Ursula von der Leyen | Bildquelle: RTF.1

Stuttgart:

GETEX-Übung: Polizei und Bundeswehr proben erstmals gemeinsam "katastrophische Terrorlage"

Stand: 10.03.17 09:14 Uhr

An einem deutschen Hauptbahnhof wird eine bewaffnete Person festgenommen - im Gepäck: chemische Kampfstoffe und eine Bombe. Wenig später gibt es Geiselnahmen in zwei Schulen, ein Selbstmordattentat auf einen Flughafen - und vergiftetes Trinkwasser. Und das alles in mehreren Städten zur gleichen Zeit. "Das Undenkbare denken" - so der Name der ersten gemeinsamen Rahmenstabsübung von Polizei, Bundeswehr und Katastrophenschutz, die von Dienstag bis zum heutigen Donnerstag über die Bühne ging. GETEX soll den Staat auf Szenarien vorbereiten, die angesichts der Pariser Anschläge oder die Pläne der islamistischen Sauerlandgruppe gar nicht so undenkbar sind .Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl und Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen haben bereits gestern in Stuttgart eine vorläufige Bilanz gezogen.

Polizei und Bundeswehr gemeinsam im Einsatz: Die Bundeswehr als Verstärkung im Inneren, wenn die Polizei bei einer "katastrophischen" länderübergreifender terroristischen Gefahrenlage überfordert ist. Und unter deren Leitung. Drei Tage lang wurden die dabei notwendigen Kommunikationsprozesse und Entscheidungswege am grünen Tisch, zwischen dem Bund und sieben teilnehmenden Bundesländern, an Computern und Telefonen durchgespielt - ohne einen einzigen Polizisten oder Soldaten auf der Straße.

 

Was Kritiker als eine Einfallschneise für Bundeswehreinsätze im Inneren brandmarken, ist aus Sicht des baden-württembergischen Innenministers Thomas Strobl und Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen ein unumgänglicher Test für neue Gefahrenlagen in der heutigen Zeit: Dies sei "ein historischer Tag", so Strobl, "Gott sei Dank machen wir diese Übung".

Der Baden-württembergische Innenminister, der zuvor Staatssekretär im Bundesinnenministerium war, ist seit Jahren einer der konzeptionellen Vordenker der Möglichkeit eines Bundeswehreinsatzes im Inneren, für den Fall, dass es "katastrophische Terrorlagen" geben sollte ; solche Einsätze sind bereits jetzt, in spezifischen Fällen, möglich. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Die Bundeswehr kann dann von der Polizei  und unter deren Leitung zu Hilfe gerufen werden.

Das jetzt durchgespielt Krisenszenario hat sich dabei durchaus an realen Vorfällen orientiert. Bei den großen islamistischen Terroranschlägen in Paris und Brüssel hatten auch die dortigen Behörden militärisches Know How mit eingebunden. Neu war dort, dass Terroristen selbst mit Kriegswaffen wie Maschinengewehren oder Bomben agieren. Auch der Einsatz chemischer Kampfstoffe oder der Bau von Sprengfallen wird von Experten längst für möglich gehalten.  Denkbar ist durchaus auch, dass Verletzte aus einer Situation "unter Beschuss" geborgen werden müssen. Entsprechend Fahrzeuge, wie Bergungspanzer, hat die Polizei indessen nicht. Ebenso wenig die Erfahrung bei der Bergung von Verletzten, die die Bundeswehr bei ihren Auslandseinsätzen regelmäßig sammelt. Dasselbe gilt für die Entschärfung von Sprengfallen.

Eine solche Kooperation in schlimmsten Krisenfällen befürwortet deshalb auch die Bundesverteidigungsministerin. Es sei sinnvoll, so Ursula von der Leyen, "wenn die Bundeswehr mit ihren spezifischen Möglichkeiten zu Hilfe gerufen wird".  Sie teile zudem die Überzeugung, dass das "unser Rechtssystem zu lässt".

Strobl gibt sich überzeugt, dass die Übung auch Kritiker Überzeugen konnte. Man habe "sehr, sehr wichtige Erkenntnisse gewonnen". Es habe sich auch gezeigt,  "dass man "das krisenmanagement von Bund und Ländern" dringend auch durchspielen müsse. Damit, falls das Undenkbare denkbar würde, alles reibungslos und schnell verlaufe.

Man habe, so Strobl weiter,  die Verpflichtung für größtmögliche Stabilität und Sicherheit der Bürger zu sorgen. Dazu müssten alle Kräfte und aktivierbaren Potenzialen von Polizei, Bundeswehr und Bevölkerungsschutz nahtlos  ineinander greifen.

Jetzt sollen Nach-Analysen Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen. Reale Übungen, betonen Strobl und Von der Leyen seien nicht geplant.

Kritiker befürchten indes: die Übung könne das Einfallstor für eine in Zukunft geplant Gesetzesänderung sein: Die Ausnahme, so die konkrete Befürchtung,  würde dann zum Regelfall.

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