Blutdruck-Messung | Bildquelle: RTF.1

Stuttgart:

Immer mehr Hausärzte fehlen: Junge Medizinier wollen in Kliniken. Versorgungsnotstand droht.

Stand: 04.05.17 17:43 Uhr

In Baden-Württemberg droht ein rapide ansteigender Mangel an niedergelassenen Ärzten und Fachärzten. In einigen Gebieten droht dadurch ein Versorgungsnotstand - und das, obwohl es noch nie so viele Ärztinnen und Ärzte im Land gegeben hat. Die Hintergründe sind vielschichtig. Vor allem im Bereich der Hausärzte spüren immer weniger Mediziner die Lust, sich als selbständige Einzelkämpfer zu betätigen . Die Landesärztekammer kündigt zum kommenden Deutschen Ärztetag massive Veränderungen an, aber auch Forderungen.


Unter anderem sollen Fernbehandlungen über Internet oder Telefon erlaubt werden Dass es um die Nachfolge von Landärzten eher schlecht bestellt ist, war bekannt. Jetzt aber dehnen sich die Nachfolge-Probleme auch in die Städte aus. Aktuell sind im Land derzeit 100 niedergelassene Haus- und Facharzt-Stellen offen.Laut Landesärztekammer werden bis in 5 Jahren schon rund 500 Hausärzte fehlen. Und das, obwohl derzeit mit 48 606 Medizinern, davon 45 Prozent Frauen, eine Rekordzahl an Ärzten beschäftigt sind Der Großteil arbeitet lieber in Kliniken.

Die Gründe liegen aus Sicht der Landesärztekammer auf der Hand:  Klinik-Arbeit wurde immer attraktiver: Das sichere, gut geregelte Angestelltenverhältnis wird dem finanziell risikoreicheren und zeittechnisch nicht geregelten Einzelkämpfertum in einer eigenen Praxis vorgezogen, so Ärztekammer-Präsident Ulrich Clever.

Besonders die Arbeit in den Kliniken hat sich durch arbeitsrechtliche Vorgaben geändert. Früher, so Clever, sei es oft vorgekommen, dass ein Arzt nicht nur seinen normalen Tagesdienst, sondern auch noch die darauf folgende Nachtschicht habe leisten müssen. "Wenn es gut lief, konnte man am nächsten Vormittag gehen. Es konnte aber auch sein, dass man den ganzen nächsten Tag mit abdeckte. Das galt auch für die Wochenenden."

Das ist jetzt rechtlich eingeschränkt und hat Folgen. Für einen herkömmlichen Wochenenddienst, den früher ein Arzt geleistet habe, brauche es jetzt vier Ärzte. Durch immer mehr ältere Patienten wächst zudem auch die Arbeitsmenge. Auch der Bereich der Alters- und Palliativ-Medizin nimmt beständig zu. Außerdem sind jetzt viele Krankheiten heute -mit viel Aufwand -behandelbar. Auch will der moderne Patienten besser aufgeklärt werden.Trotz einer Rekordzahl an Ärzten wächst deshalb gleichzeitig der Mangel an Medizinern.

Die Argumentation der Kassen, dass genügend Ärzte vorhanden seien und nur besser verteilt werden müssten, weist Clever deshalb zurück. Ein Thema beim bevorstehenden Ärztetag. Was jetzt also tun? Der Hausarztberuf soll besser vergütet und insgesamt attraktiver werden. Das fängt beim generellen Image an: Auch die Ärzte redeten ihren Kindern jetzt nicht mehr ein, dass sie keine Niedergelassenen werden sollten. Die Einstellung der Ärzteschaft zum Landarzt habe sich grundsätzlich geändert.

Auch für die früher oft nur mühsam mögliche Fortbildung wird mehr getan: Die Bildung sogenannter naher Kompetenzzentren ist Pflicht. Dazu eröffnen Internet und Digitalisierung neue Möglichkeiten: Patienten sollen - ein Modell-Projekt - über Internet, Chat und und Telefon diagnostiziert und fernbehandelt werden können

Einzelpraxen können zudem jetzt auch an medizinische Versorgungszentren mit mehreren Ärzten verkauft werden. Das heißt, dass jungen Ärzte, die nicht mehr rund um die Uhr arbeiten möchten, Angestellte bleiben können. Bei 150 000 Praxen im Land haben demnach mittlerweile 30 000 angestellte Ärzte. .Vor wenigen Jahren lag diese Zahl noch  bei 2000.

Mit diesem Modell ist zukünftig auch jenseits der Klinik Teizeitarbeit auf dem Land möglich - und  für Ärzte ein normales Familienleben. Der klassische Rund-um-die Uhr-Landarzt,der jederzeit verfügbar ist, ist eher ein Auslaufmodell.

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