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Kippen die Rundfunkgebühren? Bundesverwaltungsgericht fällt bahnbrechendes Urteil für Hotelzimmer & Ferienwohnungen

Stand: 02.10.17 16:39 Uhr

02.10.2017. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat ein möglicherweise bahnbrechendes und wegweisendes Urteil in Sachen Rundfunkgebühren gefällt: Für Hotel- und Gästezimmer sowie für Ferienwohnungen muss demnach - neben dem "normalen" Betriebsstättenbeitrag nur dann ein zusätzlicher "Beherhergungsbeitrag" gezahlt werden, wenn wenn in den Räumen auch Empfangsmöglichkeiten für öffentlich-rechtlichen Hörfunk und Fernsehen vorhanden sind. Allerdings: Auch ein Internet-Anschluss erfüllt diese Vorgabe.

 Ohne eine bereitgestellte Empfangsmöglichkeit sei, so die obersten Verwaltungsrichter, die Rundfunkbeitragspflicht für Hotel- und Gästezimmer sowie Ferienwohnungen nichtverfassungsgemäß. Geklagt hatte Medienberichten zufolge eine Hostel-Besitzerin aus Neu-Ulm. 

Mit diesem Urteil halten erstmals die vorhandenen Empfangsmöglichkeiten als Kriterium Einzug in ein höchstrichterliches Urteil zur Rundfunkgebühr. Inwieweit dieses Kriterium auch Berücksichtigung bei zukünftigen Urteilen zum Rundfunkbeitrag für Privatpersonen oder Betriebsstätten  Einzug hält, bleibt abzuwarten.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte in seinem Urteil entschieden, "dass die Erhebung des zusätzlichen Rundfunkbeitrags für Hotel- und Gästezimmer sowie Ferienwohnungen (Beherbergungsbeitrag) nur in denjenigen Fällen mit dem Grundgesetz vereinbar ist, in denen der Betriebsstätteninhaber durch die Bereitstellung von Empfangsgeräten oder eines Internetzugangs die Möglichkeit eröffnet, das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot in den genannten Räumlichkeiten zu nutzen."

Weiter schreibt das Bundesverwaltungsgericht in seiner Presse-Info:  "Nach dem seit dem 1. Januar 2013 geltenden Rundfunkbeitragsstaatsvertrag der Länder sind Inhaber von Betriebsstätten für die darin vorhandenen Hotel- und Gästezimmer sowie Ferienwohnungen zur Zahlung eines zusätzlichen Rundfunkbeitrags verpflichtet." Dieser kommt zusätzlich  zur allgemeinen Beitragspflicht für die Betriebsstätte noch dazu. Dabei muss der Inhaber für jedes Zimmer bzw. jede Ferienwohnung  ein Drittel des Rundfunkbeitrags entrichten, wobei "die erste Raumeinheit" beitragsfrei ist.

Die Klägerin ist dem Gericht zufolge  Inhaberin eines Hostels in Neu-Ulm. Sie zahlt den allgemeinen Betriebsstättenbeitrag, wendet sich aber gegen die Heranziehung zu dem zusätzlichen Rundfunkbeitrag für ihre Gästezimmer. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat das berufungsgerichtliche Urteil jetzt aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Auch bei dem zusätzlich vom Betriebsstätteninhaber für Hotelzimmer etc. zu zahlenden Beherbergungsbeitrag handelt es sich dem Urteil zufolge um eine rundfunkspezifische nichtsteuerliche Abgabe. Für diese besitzen die die Länder die Regelungsbefugnis, und deren Erhebung bedarf "verfassungsrechtlich einer besonderen Rechtfertigung".

Diese sei "grundsätzlich gegeben, weil der Beherbergungsbeitrag einen besonderen Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit abgilt, der nicht bereits vom Betriebsstättenbeitrag erfasst wird." Die Möglichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunkempfangs in den Hotel- und Gästezimmern sowie Ferienwohnungen sei ein preisbildender Umstand. Dies stelle daher für den Betriebsstätteninhaber einen besonderen zusätzlichen Vorteil dar: "Dieser zusätzliche Vorteil ist ihm zuzurechnen und von ihm abzugelten, wenn er seinen Gästen in den Zimmern und Ferienwohnungen die Rundfunkempfangsmöglichkeit bereitstellt." Das sei dann der Fall, "wenn er die Räumlichkeiten mit Empfangsgeräten oder einem Internetzugang ausstattet, der seinen Gästen einen Rundfunkempfang ermöglicht."

Die Anknüpfung der Beitragspflicht an das Innehaben von Raumeinheiten führe grundsätzlich dazu, "dass auch diejenigen Inhaber, die auf jegliche Empfangsmöglichkeit verzichten, der Beitragspflicht unterfallen." Das habe das Bundesverwaltungsgericht "im Bereich des Wohnungs- und des Betriebsstättenbeitrags (s. Urteile vom 18. März 2016 - BVerwG 6 C 6.15 - BVerwGE 154, 275 und vom 7. Dezember 2016 - BVerwG 6 C 49.15 -) als gerechtfertigt erachtet. Diese Raumeinheiten sind nahezu lückenlos mit Empfangsgeräten oder einem Internetzugang ausgestattet und in diesen Bereichen war eine „Flucht aus der Rundfunkgebühr" festzustellen, weshalb Zweifel an der Belastungsgleichheit der Erhebung der Rundfunkgebühr bestanden."

Darüber hinaus sei "der Nachweis der Verbreitung insbesondere von multifunktionalen Empfangsgeräten und die Zuordnung zum Rundfunkteilnehmer nicht mehr mit der gebotenen Sicherheit festzustellen." Aus den vorgenannten Gründen und zur Gewährleistung einer möglichst gleichmäßigen Erhebung sei der Gesetzgeber nicht gehalten gewesen, "im Bereich des Wohnungs- und Betriebsstättenbeitrags eine Befreiungsmöglichkeit bei Verzicht auf den Rundfunkempfang vorzusehen."

Weiter heißt es: "Bei der zusätzlichen Beitragspflicht des Betriebsstätteninhabers für seine Hotelzimmer etc. liegen diese Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme von Inhabern, die ihren Gästen keine Rundfunkempfangsmöglichkeit in diesen Räumen eröffnen, jedoch nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann nicht aufgrund statistischer Daten verlässlich feststellen, dass Hotelzimmer etc. nahezu lückenlos mit Empfangsgeräten oder einem geeigneten Internetzugang ausgestattet sind."

Darüber hinaus bereite es keine unüberwindbaren Schwierigkeiten, das Vorhandensein eines Empfangsgerätes oder eines Internetzugangs festzustellen: "Die Ausstattung der Zimmer mit Empfangsgeräten oder Internetzugang gehört zu denjenigen Merkmalen, die das Geschäftsmodell des Inhabers prägen und daher z.B. Gegenstand von Internetauftritten, Werbeprospekten und Bewertungen von Gästen im Internet sind."

Aus diesen Gründen sei "die Erhebung des zusätzlichen Beitrags vom Betriebsstätteninhaber verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, soweit dieser seinen Gästen eine Möglichkeit der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Hotelzimmern etc. zur Verfügung stellt. Für die anderen erweist sich die Beitragsregelung als verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber ihnen nicht den Nachweis ermöglicht hat, dass ihre Zimmer nicht mit Empfangsgeräten oder einem geeigneten Internetzugang ausgestattet sind."

Die Verfassungswidrigkeit der Regelung des Beherbergungsbeitrags beschränke sich hierauf, so das Gericht: "Sie erfasst nicht die Beitragspflicht derjenigen Betriebsstätteninhaber, die ihren Gästen eine Empfangsmöglichkeit in den Zimmern eröffnen."

Das Berufungsgericht hat übrigens nicht festgestellt, "ob in den Zimmern der Klägerin eine von ihr eröffnete Rundfunkempfangsmöglichkeit besteht". Erst nach Aufklärung dieser Tatsache könne in dem verhandelten speziellen Fall "beurteilt werden, ob die Klägerin zur Zahlung des Beitrags verpflichtet ist oder aber die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Beherbergungsbeitrags dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen ist."

Urteil:

 BVerwG 6 C 32.16 - Urteil vom 27. September 2017

Vorinstanzen:
VGH München 7 BV 15.1188 - Urteil vom 14. April 2016
VG Augsburg Au 7 K 14.792 - Urteil vom 20. April 2015

 

Quellen: Bundesverwaltungsgericht Leipzig / FAZ

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