Doch wie kommen die Start Ups eigentlich in das ESA Business Incubation Center? Der Leiter des Instituts für Wissensmanagement und Wissenstransfer Reutlingen, Dr. Stefan Engelhard, erklärt, wie es funktioniert.
„Wir vergleichen das immer mit einem Raketenstart, der erfolgt bei uns in vier Stufen: Zum einen bewerben sich die Unternehmer bei der IHK und wenn die Email bei uns reinkommt, dann notieren wir das und dann haben wir das erfasst. Dann dürfen die vor der ESA pitchen, da gibt es dann ein Jurytreffen. Und dann gibt es den Aufnahmevertrag, dann kriegen sie die Erlaubnis vom Land Baden-Württemberg und vom Wirtschaftsministerium kriegen sie dann die Aufnahme mitgeteilt", erklärt Engelhard.
Die angewandte Weltraumtechnik soll vor allem ein Nutzen für Anwendungen auf der Erde bringen. Häufig werden dabei Werkzeuge wie Satellitennavigation und Positionierungsdienste in ein Produkt integriert.
Sowie bei Barry Fogarty, der im April sein Start Up „Vioonic" gegründet hat und fast zeitgleich auch bei der ESA Bic aufgenommen wurde. Der Jungunternehmer besitzt 25 Jahre Erfahrung in der Medizintechnik und will mit einem verschlüsselten Echtzeit Kommunikationsdienst die Arbeit von Ärzten deutlich vereinfachen. Denn im Moment gestalte sich beispielsweise das Verschicken eines Röntgenbilds von Arzt zu Arzt, wenn es denn über einen sicheren Kanal geschehen soll, recht zeitaufwändig und kompliziert, erklärt uns Fogarty. Wertvolle Zeit, die beim Patienten fehlt.
Er möchte deshalb über eine Informationsplattform die Möglichkeit anbieten, schnell ein Bild aufzunehmen und in Echtzeit rauszuschicken. Und das alles DSGOV-Konform, rechtssicher und mit allen Verschlüsselungen, die notwendig sind, um vom Gesundheitswesen zugelassen zu werden. So müssen sich die Ärzte keine Sorgen machen, wo die Daten gespeichert werden - die sowieso dann nach drei Tagen gelöscht werden, erklärt Fogarty.
In einem Radius von 30 Kilometern gibt es dann ein sogenanntes „Geo-Fencing", in dem der Arzt gefunden werden kann, der in der Lage ist, schnell zu handeln. Das geschieht mit Hilfe eines Satelliten, der die Verbindung zur ESA stellt. Bereits im ersten Quartal 2021 will Fogarty mit seinem Produkt auf den Markt.
Aber auch weitere ESA-Anwendungen beispielsweise beim Thema Ernährung können alte Techniken neu beleben. Das Thema Aquaponik ist eine alte landwirtschaftliche Technologie, die bereits 1000 Jahre alt ist. Bei einer IHK-Veranstaltung beim Unternehmen Samen-Fetzer in Reutlingen-Gönningen zeigte Dennis Riegraf wie er und seine Kollegen dieses traditionelle System neu beleben wollen.
Beim Aquaponik handelt es sich um eine Kombination von Fisch- und Pflanzenzucht, die in einer geschlossenen Kreislaufanlage voneinander profitieren. In der neuen Variante bei H2E Ecosystems wird nun ein Algenbioreaktor, der Teil eines Lebenserhaltungssystem auf der ISS war, in das Aquaponiksystem integriert.
„Diesen Algenbioreaktor integrieren wir in unserem System, zusammen mit dem Institut für Raumfahrtsysteme in der Uni Stuttgart und wir erzeugen dann in unserem System diese Algen, die einen hohen Anteil an ungesättigten Omega3-Fettsäuren haben und geben das an die Fische weiter. Wir reduzieren dadurch sehr stark den Einsatz von herkömmlichen Fischfutter, das wirklich nicht besonders nachhaltig ist und lange Transportwege hat, und wir schaffen damit auch wirklich einen sehr gesunden Fisch, weil diese Omega3-Fettsäuren, die in der Alge enthalten sind, die sind nachher im Fisch drin", erklärt Riegraf.
Noch mehr Weltraumfeeling gibt es beim Start Up Yuri. Das Unternehmen bietet einen speziellen Service für angehende Weltraummissionen an – zum Beispiel für Pharmaunternehmen.
„Wenn Pharmakonzerne ein Medikament suchen, dann lassen sie oft Proteinkristalle wachsen, und die wachsen reiner und mit weniger Defekten in Schwerelosigkeit als auf der Erde, und deswegen kann ich sozusagen ein besseres Medikament finden gegen die Krankheit, zum Beispiel", erklärt Mark Kugel, Co-Founder & CCO yuri Gmbh.
Doch bis ein Pharmakonzern eine solche Mission geplant und genehmigt hat, daure es lange und koste auch viel Geld – kein Wunder, schließlich hätten die wenigstens Konzerne Erfahrung in Weltraummissionen, erklärt Gründungsmitglied Kugel. Sie haben deshalb eine Art Prototyp gebaut, der das Verfahren beschleunigen soll.
„Bisher war es teuer. Eine normale ISS-Mission hat bisher mindestens eine Million Euro gekostet und hat zwei Jahre gedauert. Wir haben es geschafft, gerade diesen Würfel, den wir entwickelt haben, also einen Würfel mit 10x10x10 Zentimeter mit bis zu vier Experimenten, schaffen wir für 95.000 Euro ins All, im besten Fall" erklärt Kugel.
Das Wirtschaftsministerium vergibt Innovationsgutscheine, die den Start Ups bei der Gründung helfen sollen. Die IHK Reutlingen und die ESA Bic unterstützen ihre Schützlinge ebenfalls von Anfang an.
„Wenn die Start Ups bei uns erfolgreich aufgenommen wurden und den Inkubationsvertrag unterzeichnet haben, bekommen sie 50.000 Euro, zum Teil vom Land Baden-Württemberg, also vom Wirtschaftsministerium und zur anderen Hälfte von der ESA. Und dieses Geld dürfen sie für die Produktentwicklung ausgeben, zum Teil auch für Patentrecherche und Patentanmeldung", erklärt Eva Beckershoff von der IHK Reutlingen und ESA Space Solutions.
Das ESA Bic Management und die IHK Reutlingen unterstützten zusätzlich noch mit praktischen Tipps und guten Kontakten.
Bis 2022 hat der Standort Reutlingen noch Platz, um 13 weitere Start Ups aufzunehmen. Die Bewerbungsfrist für dieses Jahr endet am 26. Oktober 2020.
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