Ausgrabung Sülchenkirche | Bildquelle: RTF.1

Rottenburg:

Übergang vom Heidentum zum Christentum: Landesweit einmalige Entdeckung in der Sülchenkirche

Stand: 22.08.14 19:48 Uhr

Meistens ist es der Zufall, der die schönsten Blüten treibt und die aufregendsten Begegnungen erlaubt. Eine solche hatten auch die Archäologen, die bei einer Untersuchung im Zuge von Sanierungsarbeiten in der Rottenburger Sülchenkirche auf Mauerreste eines Vorgängerbaus aus dem 8./9. Jahrhundert gestoßen sind. Das war vor rund zwei Jahren. Seither befördern die Ausgräber immer neue Überraschungen zu Tage. Die neuesten Funde belegen bisher landesweit Einmaliges.

Von außen eine ganz normale Kirche, doch wenn man die Friedhofskapelle betritt, erinnert nichts mehr an ein Gotteshaus. Im Inneren des entkernten Gebäudes herrscht reges archäologisches Treiben. Neben Grundmauerresten aus den unterschiedlichsten Epochen haben die Ausgräber mittlerweile 175 Bestattungen freigelegt, und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Die ältesten Gräber stammen aus der Zeit um 600 nach Christus und noch heute werden auf dem Sülchenfriedhof um die Kirche Menschen beigesetzt – rund 1500 Jahre ununterbrochene Bestattungstradition – landesweit bisher einmalig.Normalerweise habe man mit der Christianisierung die Friedhöfe, die vorherigen Friedhöfe aufgegeben und neue Friedhöfe bei den Kirchen angelegt, erklärt Beate Schmid von der Denkmalpflege des Regierungspräsidiums Tübingen. Und in Rottenburg sei andersrum die Kirche auf den vorhandenen Friedhof gestellt worden, was schon mal eine Besonderheit sei. Dadurch hätte es im Frühmittelalter keine Unterbrechung der Bestattungskontinuität gegeben.

Und die ist – wie es aussieht – wohl durchgehend christlich geprägt. Zu dieser Zeit bei den Alamannen nicht selbstverständlich. „Schuld" sind wohl die Franken. Denn die – das ist historisch belegt – waren schon seit dem 6. Jahrhundert Christen.

Es gäbe ein paar konkrete Beispiele, die zeigen würden, dass es diesen Kontakt zu den Franken gegeben hätte, erklärt Schmid. Das eine seien die Steinkistengräber, die auf keiner alemannischen Grabsitte, sondern einer fränkischen fußten. Auch die Münzbeigabe auf dem Kinn eines Mädchens, das sei eine fränkische Sitte und keine alemannische und dann gäbe es genau bei diesem Mädchen auch noch einen Radkreuzanhänger, der möglicherweise als christliches Symbol gedeutet werden könne.

Für Bischof Gebhard Fürst sind die Funde kirchengeschichtlich hoch bedeutsam, weil man mit ihnen wirklich an die Zeit herankomme in der die Gegend um Rottenburg vom Heidentum zum Christentum langsam hinübergewachsen sei. Man stehe also an diesem Ort in der Sülchenkirche, wo man das Übergehen der Missionierung, der Christianisierung wirklich auch noch in den Funden sehen könne und das sei schon sehr beeindruckend.

Darum sollen die Funde – wenn sie ausgewertet sind – auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Wie und wo genau, steht aber noch nicht fest. Im Gespräch ist ein kleiner Museumstrakt neben der bischöflichen Grablege unter der Kirche. Doch die ist jetzt bis Ende des Jahres erst nochmal „archäologisches Sperrgebiet".

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