehr als unter dem bisher bestehenden Verbot, zu arbeiten. Und in dieser Situation äußerten sich dann "Leute, die in sieben Jahren für die Flüchtlinge nichts durchgesetzt haben" und behaupteten, Kretschmann habe Verrat an den grünen Prinzipien geübt. Mit dem jetzt durchgesetzten Recht, dass Flüchtlinge eine Beschäftigung suchen und sich im Land bewegen dürften, habe Kretschmann viel mehr geleistet, als wenn er stattdessen die Fahne einer reinen grünen Gesinnung in den Wind gestreckt hätte.

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