Kretschmann auf der Landessynode | Bildquelle: RTF.1

Reutlingen:

Politisch gerecht sein: Ministerpräsident Kretschmann spricht auf evangelischer Landessynode auch über Ehe für Alle

Stand: 09.07.17 05:18 Uhr

Am Freitag wurde in Reutlingen die insgesamt 15. Evangelische Landessynode eröffnet. Die Synode ist die gesetzgebende Versammlung der Kirchenleitung. Und kommt in der Regel dreimal pro Jahr zur Sitzung zusammen. Gastredner der diesjährigen Sommersynode, die ganz im Zeichen des 500-jährigen Jubiläums der Reformation steht, war Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Der Katholik, der nicht wenigen als Inbegriff eines ethisch handelnden Politikers gilt, sprach über die Aktualität der sogenannten Rechtfertigungslehre. Dabei ging Kretschmann auch auf die sogenannte "Ehe für alle" ein.


Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu Besuch bei der evangelischen Landessynode in Reutlingen. Der praktizierende Katholik, der auch in den Zentralrat der deutschen Katholiken gewählt wurde, sollte über einen zentralen Streitpunkt der Reformation sprechen: ob man sich das Wohlwollen Gottes verdienen könne, oder ob dessen Gnade und Liebe zum Menschen  an sich allein zum Vergeben führe. Es ist ein milder Gott, der durch diese Welt-Vorstellung der Nach-Luther-Zeit weht. Das Sich-Rechtfertigen, das christlich-gnädige milde Gerechtsein gegen andere, wenn  gleichzeitig harte Tagespolitik gemacht werden muss:Es ist ein Thema, das auch Kretschmann beschäftigt.

Das Wort der Rechtfertigung passe "gar nicht nicht so richtig zum modernen selbstbewussten Menschen", so Kretschmann. Dieser erkläre sich vor allem,  "aber er rechtfertigt sich nicht. Von Rechtfertigung wollen heute viele nichts mehr wissen".

Ganz anders sei das in denZeiten Luthers gewesen. Da habe der Mensch noch eine sprichwörtlich existentielle Höllen-Angst gehabt, das Richtige zu tun. Heute herrsche eine Rechtfertigung vor, die die Gründe vor allem immer im externen Bereich suche. Man entziehe sich gern der Verantwortung und schiebe eben den anderen die Schuld zu.

Auch reales politisches Handeln, das sich heute zumeist auf den Ausgleich von Interessen ausrichte oder die Gerechtigkeit der Gerichte, stünde diesem Gottesbild, das durch Luther kam, entgegen. Heute sei das Verständnis von Gerechtigkeit ein metrisches und quantitatives: "Etwas ist gerecht, weil das, was man gibt, dem entspricht, was man bekommt" .Oder weil einem zugebilligt werde, "was einem zusteht oder braucht oder was auch alle anderen haben".

Der theologische Gerechtigkeitsbegriff räume indessen individuelle Freiheit und damit Unterschiedlichkeit ein. Eine mögliche Annäherung an den Geist dieser Gerechtigkeit im realen Handeln, die ja als göttliche Liebe nicht messbar, sondern bedingungslos sei, sieht der Politiker Kretschmann aber trotzdem: Man dürfe "in der Politik niemals nachlassen, für die Freiheit in der Verschiedenheit der Menschen einzutreten";  denn "nur in dieser Verschiedenheit" mache "das Wort der Freiheit Sinn. Der Sinn von Freiheit ist ja Differenz".

Politisch gehe es dabei also um ganz Konkretes: Man dürfe "nicht nachlassen für Verschiedenheit und deren Rechte einzutreten - unabhängig von Nationalität, Hautfarbe, Religion oder auch sexueller Orientierung". Damit hat Kretschmann eine Brücke zu einem derzeit emotional diskutierten Thema geschlagen: Am Freitag Vormittag hatte er im Bundesrat dem vom Bundestag verabschiedeten Gesetz einer "Ehe für alle" zugestimmt. Ein Gesetz, gegen das nicht nur Teile der Kirchen Sturm laufen.

Der wohlwollende göttliche Blick auf die Verschiedenheit, so Kretschmann,  begründe zudem auch, was in der Präambel des Grundgesetzals unverrückbares Recht stehe: "der Mensch hat seine Würde nicht weil er wie Gott ist, sondern weil er von Gott und auf ihn hin ist. Mehr Würde geht nicht". Die Menschen müssten diese also nicht erkämpfen .Die Würde eines jeden einzelnen sei deshalb unantastbar.

Gnade in diesem Sinne, so Kretschmann am Ende schmunzelnd, gebe es für Politiker bei Wahlen indessen manchmal nicht. Doch wenn man als Politiker scheitere, dann scheitere man nicht vor Gott und auch nicht als Mensch.

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