Innenminister Thomas Strobl | Bildquelle: RTF.1

Stuttgart:

Wie auf Erdogans Provokationen reagieren? So denken Politiker aus dem Land und der Region

Stand: 08.03.17 09:29 Uhr

Sollen türkische Politiker auf deutschem Boden wahlkampf machen dürfen - oder nicht? Und wie soll Deutschland mit den sich beständig steigernden Provokationen des türkischen Ministerpräsidenten Recip Erdogan umgehen, der die Tükei aus Sicht vieler über ein Verfassungsreferendum in Richung Diktatur schieben will? Diese Frage beschäftigt derzeit auch die Politiker die Politiker und Parteien im Land und in der Region. Das Fazit: einfache Antworten gibt es nicht.


Eine türkische Moschee-Gemeinde in Reutlingen beim Fastenbrechen. Auch sie können in rund einem Monat darüber abstimmen, ob die Türkei zu einem Präsidialsystem, zugeschnitten auf den jetzigen Präsidenten Recip Erdogan, werden soll, der dann fast alle Fäden der staatlichen Gewalten in seiner Hand hielte und praktisch per Dekret regierte. Ein System, das viele für näher an einer Diktatur als an einer Demokratie angesiedelt halten. Die Deutsch-Türken könnten dabei das Zünglein an der Waage sein.

Soll die Politik dem türkischen Ministerpräsidenten und seinen Ministern also Rederecht zur Werbung für eine umstrittene Gesetzesreform einräumen? Zumal Erdogan mittlerweile bereits nahezu alle oppositionellen Kräfte aus Ämtern entlassen, angebliche Gegner als Putschisten in Gefängnisse stecken und rund 100 Journalisten in U-Haft nehmen, Sender schließen und Zeitungen verbieten ließ?

Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl begrüßt, dass Auftritte wie in Gaggenau durch Kommunen über das Versammlungsrecht verhindert wurden: Das sei eine Entscheidung, hinter der er "stehe und die ich für richtig halte und die von der Stadt in eigener Verantwortung getroffen worden ist".

Grade aber hier setzt Kritik gegenüber der deutschen Politik an. Diese, so Kritiker, ducke sich feige weg vor einer politischen Entscheidung  und schiebe die  Verantwortung an die Kommunen. Erdogan hatte die Rede-Absagen gestern als Nazi-Methoden kritisiert.

Für Strobl der "Versuch", nicht nur einen Keil zwischen  die Deutschen und die Deutsch-Türken zu treiben. Dieser wolle vielmehr auch "die türkische Community" selbst spalten. Das passe zu dem wenige Jahre alten Aufruf an die Deutsch-Türken, "sich hier nicht zu integrieren". Das zu verlangen hatte Erdogan damals als "Völkermord" bezeichnet. Dieses Vorgehen, so Strobl, könne der deutschen Politik in Bund, Land und Kommunen "nicht egal sein". Das laufe "den Integrationsbemühungen zuwider".

Türkische Oppositionelle warnen indessen aber andererseits davor : mit Verboten spiele man dem Autokraten in Ankara in die Hände. So könne dieser sich und die Türkei in einer Opferrolle inszenieren. Für Strobl aber dürfen "solche  innertürkischen Überlegungen nicht vorrangig sein". 

Gegen Auftritte spräche auch, dass die Türkei im Fall der Kundgebungsversuche  wie in Gaggenau, Köln oder Hamburg " falsche Tatsachen" vorgespielt habe ". "Auf der Nase herumtanzen" lasse man sich nicht, so Strobl. "Spielregeln gelten für alle". Auftritte generell verhindern solle man nicht.

Das sieht auch Karl-Wilhelm Röhm so. Der Landtagsabgeordnete und stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende meint aber: "Wenn sichergestellt wäre, dass die andere Seite auch zu Wort käme, dann müssten wir es akzeptieren. Aber wir müssten dann der Gegenseite auch ein Forum bieten". 

Auch für den grünen Landtagsabgeordneten Thomas Poreski steht fest: Solche Auftritte grundsätzlich zu verbieten, sei schwierig. Schließlich müsse die Meinungs- und Redefreiheit für alle gelten. Allerdings sei es in der aktuellen Lage, in der die Opposition mit Repressionen  niedergehalten werde und in der für eine die türkische Demokratie bedrohende Reform geworben werde, "eine sehr unglückliche Situation".

Nicht die Länder, nur Berlin selbst hätte die Möglichkeit, Rede-Auftritte zu verhindern. Dort aber scheut man die Waffe des Einreise- oder Redeverbots - und deren Wirkungen.

Auftritte türkischer Regierungsmitglieder in Deutschland – so heißt es in einer Erklärung heute – seien innerhalb des Rechts und der Gesetze möglich, sofern sie ordnungsgemäß, rechtzeitig und "mit offenem Visier" angekündigt und genehmigt seien. So sei das eben, in einer funktionierenden Demkoratie.

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