Fast auf den Tag genau vor fünf Jahren war Heiner Geißler beim fünfzigjährigen Bestehen des Ortsvereins Pfullingen in seinem alten Wahlkreis Reutlingen zu Gast. Geißler war zu diesem Zeitpunkt bereits seit fünf Jahren Mitglied von Attac, Kritiker von Globalisierung und Marktradikalismus und Verfechter der sozialen Marktwirtschaft. Durch diese sei die alte soziale Frage, die Arbeiterfrage, gelöst worden, so Geißler.
Aber die soziale Marktwirtschaft gäbe es nicht mehr. Der wirtschaftliche Fortschritt komme längst nicht mehr allen zugute. Der Grund: Im Wettbewerb sei keine Ordnung mehr vorhanden. Kleine und mittlere Betriebe hätten weniger Chancen.
Als streitbarer Konservativer war Geißler während seiner aktiven politischen Laufbahn bekannt gewesen. Geboren in Oberndorf am Neckar baute er 1956 den Kreisverband Rottweil der Jungen Union auf und stieg bis zum Landesvorsitzenden auf. Im Jahre 1965 wurde er für den Wahlkreis Reutlingen zum Bundestagsabgeordneten gewählt, dann aber zwei Jahre später zum Sozialminister nach Rheinland-Pfalz abberufen.
Unter Bundeskanzler Helmut Kohl war Geißler Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit. Nach seiner politischen Laufbahn machte er vor allem als Schlichter von sich reden. Ganz besonders im Konflikt um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21. Heiner Geißler wurde 87 Jahre alt.
"Er war einer von uns Baden-Württembergern - und er war dem Land bis ins hohe Alter äußerst verbunden", erklärt der Landesvorsitzende der CDU Baden-Württemberg, der Stellvertretende Ministerpräsident Thomas Strobl. "Viele erinnern sich besonders an sein Wirken als Generalsekretär der CDU Deutschlands. Auch und gerade als Generalsekretär hat er keine politische Auseinandersetzung gescheut - blitzgescheit wie er war, als kluger Analytiker, mit oft schneidender Rhetorik, Überzeugungspolitiker, freilich auch knitz und fröhlich in seiner Art."
Heiner Geißler war laut Strobl "im besten Sinne ein streitbarer Geist, der auch polarisiert hat und Freude an der Provokation hatte". Er habe seiner CDU mitunter etwas zugemutet - das habe Deutschland gut getan und das habe der CDU gut getan, so Strobl.
"Auch wenn ich nicht immer seiner Meinung war - was er gar nicht gewollt und leiden hätte können -, so gehörte er unbedingt zur Familie der CDU und Gott sei Dank hatte die CDU ihn. Wir in der CDU Baden-Württemberg sind sehr traurig. Wir werden Heiner Geißler nie vergessen".
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