Lufthansa-Flugzeuge | Bildquelle: pixelio.de - O. Fischer Foto: pixelio.de - O. Fischer

Coronakrise:

Luftverkehr zieht nur langsam an - "Tiefste Krise der Luftfahrt"

Stand: 19.08.20 12:04 Uhr

Nachdem der weltweite Luftverkehr von März bis April fast vollständig zum Erliegen gekommen war, läuft er seit Juni nur langsam wieder an. Das zeigen Zahlen der Luftverkehrswirtschaft. Man erlebe die "tiefste Krise der zivilen Luftfahrt".

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) stellte jetzt die Halbjahresbilanz und erste Ergebnisse der Entwicklung in diesem Sommer vor. Demnach ist für das gesamte erste Halbjahr in Deutschland ein Rückgang des Passagierluftverkehrs um 66 Prozent (weltweit 53 Prozent) zu verzeichnen. Insgesamt ging der Passagierverkehr aus und nach Deutschland damit sogar noch stärker zurück als im weltweiten und europäischen Schnitt.

Auch im bisherigen Sommer bleibt die Entwicklung hinter den Erwartungen zurück. Seit Juni 2020 nehmen die deutschen und ausländischen Fluggesellschaften ihre Flugverbindungen schrittweise wieder auf. Ab europäischen Flughäfen finden im Zeitraum von Juli bis August im Vergleich zum Vorjahr wieder 40 Prozent der Passagierflüge statt.

In Deutschland ist diese Entwicklung sogar noch geringer. Hier werden nur 33 Prozent der Passagierflüge wieder angeboten (27 Prozent der Inlandsflüge, 37 Prozent der Europaflüge und 21 Prozent der Interkontinentalflüge). Ende August geht diese Wiederaufnahmerate in Deutschland zudem leicht zurück. Die deutschen Flughäfen haben während der gesamten Krise ihre Betriebsfähigkeit aufrechterhalten, während gleichzeitig bis zu 95 Prozent der Einnahmen, wie beispielsweise aus dem Einzelhandel, fehlten.

Reisebeschränkungen blockieren weiterhin rund 70 Prozent des Luftverkehrs

"70 Prozent des Marktes sind weiterhin betroffen, weil es derzeit pandemiebedingte Reisebeschränkungen für Drittstaaten gibt - Spanien einbezogen sind es sogar 80 Prozent. Wenn wir wollen, dass der Luftverkehr sich wieder selber finanzieren kann, müssen die Blockaden enden. Eine Nachfrage ist da. Deswegen müssen wir weiter daran arbeiten, Reisebeschränkungen aufzuheben und gesundheitlich verantwortbare Alternativen für die derzeitigen blockierenden Regeln finden", sagte Peter Gerber, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) bei der Vorstellung des Lageberichts.

"Bereits im April hat die Luftverkehrswirtschaft Maßnahmen entlang der gesamten Reisekette mit den Behörden in Bund und Ländern etabliert, um gesundheitlich sicheres Fliegen zu gewährleisten. Jetzt braucht es insbesondere Maßnahmen für die Wiederaufnahme des Transatlantikverkehrs." Dazu gehöre etwa die Festlegung einzelner Destinationen zwischen den USA und Deutschland, zwischen denen dann mittels verbindlicher Vorabtests Infektionsrisiken vermieden werden können, so Gerber.

Dem Bericht des BDL zufolge ist die Entwicklung der Luftfrachtverkehre weltweit nicht so stark rückläufig wie das Passagiergeschäft. Gerade in der Coronakrise wurde die Systemrelevanz des Luftverkehrs für die Aufrechterhaltung der Lieferketten deutlich. Weltweit gingen die beförderten Frachtmengen in der ersten Jahreshälfte nur um 15 Prozent zurück. An den deutschen Flughäfen ist der Luftfrachtverkehr im ersten Halbjahr um 10 Prozent zurückgegangen.

Die Coronakrise und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Folgen für die Luftfahrtunternehmen haben die Unternehmen zu einer Reihe von Stabilisierungsmaßnahmen gezwungen. 83.000 Beschäftigte allein bei den deutschen Fluggesellschaften und Flughafengesellschaften sind in Deutschland in Kurzarbeit.

"Radikaler Sparkurs ist alternativlos"

"Wir erleben die tiefste Krise der zivilen Luftfahrt. Unsere Unternehmen arbeiten intensiv an der Zukunftssicherung der Arbeitsplätze und Standorte. Die zwingend erforderlichen Maßnahmen reichen von der Verkleinerung der Flotten und der Stilllegung von Terminalbereichen, über die Reduzierung des Flugangebotes bis hin zu Verhandlungen über den strukturellen Abbau von Arbeitsplätzen. Dieser radikale Sparkurs der Unternehmen ist alternativlos", so Gerber. "Wegen der hohen Fixkosten und der Länge der andauernden Krise reichen unsere eigenen Maßnahmen aber nicht aus, um die Liquiditätslücken zu schließen. Zur Vermeidung von Insolvenzen sind daher staatliche Finanzierungsbrücken unumgänglich." Gerber trat aber dem Eindruck entgegen, der Steuerzahler müsse nun die Stabilisierungsbrücken bezahlen. "Die öffentliche Hand lässt sich diese sehr lukrativ zurückerstatten. Damit steigt in der Folge natürlich die Schuldenlast der Unternehmen. Aber wenn die Unternehmen die Insolvenz vermeiden wollen, kommen sie nicht darum herum, Vereinbarungen zu diesen staatlichen Finanzierungsbrücken zu treffen."

Der BDL-Präsident nannte eine Reihe von weiteren staatlichen flankierenden Stabilisierungsmaßnahmen, um irreparable Strukturbrüche in der deutschen Luftfahrt zu vermeiden: "Die Kurzarbeiterregelung sollte bis mindestens 2022 verlängert werden. Zudem muss sichergestellt werden, dass auch die Flughäfen, die während der gesamten Krise ihren Betrieb aufrechterhalten haben, jetzt zügig Zugang zu Finanzierungsbrücken erhalten. Und der Bund muss Vorsorge treffen, um die massiven Einnahmeausfälle der Flugsicherung mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt auszugleichen."

Der Ausblick auf die weitere Zukunft lässt erwarten, dass sich der Luftverkehr erholen wird, aber nur schrittweise über einen längeren Zeitraum. Die IATA prognostiziert für 2020 einen Passagierverlust von minus 63 Prozent in Deutschland (minus 113 Millionen Passagiere) und damit verbundene Ertragsverluste in Höhe von 17 Milliarden Euro. In einem Szenario, das eine wirkungsvolle Impfung oder Medikation im Verlauf des Jahres 2021 unterstellt, geht der BDL davon aus, dass der Luftverkehr von und nach Deutschland im Jahr 2023 wieder 90 Prozent des Niveaus von 2019 erreicht, ab 2024 das Niveau von 2019 und dann entsprechend früherer durchschnittlicher Wachstumsraten von 3 Prozent pro Jahr zunehmen wird. Diesem Szenario zufolge wird damit künftig dauerhaft ein bestimmter Anteil potenzieller Passagiere statt realer Zusammenkünfte digitale Kommunikations- und Begegnungsinstrumente wählen.

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