Laut Statistischem Bundesamt verursachen Beschwerden am Muskel- und Skelettsystem hierzulande rund elf Prozent aller Krankheitskosten. Rund 85 Prozent der Deutschen haben mindestens einmal im Leben Rückenschmerzen. Jede zweite Frau und jeder dritte Mann im Alter von 70 bis 79 Jahren hat Arthrose; jede vierte Frau eine Osteoporose. Bei den meisten Betroffenen ist ein operativer Eingriff nicht angezeigt – stattdessen kommen konservative Verfahren wie Medikamente, manuelle Medizin, Schmerz- oder Physiotherapie zum Einsatz. „Durch die steigenden Erkrankungszahlen haben vor allem die niedergelassenen Orthopäden und Unfallchirurgen einen gewaltigen Versorgungsauftrag, der mit der alternden Gesellschaft in Zukunft noch weiter wachsen wird", sagt Dr. med. Manfred Neubert, Kongresspräsident des DKOU 2016.
Mithilfe konservativer Behandlungsmethoden können Orthopäden erfolgreich und risikoarm Schmerzen lindern, Beweglichkeit und Lebensqualität verbessern oder das Fortschreiten von Erkrankungen bremsen. Darum sollte diesen Verfahren ein höherer Stellenwert zukommen, betont Neubert im Vorfeld des DKOU. „Konservative Verfahren erfordern eine sehr gute Ausbildung des Orthopäden und Unfallchirurgen und intensive Zusammenarbeit mit dem Patienten – beides wird durch das Gesundheitssystem aktuell nicht ausreichend vergütet", so Neubert. Auch in der medizinischen Ausbildung müsste der konservativen Therapie mehr Raum gegeben werden. Es dürften nicht nur die „großen Eingriffe" im Mittelpunkt stehen. „Wer seinen Patienten die bestmögliche Behandlung bieten will, darf nicht nur lernen, gut zu operieren, sondern muss das gesamte Spektrum der nicht-chirurgischen Möglichkeiten kennen und anwenden können", sagt der Experte.
Für den Erfolg der Therapie ist der stetige Austausch mit dem Patienten entscheidend, weiß Neubert. Seine Bedürfnisse sowie seine momentane Lebenssituation sind ausschlaggebend für die Wahl der besten Behandlung. „Anders als bei den meisten anderen Erkrankungen gibt es für Arthrose oder Rückenschmerz keine Laborbefunde, anhand derer sich eine bestimmte Behandlung verordnen lässt – auch Röntgenbilder sind nicht eindeutig", sagt der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie am Sonneberger Orthopädiezentrum in Bremen. Schmerzen, Beweglichkeit und Einschränkung der Lebensqualität sind vom persönlichen Empfinden abhängig. Diese Kriterien entscheiden, welche individuellen Behandlungsmaßnahmen angezeigt sind und wann nach Ausschöpfen der konservativen Möglichkeiten doch eine Operation nötig wird.
Da die Daten über konservative Therapieverfahren in Orthopädie und Unfallchirurgie in Deutschland momentan nicht vollständig aufgearbeitet sind und deswegen evidenzbasierte Erkenntnisse zur Evaluation der konservativen Therapie in Deutschland fehlen, wird vom BVOU und den Fachgesellschaften ein Weißbuch zur konservativen Therapie, analog dem Weißbuch Gelenkersatz, erarbeitet, das auf dem DKOU 2017 vorgestellt werden soll. Damit würde sich erstmals eine standardisierte Datenlage in diesem Versorgungsbereich ergeben. Welche konservativen Verfahren bei welchen Beschwerden infrage kommen und wann die Operation unvermeidbar ist, diskutieren Experten auf einer Pressekonferenz im Vorfeld des DKOU 2016 am 18. Oktober in Berlin.
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