Archäologische Fundstücke | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Schlüsselfund am "Hohle Fels" - Steinzeit-HighTech: Vor 40.000 Jahren wurden so Seile hergestellt

Stand: 17.07.17 15:55 Uhr

Bei einer Ausgrabung im letzten Jahr wurde ein Werkzeug zur Seilherstellung entdeckt. Das Werkzeug stammt aus der Altsteinzeit und sei High Tech aus der Steinzeit. Auf einem Pressetermin auf Schloss Hohentübingen hat Prof. Conard nun die genaueren Hintergründe erläutert und erklärt. Das Fundstück gilt es erstes identifizierte Stück zur Seilherstellung, ähnliche Funde in der Vergangenheit konnten bisher nicht genau interpretiert werden. Mit dieser Entdeckung öffnen sich nun weitere Forschungsfelder.


Bislang wurden ähnliche Fundstücke als Musikinstrumente oder Kunstwerke interpretiert, sagte Professor Conard bei der Vorstellung des Fundstücks. Das Werkzeug war, in 15 Einzelteile zerfallen, bei den Grabungen in der Höhle "Hohle Fels" entdeckt worden. - knapp 3 Meter unter der Erde, in Planquadrat 31. Gefunden hat es Archäologin Laura Bauer, eine Mitarbeiterin in Conards Team.

"Ein extrem gut erhaltenes Stück!" charakterisiert Conard das gefundene Werkzeug: Die Platte ist 20,4 cm lang, und aus Mammut-Elfenbein. Auf der länglichen Platte sind 4 Löcher in einer Reihe angeordnet. Jedes Loch besitzt  6 kleine Kerben, die spiralförmig auf das Loch zulaufen.

Durch die 6 Löcher wurden immer wieder Pflanzenfasern gesteckt. Anschließend wurde das Werkstück fortlaufend um die eigene Achse gedreht und nach hinten gezogen, so dass vorne ein Seil entstand. Ein Archäologenteam aus Lüttich um Dr. Veerle Rots hat in verschiedenen Tests diese Funktionsweise bestätigt.

Das erste identifizierte Stück zur Seilherstellung, ein Lochstab, ist für Archäologen überall auf der Welt ein Schlüsselfund: "Hier haben wir zum ersten Mal entziffert, dass es  [in der Altsteinzeit]  durchaus systematische Herstellung gab", so Conard. Der Archäologe geht mit der Charakterisierung des Werkzeugs aber noch einen Schritt weiter: 

"Aus meiner Sicht ist es ganz klar, dass wir [es] hier mit  - für Steinzeitverhältnisse - High Tech zu tun haben", sagte Conard. Man müsse sich vorstellen, dass die Menschen damals, vor 40.000 Jahren, genau so schlau waren, wie wir, sagte Professor Conard und verwies auf seinen amerikanischen Kollegen Shen Hsueh aus New York: Dieser habe gesagt: Die einfachste Möglichkeit, in der Urgeschichte Unrecht zu haben, sei es, die vergangenen Menschen zu unterschätzen: "Die waren genau so schlau wie wir - und wir sehen immer nur ein Bruchteil von der Gesamtheit!", fasst Conard zusammen.

Der Fund eröffne, habe ihm ein Kollege gesagt, "ein Universum von künftigen Forschungsthemen für die Archäobotanik". Die Fachwelt sei begeistert von dem neuen Fund.

Der "Hohle Fels" liegt auf der Schwäbischen Alb in der Nähe von Schelklingen im Alb-Donau-Kreis. Die Karsthöhle zählt zu den bedeutendsten Fundplätzen der Jungsteinzeit, also des Jungpaläolithikums. Das Team um Professor Conard von der Universität Tübingen hat in der Höhle in den vergangenen Jahren Funde gemacht, die zu den bedeutendsten Entdeckungen ihrer Art in Mitteleuropa zählen. 

Als Fund des Jahres ist das jetzt gefundene Stück bereits für die Öffentlichkeit zu sehen - im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren. Conard ist dort auch wissenschaftlicher Direktor. 

Professor Nicholas Conard ist außerdem Direktor der Abteilung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Eberhard Karls Universität Tübingen.

Publikation:

Nicholas J. Conard, Maria Malina: „Außergewöhnliche neue Funde aus den aurignacienzeitlichen Schichten vom Hohle Fels bei Schelklingen." Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, S. 61-66, 22 Juli 2016.

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