Einige Blutgruppen kommen sehr selten vor. Die Blutgruppe Bombay (0h) beispielsweise hat nur einer von 300.000 Blutspendern. Wenn diese Menschen eine Bluttransfusion benötigen, kann die Suche nach passenden Blutpräparaten herausfordernd sein. „Etwa 3 bis 5 Prozent der Patienten mit seltenen Blutgruppen haben Antikörper gegen andere Blutgruppen", erklärt Weinstock. Die Antikörper lösen nach einer Transfusion eine Immunabwehr gegen die fremden Blutzellen aus und zerstören sie. „Diese sogenannte Hämolyse ist eine schwerwiegende Komplikation, bei der rote Blutzellen (Erythrozyten) abgebaut werden, die für den Sauerstofftransport im Blut zuständig sind", berichtet der Experte.
Eine serologische Verträglichkeitsprobe („Kreuzprobe") verhindert, dass es so weit kommt. Vor einer Bluttransfusion bringen Transfusionsmediziner in den Blutbanken die Blutprobe des Patienten mit einer Probe der vorhandenen Blutpräparate zusammen. Bei einer Unverträglichkeit kommt es zu einer sichtbaren Verklumpung der roten Blutzellen. Dieses Präparat kann dann nicht verwendet werden.
Bei Menschen mit seltenen Blutgruppen werden unter Umständen viele Tests notwendig. „Hat ein Patient beispielsweise Antikörper gegen das Blutgruppenmerkmal Jk(a), müssen rein statistisch gesehen zehn Präparate untersucht werden, um zwei geeignete zu finden", berichtet Dr. Weinstock. „Weist dieser Patient zusätzlich noch Antikörper gegen das Merkmal M auf, müssen Experten im Schnitt 50 Blutspenden testen, um das passende Präparat zu finden." Es gibt aber noch wesentlich kompliziertere Fälle. Weinstock: „So kann es vorkommen, dass Personen Antikörper gegen Merkmale bilden, die aber 99,5 Prozent der Spender besitzen." Dann könnten auch große Blutspendedienste kein passendes Präparat vorrätig haben.
Die Blutbanken sind auf diese Situation vorbereitet. „In einer überregionalen oder deutschlandweiten Suche finden wir häufig einzelne Präparate, die dann per Sonderfahrt zum Krankenhaus transportiert werden", erläutert Weinstock. Manchmal werden auch passende Spender per Telefon gefragt, ob sie zu einer sofortigen Spende bereit wären. Nach Erfahrung des Transfusionsmediziners scheitert dies jedoch häufig an großen Entfernungen zwischen Wohnort und der nächsten Blutspendeneinrichtung. Oder die Blutspender dürfen wegen einer Erkrankung oder nach einer Auslandsreise gerade kein Blut spenden.
Für diese Notfälle werden an zwei Standorten in Deutschland seltene Blutspenden in aufwändigen Verfahren eingefroren und für zehn Jahre oder länger gelagert. Aufgetaut sind die Konserven aber nur für 24 bis 48 Stunden haltbar. „Um sie verwenden zu können, sind enge Absprachen zwischen Klinik, Blutspendedienst und Transporteur erforderlich", sagt Weinstock.
Die DGTI möchte die Suche nach geeigneten Spendern in Zukunft erleichtern. „In mehreren großen Blutspendediensten sind vor Jahren moderne Typisierungsprogramme gestartet worden, um mehr dieser seltenen Spender zu finden", berichtet der 1. Vorsitzende der DGTI, Professor Dr. med. Hermann Eichler. „Bisher haben wir in diesen Programmen mehr als 100.000 Spender typisiert", berichtet Eichler, der auch Direktor des Instituts für Klinische Hämostaseologie und Transfusionsmedizin an der Universität des Saarlandes in Homburg ist.
Seit 2012 führt die DGTI auch ein Register für seltene Blutspender in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Blutspendedienste erfassen die Spender pseudonymisiert unter der Angabe der Blutgruppe und mit einer Identifikationsnummer. Die Kontaktaufnahme mit dem potentiellen Spender einer seltenen Blutgruppe obliegt im Bedarfsfall der jeweiligen Blutspendeneinrichtung vor Ort. Wenn es dann auf Anfrage zu einer Blutspende kommt, werden die Personendaten des Spenders nicht weitergegeben. „Je mehr Spender dort registriert sind, desto leichter wird es, auch für Menschen mit seltenen Blutgruppen einen passenden Spender zu finden", so Eichler. In diesem Zusammenhang ruft die DGTI potentielle Blutspender dazu auf, zur Blutspende zu gehen.
Quelle: DGTI (Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie)
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