Stadtführung in Nürtingen | Bildquelle: RTF.1

Nürtingen:

Schüler auf der Spur der NS-Vergangenheit

Stand: 26.07.14 15:39 Uhr

Der Historiker Hans-Wolfgang Wetzel hat sich mit Schülern des Max-Planck-Gymnasiums auf Spurensuche durch Nürtingen begeben. Wetzel führte die Schüler an Orte, die zur NS-Zeit wichtig gewesen sind. Vor der damaligen Kleinstadt Nürtingen hatte der Nationalsozialismus keinen Halt gemacht.

Widerstand leistete aber Bürgermeister Herrmann Weilenmann, der versuchte, den nationalsozialistischen Einfluss zu mildern. "Er konnte sich immerhin bis 1938 halten, und das ist schon eine enorme Zeit", erklärt der ehemalige Geschichtslehrer Wetzel. "Da war dann allerdings der Zeitpunkt gekommen, an dem die Nationalsozialisten gesagt haben, der muss weg! Wir brauchen einen hundertprozentigen Nationalsozialisten."

Unter der Nürtinger Stadthalle befindet sich ein Luftschutzkeller. Doch nicht immer konnten die Bürger sich dort rechtzeitig schützen. Zeitzeugin Inge Herbst, die die Schülergruppe um Historiker Wetzel auf ihrem Weg durch Nürtingen begleitete, erinnert sich an einen Luftangriff, den sie als junges Mädchen am Nürtinger Bahnhof miterlebt hatte.

"Dem Täleszügle ist ein Tiefflieger gefolgt und unsere Führer haben natürlich "In Deckung! In Deckung!" gerufen. Dann sind wir alle am Gebäude vom Heller auf dem Boden hingelegen, neben einer Mauer von einem Parkplatz", erzählt die alte Dame. "Dann hat der Tiefflieger auf dem Bahnhof das Zügle angegriffen und es hat zwei Tote gegeben. Wir Kinder haben nur das große Glück gehabt, dass uns nix passiert ist, weil das Gebäude vom Heller hat uns unsichtbar gemacht für den Flieger. Sonst wär er vielleicht auf uns los!"

Hinweise auf die NS-Zeit finden sich auch am Rathaus. Die Holzskulpturen am Eingang stammen aus den 30er Jahren. Sie haben einen germanischen Stil, der den Nazis gut passte. Mitte der 30er Jahre wurde zudem im Trauzimmer ein Spruch mit nationalsozialistischem Hintergrund angebracht.

Die Schülergruppe steuerte auch die Fachhochschule für Wirtschaft und Umwelt an. Der Altbau beherbergte zwischen 1937 und 45 eine Aufbauschule. Die Internatsschule war für begabte Jungen aus ländlichen Gegenden gedacht. "Im Unterschied zu den anderen Schulen war das eine Schule, die wirklich streng nationalsozialistisch ausgerichtet war. Die Lehrer wurden zum Beispiel als Zugführer angesprochen, die Kinder trugen Uniform, teilweise HJ-Uniform. Es war also eine sehr enge Verflechtung zwischen HJ und Schule", erklärt Historiker Wetzel.

Nürtingen hat – was das Stadtbild angeht – die Bombardierung des Zweiten Weltkriegs weitgehend schadlos überstanden. Die jungen Menschen können froh sein, dass sie dergleichen nicht selbst erlebt haben, meint Inge Herbst.

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