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Gesundheitswesen:

Warum Pflege-Fachkräfte aus dem Ausland oft nicht bleiben

Stand: 06.08.19 17:43 Uhr

Die Zahl ausländischer Fachkräfte für Gesundheits- und Krankenpflege, die pro Jahr nach Deutschland kommen, ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Doch viele bleiben nicht - warum eigentlich? Eine Studie zeigt, dass sie das Gefühl haben, unter Wert zu arbeiten.

Krankenhäuser und Altenpflegeeinrichtungen brauchen immer mehr Pflegekräfte aus dem Ausland. So ist die Zahl der Fachkräfte für Gesundheits- und Krankenpflege, die pro Jahr nach Deutschland kommen, in den letzten Jahren auf das Sechsfache gestiegen: Von knapp 1.500 im Jahr 2012 auf über 8.800 im Jahr 2017.

„Doch viele bleiben nicht, sie wechseln die Abteilung oder das Krankenhaus, gehen in ein anderes Land oder kehren in ihre Heimat zurück", berichtet Dr. Minna-Kristiina Ruokonen-Engler vom Institut für Sozialforschung an der Universität Frankfurt. „Das ist angesichts des hohen Aufwands für beide Seiten eine unbefriedigende Situation." 

Medizinnahe Tätigkeiten sind Ärzten vorbehalten

Die Sozialwissenschaftlerin und ihre Kollegen haben insgesamt 60 einheimische und zugewanderte Pflegefachkräfte sowie ihre Vorgesetzten zu ihren Erfahrungen befragt. Ein Ergebnis: „Viele Pflegefachkräfte aus dem Ausland sind frustriert, weil sie das Gefühl haben, ‚unter Wert' arbeiten zu müssen", sagt Ruokonen-Engler. Im Gegensatz zu Deutschland haben nämlich Pflegefachkräfte zum Beispiel aus Spanien, Portugal, Griechenland und Polen an Hochschulen studiert und sind es gewohnt, mehr medizinnahe Tätigkeiten und Management-Aufgaben zu übernehmen, die in Deutschland meistens Ärztinnen und Ärzten vorbehalten sind. Betten machen oder Waschen der Patienten sind in ihren Herkunftsländern oft Tätigkeiten, die Hilfskräfte übernehmen.

Einheimische Pflegefachkräfte monieren wiederum die „Praxisferne" der ausländischen Kollegen. „Die Konflikte werden oft stereotyp auf kulturelle Unterschiede zurückgeführt, dabei handelt es sich eigentlich um strukturelle Unterschiede, was Ausbildung und Arbeitsabläufe angeht", erklärt Ruokonen-Engler. Diese „Kulturalisierung" verschärfe oft die Spannungen am Arbeitsplatz. „Ein interkulturelles Kompetenztraining ist nicht die alleinige Lösung, denn im schlimmsten Fall verstärkt oder produziert es neue Stereotype", betont die Sozialwissenschaftlerin. „Es gilt, sich mehr über die Unterschiede im beruflichen Selbstverständnis und über die unterschiedlichen Erwartungen im Arbeitsalltag auszutauschen." Alle sollten sich mehr um ein respektvolles Arbeitsklima und transparente Kommunikation bemühen, so Ruokonen-Engler. „Im besten Fall können die Erfahrungen, die Pflegefachkräfte aus dem Ausland mitbringen, die in Deutschland notwendigen Reformen der Arbeitsorganisation und Aufgabenteilung voranbringen."

Mit dem Thema beschäftigt sich auch der 17. Gesundheitspflege-Kongress am 1. und 2. November 2019 in Hamburg. Er fragt: Wie läuft die betriebliche Integration am Arbeitsplatz Pflege, wo liegen die Probleme? Sozialwissenschaftlerin Ruokonen-Engler stellt bei dem Kongress auch die Studie vor.

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