Neues Schloss, Stuttgart, am Mittwoch. Punkt 15 Uhr Die Frau, die viele für die Mächtigste in Europa und die weltweit wichtigste Politikerin halten, auf dem Weg zu einer ganz besonderen Preisverleihung: Für ihre Zivilcourage beim Öffnen der Grenzen für Flüchtlinge im Sommer 2015 und für den Satz, dass das Asylrecht keine Obergrenzen kenne, wird Merkel gleich den Eugen-Bolz-Preis erhalten.
Der von den Nationalsozialisten im Rahmen des Putschversuchs am 20. Juli 1944 hingerichtete, ehemalige württembergische Staatspräsident hatte, als überzeugter Christ und Demokrat, offen Widerstand gegen die heraufziehende Bedrohung durch die rechtsnationalistische NSDAP gemacht.
Bedingungsloses Einstehen auf der Basis christlich- mitmenschlicher Überzeugungen, koste es, was es wolle – auch gegen den Strom einer überwältigenden Meinungsmehrheit: -, auch dafür wird Merkel an diesem Tag geehrt.
Bolz, so der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann als Laudator, habe "gegen ernste Widerstände" immer an seinen Überzeugungen festgehalten. er sei "unerschrocken" für Freiheit und Menschenwürde eingetreten. Dabei habe ihn der Gedanke geleitet dass sich "der christliche Glaube auch im politischen Handeln" auswirken müsse.Und hier sei eine Verbindung zu Angela Merkel zu ziehen.
Auch der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, würdigt Merkel in dieser Weise, deren Eintreten für Menschen auf der Flucht. Merkel betone "deutlich" immer wieder, "dass für Nationalismus, Engstirnigkeit und Fremdenfeindlichkeit" in diesem Land "kein Platz ist".
Das gelte besonders deshalb, weil Merkel an ihren Überzeugungen auch in einer Zeit festhalte, in der autoritäre, nationalistisch und populistische ausgerichtete Bewegungen immer stärker aufkommen und nicht nur in Europa, sondern mit Donald Trump auch in den USA den Regierungschef stellen.
Der mit Merkel seit langem verbundene Kölner Kardinal Reinhard Marx nennt sie dann gar, in Bezug auf ein Zitat der New York Times", "die letzte Verteidigerin des liberalen Westen", nach dem in den USA jetzt Trump die Amtsgeschäfte führt.
In ihrer Dankesrede bleibt Merkel vage. Auf ihre höchst umstrittene Flüchtlingsentscheidung, von der viele sagen, sie habe der AfD den Weg nach oben und der CDU den Weg nach unten bereitet und Deutschland in Europa isoliert, geht die Bundeskanzlerin nur indirekt ein: Sie beschwört dessen Einheit, die unumgänglich sein, um Frieden zu bewahren. Das gelte bei vielen Themen, aber auch bei der Behandlung und Verteilung derer, die dort Zuflucht suchten. Entscheidend sei, dass es bald gemeinsame Antworten brauche, so Merkel. Man stehe in der Verantwortung, Europas Bedeutung zu erhalten. Es brauche konkrete Ergebnisse
Einige Minuten verweilt Merkel dann noch beim Small-Talk mit Anwesenden. Beim Essen darf die Kanzlerin nicht gefilmt werden. Dann ist es Zeit, der nächste Termin ruft, und die mächtigste Frau Europas rauscht im Tross ihrer Security-Begleiter wieder in Richtung Berlin davon.
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