Siemens-Werk Tübingen-Kilchberg | Bildquelle: RTF.1

Tübingen/München:

Einigung: Siemens-Werk in Kilchberg gerettet. Modernisierung kostet 249 Arbeitsplätze

Stand: 15.08.17 16:56 Uhr

Die Meldung am 17. Februar schlug ein wie eine Bombe: Der Technologiekonzern Siemens gab aus dem fernen München bekannt, in seiner Tübinger Niederlassung rund 337 Stellen zu streichen. Die Produktion von Antrieben in Kilchbergsollte komplett eingestellt und nach Tschechien verlagert werden. Mitarbeiter und Gewerkschaften reagierten empört und mit Protesten. In der Folge legten sie einen eigenen Plan vor, wie Kosten gespart und Entlassungen abgewendet werden könnten. Darüber wurde dann verhandelt. Jetzt liegt das Ergebnis vor: 249 Arbeitsplätze werden langfristig abgebaut. Aber: das Werk in Tübingen-Kilchberg bleibt im Kern erhalten, so der Betriebsratsvorsitzende Ismayil Arslan auf einer Pressekonferenz.


Das Werk der Siemens AG in Tübingen-Kilchberg. An diesem Standort werden bisher führend Getriebemotoren für alle Bereiche der industriellen Antriebstechnik entwickelt, produziert und zusammengebaut – für Anwendungen in der Fördertechnik, der Logistik und die Automobil-Industrie. Wegen Kostendrucks und dem Erhalt der globalen Wettbewerbsfähigkeit wollte Siemens die Hälfte der 600 Beschäftigten entlassen und den wichtigsten Kilchberger Produktionszweig – die Getriebemotorenproduktion – ins kostengünstigere Ausland verlagern. Das sicheres Aus für das Werk.

Das Ergebnis der auf Druck der Betriebsräte und der IG Metall zustande gekommenen Verhandlungen an 15 Tagen: ein Kompromiss. Das Wichtigste: Durch Kosteneinsparmaßnahmen der Mitarbeiter, die durch Digitialisierung und Modernisierung des Werks zustande kommen sollen, werden 7,8 Millionen Euro eingespart. Bis Mitte 2022 werden dadurch in Tübingen 249 Arbeitsplätze abgebaut.

Das Wichtigste des Interessenausgleichs aber ist. Durch die Kostensenkungen ist das  Ende des Werks abgewendet. Und: Tübingen-Kilchberg bleibt auch zukünftig der führende Siemens-Standort für die Endfertigung von Getriebemotoren – die Hauptforderung der Arbeitnehmer und Gewerkschaften.

Dass am Ende der vorgeschlagenen Digitalisierungs- und Modernisierungsprozesse ein Verlust von Arbeitsplätzen stehen würde, war den Beteiligten durchaus klar -  und der bittere Apfel, in den sie beißen mußten:  Die alleinige Alternative wäre gewesen: Die Schließung des Werks.

Ein schmerzhafter, aber überlebenswichtiger Kompromiss, den auch  Tanja Silvana Grzesch, die Erste Bevollmächtigte der  IG Metall Reuitlingen-Tübingen, ausdrücklichlich lobt. Denn über den Verhandlungen habe stets das Damokles-Schwert der kompletten Schließung mit dem Verlust aller 600 Arbeitsplätze gehangen.

Die Argumentation der Arbeitgeber-Seite war klar: Durch zu hohe Kosten fahre man in Tübingen zu hohe Veluste ein. Die Sparte der Getriebemotoren sei nur durch die Verlagerung nach Tschechien zu erhalten. Denn dort betrügen die Lohnkosten nur ein Drittel.

In der Folge hielt die Verhandlungsgruppe aus 5 Standortbetriebsräten, einer Beratergruppe der IG Metall aus Berlin dagegen. Und legte eigene Kosteneinsparvorschläge vor: Die Frage der Digitalisierung und Modernisierung sei Siemens in  seinem Tübinger Werk  in vielen Jahren  überhaupt nicht angegangen. Zudem legten die Arbeitnehmervertreter dar, dass die löhne  in Tschechien in den kommenden Jahren um rund 14,5 Prozent steigen und es dort einen Mangel an Facharbeitern gebe.

Am Ende können die Arbeitnehmervertreter mit Hilfe interner und externer Digitalisierungsexperten Einsparungmöglichkeiten von 7,8 Millionen Euro vorlegen. Genug, um Siemens letztlich vom grundsätzlichen Erhalt des Tübinger Werks zu überzeugen - und vom Erhalt von rund 300 Arbeitsplätzen.

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