Flüchtlinge | Bildquelle: RTF.1

Tübingen/Berlin:

"Können nicht allen helfen": Palmer- Buch kritisiert Flüchtlingspolitik und Tabuisierungen

Stand: 04.08.17 13:59 Uhr

Es wurde bereits heftig und emotional diskutiert, bevor es veröffentlicht oder eine Zeile davon bekannt war: Boris Palmer hat in Berlin sein Buch über die Flüchtlingspolitik und deren Folgewirkungen vorgestellt. Der Titel "Wir können nicht allen helfen. Ein Grüner über Integration und Grenzen der Belastbarkeit". Es fasst Palmers kritisch-mahnende Positionen zur offiziellen Flüchtlingspolitk und der sogenannten "Welcome-Kultur" zusammen, die der grüne Tübinger OB in Interviews oder per Facebook vertrat. Palmer hat dafür vor allem von der eigenen Partei Prügel bezogen, die bis zur Austrittsforderung der Grünen Jugend reichten. Wir fassen die wesentlichen Stationen und Äußerungen, die zum Buch führten, noch einmal zusammen.


August 2015: Die Flüchtlingswelle erreicht, einer Völkerwanderung gleich, immer neue Höhepunkte: Täglich strömen damals rund 11 000 Menschen nach Deutschland. Zum Jahresende werden es rund 1eine  Million sein. In einem humanitären Akt lässt die Bundeskanzlerin dann, ohne Absprache mit den europäischen Partnern, die Grenzen öffnen.

Am 31. August sagt Merkel dann den Satz, der lange ihr Diktum bleibt, der der CDU einen Umfrageabsturz und der AfD ein Allzeit-Hoch beschert: „Wir schaffen das" . Und:  „ Es gibt keine Obergrenzen".

Palmer, der Tübinger OB, kontert: „Wir schaffen das nicht", jedenfalls nicht, wie die Kanzlerin das versucht,  einfach nur mit Durchhalteappellen"E rr proklamiert "eine Grenze der Belastbarkeit ". Und fügt hinzu: "Ganz objektiv wird jeder einsehen: wenn im kommenden jahr 10 Milllionen Menschen kämen, dass dann irgendwann eine solche Grenze überschritten ist".

Der Tübinger OB  rückt damit ins Zentrum eines Proteststurms des politischen, vor allem aber des grünen Establishments. Während andere eine „refugees welcome-Kultur" ausrufen, mahnt Palmer, dass die Stimmung schnell kippen könne.

Damit zieht sich Palmer auch den Unmut seines politischen Ziehvaters Winfried Kretschmann zu. Der  baden-württembergische Ministerpräsident widerspricht: "Was das Asylrecht angeht, ist das Boot nicht voll. Es gibt keine Obergrenze".

Einen Empörungssturm entfachte auch, dass Palmer die zur Not bewaffnete Sicherung der EU-Außengrenzen forderte - heute ganz aktuelles Ziel der Europäischen Union. Ebenso forderte der Tübinger OB, was jetzt längst ebenso Praxis ist: "Wahre Asyl- und Schutzsuchende" von jenen zu trennen, die "nur"ein besseres Leben suchen

Palmer fordert auch, kriminell gewordene  Flüchtlinge konsequent zuschiebenen – zur Not auch in instabile Länder wie Afghanistan:

"Zum einen müssen wir die, die wirklich Schutz brauchen, Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, allen voran aus Syrien, schneller und besser Zuflucht gewähren; und zum anderen müssen wir auch diejenigen, die keinen Anspruch auf Asyl haben, klarer auf ihre Heimatländer verweisen".

Mit der "kippenden Stimmung hat Palmer recht: In Umfragen schießt die jetzt gegen Zuwanderung ausgerichtete Afd wie aus dem Nichts wieder nach oben, erreicht teilweise 15 Prozent.  70 Prozent der Deutschen sprechen sich  in einer Infratest-Umfrage für eine Beschränkung des Zuzugs aus.

Schon damals fordert Palmer, so wie bis heute, offene Diskussionen über Ziele, aber auch negative Folgen der Flüchtlingspolitik: Das alles müsse man  "nüchtern beschreiben ,weil wenn es passiert ohne Diskussion, dann wird es wirklich explosiv."

Hier setzte und setzt auch Palmers Kritik an Merkel und anderen bis heute an:  wenn man Ängste, aber auch reale Probleme -  wie beispielsweise Flüchtlingskriminialität wie in Köln - tabuisiere, Diskussionen darüber als rechts brandmarke und Protestwähler in die rechte Ecke stelle, dann spalte man die Gesellschaft und treibe viele Menschen grade den Rechten zu.

Dämonisierung sei ein großer Fehler: "Es ist einfach nicht anzunehmen, dass 15 Prozent in unserem Land Rechtsradikale und verkappte Nazis sind". Diese Menschen hätten zuvor gemäßigte Parteien gewählt und jetzt "offenbar Gründe gefunden, dies jetzt nicht mehr zu tun". Das Ziel müsse sein, "diese Menschen zu umwerben" und "sie zurückzuholen".

Die Kanzlerin, das meint Palmer  jetzt auch, habe in ihrer Flüchtlingspolitik mittlerweile still eine realpolitische 180 Grad-Wende vollzogen.  Noch immer aber sei Merkel mit ihrer Politik dafür verantwortlich, dass sich Europa an der von Deutschland fast im Alleingang durchgesetzten Flüchtlingspolitik spalte.

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