Medizin Krankenhaus Patient | Bildquelle: Pixabay.com

Gefährliche Zustände durch Personalmangel:

Pflegekräfte des Diakonie-Klinikums Stuttgart schlagen Alarm

Stand: 04.05.18 18:21 Uhr

Auf der Intensivstation des Diakonie-Klinikums Stuttgart sind offenbar mindestens 120 Überlastungsanzeigen verfasst worden. Solche Anzeigen sollten Pflegekräfte immer dann verfassen, wenn sie für die aktuelle Situation keine Verantwortung mehr übernehmen können. Daraus geht hervor, dass auf der Station häufig "extrem gefährliche Pflege" stattfindet, weil zu wenig Personal auf der Station sei.

Die 120 Überlastungsanzeigen und mehrere Briefe der Intensivstation des Diakonie-Klinikums Stuttgart liegen dem ARD-Politikmagazin "Report Mainz" und "Zeit online" vor. Daraus geht hervor, dass auf der Station häufig "extrem gefährliche Pflege" stattfindet, weil zu wenig Personal auf der Station sei.

Viele der 120 vorliegenden Überlastungsanzeigen sprechen von "gefährlicher Pflege" oder "fahrlässiger Pflege". Überlastungsanzeigen sollten Pflegekräfte immer dann verfassen, wenn sie für die aktuelle Situation keine Verantwortung mehr übernehmen können. Sie sind eine arbeitsrechtliche Absicherung, aber auch eine wichtige Information für die Klinikleitung über die Situation auf einer Station.

Die vorliegenden Überlastungsanzeigen listen diverse Pflegemängel auf, die auf Personalmangel zurückzuführen seien: "stressbedingt falsche Medikamentengabe", "Hygiene eingeschränkt durchgeführt" oder "Keine der anwesenden Pflegekräfte hat Erfahrung mit Beatmung". In einem Brandbrief an ihre Geschäftsleitung beschreiben die Pflegekräfte etwa eine Spätschicht im Juni 2017, in der sich der Zustand von zwei schwerstkranken Patienten deutlich verschlechtert habe, weil die bis zu zwei Stunden auf ihre Aufnahme warten mussten. Das habe bei einem Patienten dazu geführt, dass er "intubiert und beatmet werden musste". Der andere Patient in "kritischem Zustand" habe ebenfalls nur verzögert behandelt werden können.

Der ärztliche Direktor der Diakonie Prof. Rainer Meierhenrich bestreitet im Interview mit "Report Mainz", dass Patienten "wirklich in Gefahr" waren. Zu der im Brief geschilderten Situation sagt er, dies sei eine "spezielle Situation" gewesen. Eine Pflegekraft der Intensivstation des Diakonie-Krankenhauses erklärt gegenüber "Report Mainz" und "Zeit online", dass die Station in sehr vielen Schichten unterbesetzt sei. Häufig seien nur zwei statt drei Pflegekräfte auf der Station. Und dabei könne ein Fehler in der Beatmung einen Hirntod des Patienten auslösen. "Man wundert sich, dass Patienten nicht reihenweise versterben." Die Klinikleitung hätte gegenüber den Pflegern auf die Überlastungsanzeigen in der Regel nicht reagiert.

Auf konkrete Nachfrage von "Report Mainz" wollte sich der ärztliche Direktor nicht festlegen, ob und wie die Klinikleitung auf diese gegenüber dem Pflegepersonal reagiert hat. Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler hält es für "unverantwortlich, diese Hilferufe und diese Überlastungsanzeigen nicht ernst zu nehmen". Es sei Gefahr im Verzug, die man ignoriere. Der Personalmangel ist allerdings kein Einzelproblem. Gegenüber "Report Mainz" berichten Pflegekräfte von drei weiteren Stuttgarter Kliniken von gravierender Patientengefährdung aufgrund von Personalmangel.

Auch auf einer Normalstation kann das lebensgefährlich sein. Eine Pflegerin berichtet, einer ihrer Patienten sei gestorben, weil zu wenige examinierte Pflegekräfte auf der Station waren. "Es gab mehrere hektische Übergaben und zu wenige examinierte Kräfte auf der Station." Dadurch sei eine Magenblutung unentdeckt geblieben. Sie sei sich sicher, der Patient könne heute noch leben. Ein Intensiv-Pfleger berichtet, dass aufgrund von Personalmangel Patienten seiner Station häufig länger als nötig beatmet würden: "Jeder Beatmungstag erhöht des Sterberisiko und man riskiert so eine Lungenentzündung."

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