Bundeswehr-Soldaten bei einer Übung | Bildquelle: Gertrud Zach, U.S. Army (Public domain)

Truppe wehrt sich öfter:

Beschwerden innerhalb der Bundeswehr steigen drastisch

Stand: 15.07.17 08:48 Uhr

Beschwerden innerhalb der Bundeswehr über sexuelle Belästigung, Rechtsextremismus oder Fehlverhalten von Vorgesetzten sind im ersten Halbjahr 2017 sehr stark angestiegen. Dies geht aus Zahlen des Verteidigungsministeriums hervor. Die Sensibilität in der Truppe ist nach Fällen wie in der Ausbildungskaserne Pfullendorf offenbar gestiegen. Hier hatte die Beschwerde einer Soldatin zu einer Strafe für einen Major geführt. Sie war offenbar aufgefordert worden, an einer Stange zu tanzen.

Am deutlichsten zeigt sich in den Zahlen, die der Rheinischen Post vorliegen, die Entwicklung bei Verdachtsfällen von Fehlverhalten Vorgesetzter gegenüber Untergebenen. Während 2016 nur 28 solcher Fälle gemeldet wurden, waren es bis zum 9. Juli 2017 schon 56. Bei Meldungen von Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist bereits jetzt mit 127 erfassten Verdachtsfällen das Vorjahresniveau von 128 Fällen erreicht.

Auch die Meldungen über Vorfälle mit rechtsextremen beziehungsweise fremdenfeindlichen Hintergrund nahmen deutlich zu: Listete das Verteidigungsministerium 2016 insgesamt 63 Verdachtsfälle waren es 2017 schon 96. "Die Sensibilität in der Truppe für Vorkommnisse, wie wir sie im Frühjahr öffentlich diskutiert haben, ist messbar gestiegen", erklärte ein Sprecher. Er betonte, dass es sich um intern angezeigte Verdachtsfälle handele. "Gemeldet wurden dabei nicht nur frische neue Fälle, sondern auch eine Vielzahl ,alter' Vorkommnisse, die aus der Perspektive der Betroffenen zuvor noch nicht angemessen bearbeitet oder gewürdigt wurden." Viele dieser Verfahren würden neu überprüft.

Offenbar hat die Auseinandersetzung mit Fällen wie der im baden-württembergischen Pfullendorf die Truppe aufmerksamer gemacht. Im Zusammenhang mit Vorgängen in der Ausbildungskaserne hat die Staatsanwaltschaft zwar kein Verfahren wegen sexueller Delikte eingeleitet. Tatsächlich wurde aber ein Major der Staufer-Kaserne von seiner Dienstaufsicht mit einer Disziplinarbuße in Höhe von 450 Euro belegt.

Grund für das Bußgeld ist laut Bericht der Staatsanwaltschaft Hechingen, der der "Heilbronner Stimme" vorliegt, "mangelhafte Dienstaufsicht" durch das Dulden einer Tanzstange in der Kaserne. In dem Bericht heißt es: Da der Major "die Existenz der Tanzstange geduldet hatte, wurde gegen ihn eine Disziplinarbuße von 450,-- Euro verhängt".

Eine strafbare Unterlassung sei dem Offizier nicht vorzuwerfen, weil durch die Duldung der Tanzstange keine schwerwiegenden Folgen eingetreten seien. Wörtlich heißt es in dem Bericht: "Eine Strafbarkeit wegen mangelnder Dienstaufsicht nach Paragraph 41 WStG ist jedenfalls deshalb nicht gegeben, weil schwerwiegende Folgen im Sinne von Paragraph 2 Nr. 3 WStG nicht eingetreten sind." Laut dieser Regelung ist eine schwerwiegende Folge, die eine Strafbarkeit nach dem Wehrstrafgesetz begründen würde, "eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, die Schlagkraft der Truppe, Leib oder Leben eines Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert".

Eine Soldatin, die sich geweigert hatte, an der Stange zu tanzen, hatte Mobbingvorwürfe erhoben und dem Major eine mangelhafte Dienstaufsicht vorgeworfen.

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