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Türkei / Ankara:

Militärputsch in der Türkei - Militär: "Wir haben die Macht übernommen!"

Stand: 29.01.19 18:27 Uhr

15.07.2016. In der Türkei ist ein Putsch der Streitkräfte gegen die Erdogan-Regierung im Gange. Die Streitkräfte haben das Kriegsrecht ausgerufen. Während der türkische Ministerpräsident erklärt, die Putschisten würden "den höchsten Preis zahlen", meldet das türkische Militär: "Wir haben die Macht übernommen!" Auf den Straßen. und vor den Flughäfen patroullieren Panzer. Das Parlament ist ebednfalls von Panzern umstellt. In einer Erklärung sagte das Militär, man wolle Rechtsstaat, Verfassung und Pressefreiheit wieder herstellen. In Istanbul ist die Bosporus-Brücke und die Fatih Sultan Mehmet-Brücke von der europäischen auf die asiatische Seite gesperrt und wird von Militär kontrolliert. Wir aktualisieren diesen Artikel fortlaufend!

Dieser Artikel gibt den Stand der Dinge in der Nacht vom Freitag, 15.07.2016 auf Samstag, 16.07.2016, wieder. Die Entwicklung vom Samstag, 16.07.2016 finden sie hier  und hier!

Militär ruft Kriegsrecht aus

Der staatliche türkische TV-Sender TRT wurde Medienberichten zufolge vom Militär unter Kontrolle gebracht. In einer verlesenen Meldung wurde außerdem mitgeteilt, dass das Militär das Kriegsrecht ausgerufen habe.

Die private Nachrichtenagentur DHA veröffentlichte eine Verlautbarung der neuen Militärregierung. Demnach hätte die bisherige Regierung das Land "mit ideologischen Motiven" regiert und sei nicht in der Lage gewesen, das Land zu führen.  Deshalb habe man zum Wohle der Bürger der Republik Türkei die Macht übernommen, heißt es in der Erklärung.

Streitkräfte wollen für Wiederherstellung von Verfassung, Menschenrechte und Demokratie sorgen

Das türkische Militär teilte CNN Türk zufolge mit: "Die türkischen Streitkräfte werden für die Wiederherstellung der Menschenrechte, die Verfassungsordnung, der Demokratie sorgen." Es gehe dabei um die Freiheiten und Einrichtungen, "die entscheidend für die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit im Land sind. " Auch die öffentliche Sicherheit, die unter der Erdogan-Regierung zertört worden sei, werde wieder hergestellt.

Weiter heißt es: " Alle unsere internationalen Vereinbarungen und Verpflichtungen bleiben gültig . wir hoffen , dass wir unsere guten Beziehungen mit allen Ländern der Welt fortsetzen können."

Der >Nachrichtenagentur DHA zufolge hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren "wegen Verletzung der Verfaassung" eingeleitet. Bislang ist unklar, ob gegen die putschenden Streitkräfte oder  die bisherige Regierung Erdogan ermittelt wird.

Kampfflugzeuge über Ankara - Panzer auf den Straßen

Die amerikanische Botschaft in Ankara meldete CNN zufolge Kampfflugzeuge des Türkischen Militärs, die eine Stunde lang im Tiefflug über Ankara geflogen sind. Ob Regierung oder Militär derzeit die Oberhand haben, ist aktuell unklar:

Generalstabschef Gen. Hulusi Akar wurde CNN Türk zufolge von den putschenden Streitkräften festgesetzt,; neben Akar seien auch einige Soldaten als Soldaten Geiseln genommen worden. Im Generalstab sei es zu einem Schusswechsel gekommen.

In den großen Städten befinden sich Panzer auf den Straßen und vor den Flughäfen. Der Flugverkehr sei eingestellt, die Flughäfen vom Militär abgeriegelt. Das türkische Parlament sei von Panzern umstellt und von einer Bombe getroffen.

Sämtliche Polizisten in Ankara wurden in den Dienst beordert. In Istanbul ist die Brücke über den Bosporus und die Fatih Sultan Mehmet-Brücke vom europäischen in den Asiatischen Teil gesperrt und wird von Militär kontrolliert. Derzeit werde der Verkehr nur einseitig vom europäischen in den asiatischen Teil zugelassen.

Heftige Vorwürfe gegen bisherige AKP-Regierung

Regierungskritiker werfen der türkischen Regierung seit einiger Zeit eine schleichende Machtübernahme, eine Islamisierung und die Installation eines autoritären Regimes vor: Vor einigen Wochen hatte das türkische Parlament einer Gesetzesvorlage der regierenden AKP zugestimmt, nachdem eine große Anzahl von Parlamentsabgeordneten ihre Immunität verlieren, und so ggf. aus dem Parlament ausgeschlossen werden können.

Opposition: Erdogan wollte die parlamentarische Mehrheit durch die Hintertür

Dies betrifft vor allem Abgeordnete der pro-kurdischen Opposition, aber auch Abgeordnete der anderen Parteien einschließlich der Regierungspartei AKP. Oppositionspolitiker sehen darin eine zielgerichtete Strategie der regierenden AKP: Da die betreffenden Parlamentssitze von den Parteien nicht mit einem Nachrücker besetzt werden dürfen, könnte Erdogan auf diese Weise die lang ersehnte, und bei den vergangenen zwei Wahlen verfehlte absolute Mehrheit im Parlament bekommen. Dann stünde, so fürchten Oppositionspolitiker, der von Erdogan angestrebte Umbau der Türkei zu einem autoritären Präsidialsystem bevor.

Maulkorb für die Presse. Unliebsame Journalisten kamen in Haft

Der türkischen Regierung unter Erdogan wird zudem eine massive Einschränkung der Pressefreiheit vorgeworfen: Missliebige Journalisten seien unter Anklage gestellt und ins Gefängnis gesteckt worden. Regierungskritische Zeitungen und TV-Sender seien mit Strafverfahren überzogen worden, und enteignet oder unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt worden.

Dies könnte kemalistische Kräfte im türkischen Militär zu einem Militärputsch gebracht haben. Staatsgründer Atatürk hatte die Türkei westlich ausgerichtet, und religiöse Symbole, wie das Kopftuchtragen, untersagt.

"Säuberungen" von Justiz, Streitkräfte und Polizei durch Erdogan

Erdogan hatte in den vergangenen Jahren zudem massive Säuberungen in Polizei, Militär und Justiz durchgeführt und unliebsame Richtger, Staatsanwälte, Militärs und Polizisten ihren Ämtern enthoben. 

Nachdem das Türkische Verfassungsgericht vor wenigen Monaten eine für Erdogan unliebsame entscheidung getroffen hatte, hatte Erdogan für den Wiederholungsfakll mit der Auflösung des Verfassungsgerichets gedroht.

Zudem ging Erdogan in den vergangenen Jahren auch massiv gegen die Organisation seines früheren Verbündeten Gülen vor. Die Regierungspartei AKP sieht jetzt auch die Gülen-Bewegung als treibende Kraft hinter dem Militärputsch.

Verquickung von Regierung und persönlichen Interessen

Erdogan wird auch eine Verquickung von Regierungsamt und familiären wirtschaftlichen Interessen vorgeworfen.  So wurde Erdogans Schwiegersohn als Energie-Minister in die Regierung berufen. Eine Untersuchung gegen Erdogans Familie wegen Korruptionsvorwürfen wurde von Erdogan vor einigen Jahren durch massiven Druck auf Staatswanwaltschaft und Justiz niedergeschlagen.

Wo ist Präsident Erdogan?

Der vom Militär offensichtlich abgesetzte Staatspräsident Erdogan meldete sich mittlerweile über ein Telefonat via Handy-Video  auf dem Sender CNN Türk zu Wort:. Er sei weiterhin der Präsident des Landes und Chef der Armee, so Erdogan. Er rief  die Menschen auf, gegen den Militärputsch aufzustehen und sich auf öffentlichen Plätzen und an Flughäfen zu versammeln. "Ich komme nach Ankara", sagte Erdogan via FaceTime auf CNN Türk. Er werde dort auf einem Platz sprechen. 

Erdogan befand sich zum Zeitpunkt des Putsches im Urlaub im Grand Yazici Mares Hotel in Marmaris. Medienberichten zufolge hat Erdogan angekündigt, sich zurück nach Ankara zu begeben.

Aus Kreisen der bis vor dem Putsch regierenden AKP hieß es, Erdogan sei "in Sicherheit". Eine von der türkischen Nachrichtenagentur DHA veröffentlichte Flug-Trackingkarte zeigt ein Flugzeug, bei dem es sich den Angaben zufolge um die Maschine des Staatspräsidenten handeln soll, über dem Marmara-Meer. Erdogan ist CNN Türk zufolge  mit einer Gulfstream G450 (TC-ATA) unterwegs. Da Flugzeug bleibe in der Luft, da eine Landung in Ankara derzeit nicht sicher sei. Die Flugroute führte laut Flighttrackingkarte von Marmari über Istanbul, dann übers Marmara-Meer und von dort Richtung türkisches Festland auf die Stadt Pendik zu. 

Ministerpräsident: Putschisten werden "den höchsten Preis" zahlen

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildrim sagte, einige Militäreinheiten hätten einen Putschversuch gestartet. Diesen werde man aber unterbinden. Die Verantwortlichen würden "den höchsten Preis" zahlen. Erst jüngst war es auf Betreiben Erdogans zu einem Wechsel auf dem Posten des Ministerpräsidenten gekommen. Zwischen dessen Vorgänger und Erdogan war es zuvor zu massiven Meinungsverschiedenheiten, auch über die Einführung eines PRäsidialsystems, gekommen.

Militär: "Wir haben die Macht übernommen!"

Nachdem die Lage zunächst verworren war und unklar war, ob Regierung oder Streitkräfte die Oberhand gewinnen würden, zeichnet sich gegen Mitternacht auf Basis der eingehenden Meldungen ab, dass der Putsch der Streitkräfte erfolgreich war. Das türkische Militär hat Medienberichten zufolge bekannt geben: "Wir haben die Macht übernommen!"

Deutsche in der Türkei

Über die Lage der Deutschen, insbesondere der deutschen Urlauber, die sich derzeit in der Türkei befinden, und über mögliche Evakuierungs- oder Rückholmaßnahmen, ist bislang nichts bekannt.

In der Nacht (Stand 16.07.2015 - 01:45) ) hat das Auswärtige Amt seine Reise- und Sicherheitshinweise hinsichtlich des Militärputsches wie folgt aktualisiert: "Am Abend des 15. Juli 2016 kam es in Ankara und Istanbul zu starker Militärpräsenz und dem Einsatz von Schusswaffen. Vertreter von Militär und Regierung sprachen gegenüber den Medien von einem Putschversuch. Zur Stunde ist die Lage noch unklar. Reisenden in Istanbul und Ankara wird zu äußerster Vorsicht geraten. Dies gilt insbesondere auf öffentlichen Plätzen und für Menschenansammlungen.

Bei unklarer Lage wird geraten, Wohnungen und Hotels im Zweifel nicht zu verlassen und die Medienberichterstattung aufmerksam zu verfolgen. Der Flughafen Istanbul Atatürk (IST) wurde vorübergehend geschlossen. Reisenden wird geraten, Kontakt mit ihrem Reiseveranstalter oder ihrer Fluglinie aufzunehmen."

Aus anderen Teilen der Türkei lägen dem Auswärtigen Amt zufolge  "bislang keine vergleichbaren Meldungen vor. 

Die Lufthansa hat einem Sprecher zufolge alle Flüge in die Trkei gestrichen. Ein Flugzeug, das in der Nacht Richtung Türkei unterwegs war, sei zurück nach Frankfurt beordert werden. Außedem seien auch die Abflüge von Maschinen n in der Türkei gestrichen.

Aktuellere Meldungen zum Fluigverkehr mit der Türkei finden Sie hier!

HPD ist gegen Putsch

"Wir sind grundsätzlich gegen jede Form eines Putsches", wird die pro-kurdische Oppositionspartei HDP auf twitter zitiert. Medienberichten zufolge haben sich neben der regierenden AKP und der HDP auch die beiden anderen Oppositionsparteien gegen den Militärputsch ausgesprochen.

Blutige Zusammenstöße

Gegen 1 Uhr Nachts werden blutige Zusammenstöße zwischen Armee und Pro-AKP-Demonstranten gemeldet. Bislang sei ein Mensch erschossen worden; 5 seien verletzt worden. Außerdem wird von Angriffen der Armee per Hubschrauber auf Polizeistationen berichtet. In den großen Städten seien tausende von Menschen auf den Straßen. Dabei handele es sich sowohl um Unterstützer der putschenden Streitkräfte, als auch um Unterstützer des Erdogan-Regimes.

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