Hans-Georg Wehling | Bildquelle: RTF.1

Eningen u.a./ Tübingen:

Wie die Grünen: Tübinger Politikwissenschaftler Wehling über Erfolge und Zukunft der AfD

Stand: 18.09.16 20:51 Uhr

Nach monatelangen Streit und zahlreichen Turbulenzen scheint die AfD-Fraktion im Landtag kurz vor ihrer Wiedervereinigung zu stehen. Nicht nur im Stuttgarter Landtag präsentiert sich die neue politische Kraft indessen als tief gespalten - und wenig produktiv in parlamentarischen Fragen. Ein ähnliches Bild bietet sich auf Bundesebenene, wo ein Machtkampf zwischen rechtsnationalistischen und rechtskonservativen Kräften tobt . Bei den Wahlen scheint das der neuen Rechten nicht zu schaden. Doch wie sind die Wahlerfolge der neuen Rechtspartei einzuordnen? Wir haben dazu mit dem Tübinger Politologen Hans-Georg Wehling gesprochen. Wehling vergleicht die Situation der AfD dabei mit der Frühphase der Grünen.


Die alte und wahrscheinlich bald wieder gemeinsame AfD-Fraktion im Landtag. Landes- und Bundesparteichef Jörg Meuthen gelang es zunächst nicht, den Ausschluss des unter Antisemitismus-Vorwürfen stehenden Abgeordneten Wolfgang Gedeon mit zwei Drittel-Mehrheit durchzusetzen. In der Folge spaltete er sich mit 13 weiteren Abgeordneten ab.

Trotz Dauerstreits: in einer brandaktuellen Meinungsumfrage legt die AfD im Land sogar leicht zu; ein Phänomen, das der Tübinger Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling vor allem mit dem allmählichen Abrücken der Merkel-CDU in die Mitte erklärt – und deren Anspruch, dass es rechts von der CDU keine legitimen politischen Lösungen gebe.Rechts von der CDU sei "ein Raum entstanden, der von den überkommenen Parteien nicht gefüllt wird". Es dürfe durchaus auch rechts von der CDU Parteien geben, die "honorig" seien; hier habe man mit der AfD aber "ein Problem", weil die Partie dem nicht gerecht werde.

Die AfD beziehe sich in ihren Positionen auf die Positionen der Bundeskanzlerin; diese dominiere  ihre Partei mittlerweile inhaltlich uneingeschränkt. Die CDU habe in diesem Prozess ehemalige CDU-Positonen geräumt und die entsprechenden Köpfe, die dafür einmal standen, eingebüßt. Die AfD sei also in Entgegensetzung zu den Positionen der Merkel-CDU entstanden.

Die Kanzlerin habe ihre Krisen-Politik stets als "alternativlos" dargestellt  und gegen diese Behauptung habe sich dann die "alternative für Deutschland" AfD enzwickelt; damals, im Zuge der Euro- und der Euro-Schuldenkrise getragen vor allem von Volkswirtschaftsprofessoren, die der angeblich alternativen Wirtschafts- und Währungspolitik von Merkel eine Alternative entgegengehalten hätten.

Dieses Muster setze sich bis heute fort - von der Euro-Krise über die umstrittene Griechenland-Rettung, über eine angeblich alternativlose Europa-Konzeption bis hin zur Flüchtlingspolitik mit der Grenzöffnung, der "Welcome-" und der "Wir schaffen das" -Kultur.

Die alternativen Möglichkeiten dazu - glaubwürdig oder nicht - versuche die AfD zu verkörpern.  Dass rund 60 Prozent der AfD-Wähler in Mecklenburg-Vorpommern in einer Nachwahl-Befragung angaben, dass sie alternativ lieber die CSU gewählt hätten, erstaunt Wehling nicht. Da die CSU sich aber auf Bayern konzentriere, könne auch diese die Lücke nicht glaubhaft füllen.

Wohin die Reise der AfD indessen letztlich geht, ist aus Sicht Wehlings offen: Die Situation, in der sich die AfD derzeit befinde, erinnere stark an die Anfänge der Grünen; dort habe es damals genau so viel Streit, Flügelkämpfe und "genau so viele Spinner" gegeben. Jetzt müsse man abwarten, in welche Richtung und ob sich das kläre.

Es sei deshalb letztlich völlig offen, ob sich die Partei letztlich in positivem Sinne ausgäre;  ob sich der moderate Meuthen-Flügel durchsetze oder  eher die rechten und rechsextremen Gruppen wie der Thüringer Flügel. Der schlechteste Rat an die anderen Parteien ist aus Sicht Wehlings indessen, die AfD-Wähler pauschal in die rechte Ecke zu stellen.

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