Zucker | Bildquelle: Pixabay.com

Studie:

Mehr als jedes zweite Erfrischungsgetränk laut Foodwatch überzuckert - Das sind die Schlimmsten

Stand: 24.08.16 11:17 Uhr

Mehr als jedes zweite Erfrischungsgetränk in Deutschland ist überzuckert. Das ist das Ergebnis einer umfassenden Marktstudie der Verbraucherorganisation foodwatch. Demnach enthalten 274 von insgesamt 463 untersuchten Produkten (59 Prozent) mehr als fünf Prozent Zucker. In 171 Produkten (37 Prozent) stecken sogar mehr als acht Prozent Zucker, also sechseinhalb Stück Würfelzucker pro 250ml. Zuckergetränke mit einem Anteil von mehr als fünf Prozent gelten in Großbritannien als überzuckert. Für sie müssen Hersteller ab 2018 eine Abgabe zahlen. Als Anreiz für die Getränke-Industrie, den Zucker zu reduzieren, fordert foodwatch eine ähnliche Regelung auch für Deutschland.

"Erfrischungsgetränke machen nicht frisch, sondern krank. Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung die Hersteller mit einer Zucker-Abgabe in die Pflicht nimmt: Entweder reduzieren Pepsi, Coke & Co den Zuckergehalt drastisch, oder sie müssen sich an den milliardenschweren Gesundheitskosten beteiligen und Präventionsprogramme finanzieren", erklärte Oliver Huizinga von foodwatch.

foodwatch hat erstmals den deutschen Markt der sogenannten Erfrischungsgetränke umfassend untersucht und dafür alle entsprechenden Produkte aus dem Sortiment der drei größten Handelsketten unter die Lupe genommen. Getestet wurden Limonaden, Energy Drinks, Saftschorlen, Brausen, Eistees, Near-Water-Getränke und Fruchtsaftgetränke. Im Schnitt enthalten die zuckergesüßten Getränke mehr als sechs Stück Würfelzucker je 250ml. Energy Drinks und Limonaden rangieren ganz oben auf der Liste. Der Hersteller PepsiCo schneidet unter den Branchengrößen am schlechtesten ab: Seine Zuckergetränke enthalten im Schnitt elf Prozent Zucker.

"Flüssiger Zucker in Form von Getränken erhöht das Risiko für Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes und andere Krankheiten", sagte Prof. Dr. med. Wieland Kiess, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Leipzig, bei der Vorstellung der Studie am Mittwoch in Berlin. "Im internationalen Vergleich ist die Gesundheitspolitik in Deutschland mehr als zaghaft - andere Regierungen gehen die Fettleibigkeits-Epidemie viel konsequenter an."

Deutschland ist eines der Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an zuckergesüßten Getränken weltweit, mit mehr als 80 Liter pro Jahr. Aktuell sind etwa sechs Millionen Menschen in Deutschland an Typ-2-Diabetes erkrankt. Allein durch Adipositas entstehen in Deutschland jedes Jahr etwa 63 Milliarden Euro Folgekosten.

Die süßesten Limonaden sind "tem's Root Beer" des Herstellers temetum mit 13,4 Prozent Zucker, gefolgt von "Christinen Lemon" von Teutoburger Mineralbrunnen und "Mountain Dew" von PepsiCo. Das zuckrigste Getränk des gesamten Tests ist der Energy Drink "Rockstar Punched Energy + Guava" (PepsiCo) mit 16 Prozent Zucker - also 78 Gramm bzw. 26 Zuckerwürfeln je 500ml-Dose. Das ist drei Mal so viel, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) pro Tag empfiehlt - und 50 Prozent mehr als in der gleichen Menge Coca-Cola classic.

Aber auch Saftschorlen enthalten mehr Zucker als empfohlen, darunter die "fritz - spritz Bio - Traubensaftschorle" und die "Bio Shorly Rote Früchte" von Capri Sonne mit jeweils mehr als sieben Prozent. Während die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, Fruchtsaft und Wasser im Verhältnis 1:3 zu mischen, beträgt das Mischverhältnis bei den meisten getesteten Schorlen 1:1 - was einen höheren Zuckergehalt zur Folge hat. Dass es auch anders geht, zeigt hingegen der Hersteller Bad Liebenwerda mit der "Leichten Schorle Apfel", in der lediglich 3,3 Prozent Zucker stecken. Auch unter den vermeintlich gesunden Near-Water-Getränken gibt es Licht und Schatten: Während "Apollinaris Lemon" (Coca-Cola) und Bad Liebenwerda "Spritzig + Citro" keinen Zucker und auch keine Süßstoffe enthalten, stecken in "Active O2 Lemon" und "Active O2 Pfirsich Weißer Tee" mehr als 50 Gramm Zucker in einer 750ml-Flasche.

Lediglich 55 von 463 Getränken im Test sind zuckerfrei. Davon enthalten jedoch 89 Prozent Süßstoffe. Auch süßstoffgesüßte Getränke sind umstritten: Sie tragen zu einer Süßgewöhnung bei, die eine (zuckerreiche) Fehlernährung begünstigt und damit womöglich die Entstehung von Übergewicht und Typ-2-Diabetes fördert.

Neben einer zweckgebundenen Hersteller-Abgabe verlangt foodwatch eine verbraucherfreundliche Nährwertkennzeichnung in Ampelfarben sowie gesetzliche Beschränkungen der an Kinder gerichteten Werbung mit Sportidolen, Comicfiguren oder Spielzeugbeigaben.

 


 

Aus Sicht des Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL) präsentiert Foodwatch mit der Untersuchung zum Zuckergehalt von Erfrischungsgetränken und den daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen wie einer Zuckerabgabe erneut Scheinlösungen, die rein willkürlich sind und nicht zu einer Prävention von Übergewicht beitragen. BLL-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff erklärt: "Auch wenn Foodwatch hier offensichtlich ein Spiel mit Worten betreibt, ist auch eine Zuckerabgabe nichts anderes als eine Strafsteuer für Zucker, die jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt und die sozial Schwächere in unserer Gesellschaft im Endeffekt am meisten treffen wird. Zudem ist es für uns unerklärlich, wie man auf der einen Seite bei einem freiwilligen Engagement der Lebensmittelunternehmen im Bereich der Bewegungsmotivation und Sportförderung dieses verurteilt und als Feigenblatt diffamiert und auf der anderen Seite genau diese Unterstützung als Strafmaßnahme fordert." Die Zuckersteuer, wie sie beispielsweise in Großbritannien eingeführt wurde, ist allein deshalb eine willkürliche Maßnahme, da zwischen natürlichem und zugesetztem Zucker unterschieden wird, obwohl Zucker immer denselben Energiegehalt hat, nämlich vier Kilokalorien pro Gramm. Außerdem fehlt die eindeutige wissenschaftliche Grundlage, um "zu viel" Zucker zu definieren. Im Rahmen einer ausgewogenen und vielseitigen Ernährung ist jedes Lebensmittel in Maßen erlaubt, so natürlich auch Erfrischungsgetränke mit Zucker. Klar ist, dass ein zu viel nie gesund sein kann. Aber das gilt für alle Lebensmittel und alle Nährstoffe. Wie viel zu viel ist, hängt auch von jedem selbst ab, von den persönlichen Lebensumständen und Bedürfnissen, denn die Entstehung von Übergewicht ist komplex und multikausal bedingt. Die Lebensmittelbranche ist dafür verantwortlich, ein vielfältiges Angebot zu liefern, dass eine ausgewogene und individuelle Ernährung ermöglicht, z. B. im Falle der Erfrischungsgetränke zuckerreduzierte und zuckerfreie Varianten. Und sie ist dafür zuständig, über ihre Produkte transparent aufzuklären, z. B. durch die Informationen auf den Etiketten zu den Zutaten und Nährwerten. Minhoff erläutert: "Die Lebensmittelbranche engagiert sich auf verschiedene Art und Weise für einen gesunden Lebensstil, z. B. durch ein breites Produktangebot, durch Aufklärung und Information zu Nährstoffen und einer insgesamt ausgewogenen Lebensweise und eben auch durch die Förderung von sozialen oder sportlichen Projekten. Es gibt keinen erkennbaren Grund, diese gut funktionierende Freiwilligkeit aufzugeben." Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL): Der BLL ist der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft. Ihm gehören ca. 500 Verbände und Unternehmen der gesamten Lebensmittelkette - Industrie, Handel, Handwerk, Landwirtschaft und angrenzende Gebiete - sowie zahlreiche Einzelmitglieder an. OTS: BLL - Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V.

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