Schwörtag Reutlingen | Bildquelle: RTF.1

Reutlingen:

Amtseid und Fahnenflaigen - 10. Schwörtag der Moderne

Stand: 13.07.14 19:39 Uhr

Vom 14. Jahrhundert bis zum Jahre 1802 war der Schwörtag das zentrale politische Ereignis in der Freien Reichsstadt Reutlingen. Damals wurde an diesem Tag der Bürgermeister gewählt. Heute ist der Schwörtag ein Volksfest, gewählt wird an diesem Tag längst nicht mehr. Aber der Schwur und der Brauch der Schwörtagsrede sind geblieben.

Im feierlichen Tross zogen Oberbürgermeisterin Barbara Bosch und ihr "Gefolge" ganz traditionell von der Marienkirche Richtung Festplatz – die Gelegenheit für die Stadtkapelle ihrer OB mal so richtig den Marsch zu blasen. Früher war die Teilnahme am Festzug ein "Privileg" der Zünfte. Heute darf jeder mit marschieren. Nach der Ankunft im Schwörhof des alt-ehrwürdigen Friedrich-List-Gymnasiums gings dann aber wieder streng nach Zeremoniell. Schließlich orientiere man sich am historischen Schwörtag. Und schon damals wurde das Stadtoberhaupt eskortiert, um ungestört seinen Schwur leisten zu können. Doch bevor es soweit ist – auch das gebietet die Tradition, wird erst einmal ein Trinkspruch ausgebracht: "Den Schwörtag will ich gerne pflegen und hoff dabei auf Gottes Segen, auf schönes Wetter und freundliche Leut und das der Wein wird munden heut. Zum Wohl." Und Oberbürgermeisterin Barbara Bosch trank den Wein-Römer auf einen Zug leer.

Also trinkfest sind die Reutlinger schon mal. Doch sind sie auch gastfreundlich. Das nämlich sprach ihnen der unbekannte Verfasser folgender Zeilen aus dem Jahr 1893 ab: "Dem Fremden gegenüber macht sich die Eigenart des Reutlingers in einem geringen Maß von Entgegenkommen, bisweilen sogar in einer schroff ablehnenden Haltung geltend, weshalb die Reutlinger, wie auch – Kollegen aufgepasst – die Bewohner der angrenzenden Orte Pfullingen, Eningen und Betzingen, nicht im Geruche besonderer Höflichkeit stehen."

Eine amüsante Anekdote mit ernstem Hintergrund. Denn Oberbürgermeisterin Barbara Bosch schlug in ihrer Festrede auch ernste Töne an. Stichwort Flüchtlingsproblematik. Hier könne Reutlingen seine Gastfreundschaft unter Beweis stellen und den unbekannten Schmähredner Lügen strafen.

Es stünde einer Stadt wie Reutlingen mit seiner libertinären Vergangenheit als freie Reichsstadt, mit einem Reutlinger Asyl, das es damals - zwar in anderer Form - aber schon gegeben habe gut an, dafür Sorge zu tragen, dass Menschen in Not und sei es nur Übergangsweise ihren Platz finden würden, so der Apell der Oberbürgermeisterin. Man brauche allerdings auch die notwendige Kostenerstattung vom Land, mit dem man im Gespräch darüber sei, aber das Geld, dass man derzeit bekomme decke die Kosten nicht ab.

Ja, auch die politische Komponente gehört zum Schwörtag mit dazu. Schließlich ist er eigentlich eine Ur-politische Veranstaltung. Was aber auch dazu gehört ist das sogenannte Fahnenflaigen. Das fand ursprünglich vor der Wohnung des an diesem Tage neu gewählten Stadtoberhaupts statt. Heute darf das ganze Volk dabei zusehen und anschließend dem Amtseid lauschen.

Und den trug Bosch im altüberlieferten Wortlaut vor: "Meinem befohlenen Amt mit Treue und Fleiß, in aller Sorgfalt vorzustehen, der Stadt, dem Land und dem Vaterland jederzeit alle Treu und Wahrheit zu leisten, deren Nutzen und Frommen zu schaffen und zu fördern, Nachteil und Schaden zu warnen und zu wenden, auch gegen Reich und Arme ohne Unterschied der Personen ein gleicher und unparteiischer Amtmann zu sein und insgesamt das beste zu tun nach meinem besten Verständnis."

Mit drei kräftigen Böllerschüssen bereitete die Schützengilde Reutlingen dem offiziellen Schwörtagszeremoniell dann wieder ein traditionelles Ende. Der restliche Tag sollte auch heute ganz den Reutlinger Bürgern und Festbesuchern gehören, die bei buntem Programm und Unterhaltung auf dem Schwörhof noch nach Herzenslust weiter feiern durften.

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