Skinheads | Bildquelle: www.polizei-beratung.de

Vorwürfe gegen Verfassungsschutz:

Neonazi-Organisation "Blood and Honour" wurde verschont

Stand: 11.07.17 20:27 Uhr

Das Bundesamt für Verfassungsschutz, kurz BfV, hat womöglich Ermittlungen gegen die Neonazi-Organisation "Blood and Honour" ausgebremst. Seit dem Verbot der Organisation im Jahr 2000 hatte es keine zentralen Ermittlungen vom zuständigen Generalbundesanwalt gegen Nachfolgestrukturen gegeben. Das ergaben Recherchen der ARD-Politikmagazine "Report Mainz" und "Fakt".

So beschwerten sich Ermittler der Kriminalämter immer wieder, dass ihnen nötige Informationen vom Verfassungsschutz nicht zur Verfügung gestellt wurden - mit Verweis auf den Quellenschutz, also den Schutz von V-Leuten. Einer dieser V-Leute war nach Recherchen von "Report Mainz" und "Fakt" der ehemalige Deutschland-Chef von "Blood and Honour" Stephan L. Er sollte dem Amt über Nachfolgestrukturen von "Blood and Honour" berichten.

Nach dem Verbot von "Blood and Honour" hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz immer wieder in internen Stellungnahmen gegenüber anderen Behörden behauptet, die Organisation hätte keine überregionalen Strukturen auf Bundesebene mehr. Mehrere Ermittler kamen jedoch zu entgegengesetzten Einschätzungen: "Blood and Honour" werde auf Bundesebene sehr wohl fortgeführt. Dazu Martina Renner, Sprecherin für Rechtsextremismus der Partei "Die Linke", die zu diesem Komplex unter anderem im vergangenen NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages zahlreiche Akten einsehen konnte: "Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat mit seiner Einschätzung ganz bewusst gelogen. Weil sie zu dem Zeitpunkt die Treffberichte diverser Spitzel auf dem Tisch liegen hatten, die von diesen Nachfolgetreffen der Führungsebenen und von den ganzen Reorganisierungen berichtet haben. Das BfV war die ganze Zeit informiert."

Die vorliegenden Akten zeigen auch, dass Ermittler die Verfassungsschutzämter teils nicht mehr vorab über Durchsuchungsmaßnahmen informierten - aus Sorge, diese könnten an V-Männer verraten werden. In einem Vermerk des Thüringer Landeskriminalamtes heißt es zudem, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz im Jahr 2005 selbst eine Durchsuchung durchgeführt habe, was dem Amt per Gesetz verboten ist. Dabei handelte es sich um eine Produktionsstätte für rechtsextreme Szenekleidung. Laut Vermerk hätten die betroffenen Neonazis daraufhin die Produktion an einen unbekannten Ort verlagert. Bei späteren Razzien des LKA stießen die Ermittler auf wenig belastende Beweise an diesem Ort.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz teilt auf Anfrage lediglich pauschal mit, dass "die Verfassungsschutzbehörden über keine exekutiven Befugnisse verfügen und daher keine eigenen Durchsuchungsmaßnahmen durchführen". Der Rechtsextremismus-Experte Matthias Quent vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena kommt zu der Einschätzung: "Offensichtlich bestand kein Interesse daran, etwas zu ändern, also mit Mitteln des Rechtsstaates dagegen vorzugehen. Stattdessen wurde bagatellisiert, wurde versucht auch die eigenen Quellen zu schützen. Das sind Bestrebungen, die aus meiner Sicht nicht rechtsstaatlich sind."

Mittlerweile gehen mehrere Behörden und Experten davon aus, dass "Blood and Honour" sowie dessen militanter Arm "Combat 18" weiterhin existieren. "Blood and Honour" gilt als entscheidendes Netzwerk auch für die Unterstützung des NSU-Trios.

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