Wohnanlage in Tübingen | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Wohnprojekt ermöglicht Behinderten ein selbstständiges Leben

Stand: 23.07.14 14:47 Uhr

Tübingen ist für viele Menschen eine attraktive Stadt. Da es immer mehr Leute dorthin zieht, ist die Wohnraumsituation aber sehr angespannt. Bezahlbare Wohnungen dort zu finden, wird immer schwieriger. Gerade auch für behinderte Menschen gibt es kaum geeignete Angebote. Ein neues Wohnprojekt der Landeswohlfahrtsverbands – kurz LWV – Eingliederungshilfe sorgt jetzt für ein klein wenig Entspannung.

Neun behinderte Menschen haben im Schleifmühleweg in der Tübinger Weststadt ein neues Zuhause gefunden. Die LWV - Eingliederungshilfe hat das erste Obergeschoss des Neubaus für zehn Jahre gemietet und das neue Wohnangebot gestern eingeweiht. Die Bewohner teilen sich nun die barriefreie und rollstuhlgerechte Etage. Die LWV - Eingliederungshilfe bietet den Behinderten eine individuelle Betreuung an. „Wir wollen sie unterstützen, aber nicht im Sinne von behüten und ständig umsorgen. Wir wollen sie über Assistenzleistung befähigen, selbstständig am Leben hier in der Stadt teilzunehmen", erklärt Joachim Kiefer, Geschäftsführer der LWV - Eingliederungshilfe. „Die Mitarbeiter sollen nur so viel tun, wie die Menschen mit Behinderung eigentlich brauchen. Je weniger sie an Hilfe brauchen, umso besser."

Die zentrale Lage in der Weststadt ermöglicht es den Behinderten, mitten im gesellschaftlichen Leben zu stehen. Investor und Planer des Gebäudes ist die Bürger-Aktiengesellschaft Nestbau. Der Tübinger Gemeinderat hatte das Grundstück im Jahr 2011 an Nestbau zu einem vergünstigten Preis verkauft. Private Kleinanleger haben das Bauprojekt mitfinanziert. „Unsere Gesellschafter haben das gute Gefühl, dass mit ihrem Geld etwas Sinnvolles passiert. Wenn sie einem unserer Gebäude einen Mieter oder einer Mieterin begegnet, dann können sie ihnen gerade in die Augen schauen. Denn sie wissen, dass hier kein Mietwucher betrieben wird", sagt Vorstand Gunnar Laufer-Stark.

Der Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) begrüßt privat finanzierte Bauprojekte wie das in der Schleifmühle. Diese seien aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Verband fordert, dass noch viel mehr getan werden muss, um behinderte Menschen in die Mitte der Gesellschaft zu bringen. „Es gibt die UN-Behindertenrechtskonvention, die 2009 verabschiedet worden ist. Und sie muss in allen Bundesländern, in allen Landkreisen und in allen Gemeinden umgesetzt werden", erklärt Roland Klinger, Direktor des KVJS. „ Es geht vor allem beim Wohnen darum, dass stationäre Heimplätze dezentralisiert werden und dass ambulant betreutes und individuelles Wohnen eingerichtet wird. Da haben wir noch eine große Herausforderung", sagt Klinger weiter.

Dieser Herausforderung muss sich auch der Landkreis Tübingen stellen. Das Landratsamt springt finanziell ein, da die behinderten Menschen oftmals nicht genug Geld verdienen. „Wir übernehmen die laufenden Betriebs- und Personalkosten von diesen Einrichtungen, sowohl als stationäre als auch ambulante Betreuung. Wir sind im Rahmen der Eingliederungshilfe zu 100 Prozent dabei", sagt Ulrike Dimmler-Trumpp, die Sozialdezernentin des Landkreises Tübingen.

Inklusion und Teilhabe statt Ausgrenzung und Abgeschiedenheit: Es geht voran in Tübingen, aber nur Schritt für Schritt.

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