Integrationsprojekt für Flüchtlinge | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Schritt für Schritt: Asylzentrum und kath. Kirchengemeinde mit Integrationsprojekt für Flüchtlinge

Stand: 14.06.16 16:23 Uhr

Flüchtlinge, die aus Syrien oder anderen Ländern in Tübingen angekommen sind und eine Bleibeperspektive haben, müssen sich in einer vollkommen neuen Umgebung zurechtfinden. Sie verstehen die Sprache nicht und haben oft Schwierigkeiten mit Dingen, die uns selbstverständlich scheinen. Einfache Gänge zu Ämtern, Ärzten und Behörden sowie der Weg in Ausbildung und Arbeit werden zu Monsteraufgaben, die ohne Hilfe kaum zu bewältigen sind. Das Projekt "Schritt für Schritt" von der katholischen Gesamtkirchengemeinde und dem Asylzentrum Tübingen will diese Hilfe bieten.


Montag-Abend im katholischen Gemeindezentrum Sankt Johannes in Tübingen. Hier treffen sich Flüchtlinge und Ehrenamtliche beim coffee to stay. Wie der Name schon sagt: Es geht hier nicht um gemütlichen Kaffeeklatsch sondern um Existenzielles: Die Ehrenamtlichen wurden im Vorfeld von Rechtsanwälten geschult. Jetzt beraten sie bei Problemen, die während des Asylverfahrens auftreten können. Und das sind einige, weiß Stadtdiakon Bernward Hecke: "Als Nichtjurist und jemand, der als Laie sich damit auseinandersetzt, ist mein Gefühl, dass es keinen Rechtsbereich gibt, der so willkürlich oder nach Kassenlage gestaltet wird wie dieses Asyl- und Ausländerrecht", so Hecke. "Je nachdem, wie gerade die Stimmung ist, je nach dem, wie gerade die Politik tickt, so wird dann auch dieses Rechtsgebiet verändert. 
 
Eine gewisse Willkür sei nicht ganz auszuschließen,   sagt auch Rechtsanwalt und Asylrechtsexperte Holger Rothbauer,  der die Ehrenamtlichen schult. Er sieht die Probleme vor allem dort, wo die Realität auf ein Schema trifft. Die Flüchtlinge sollen drei Fragen beantworten: Wer bist du? Wie bist du hergekommen? Und was sind die Fluchtgründe? 
 
"Das ist sehr, sehr schwer zu vermitteln, weil ja viele auch – das darf man nicht vergessen – wirklich traumatisiert sind, schlimmste Erfahrungen auf der Flucht und im Heimatland gemacht haben, von denen dann zu erwarten, dass sie in ein Schema, das wir hier als ein richtiges betrachten, reinpassen, das ist eine Riesenschwierigkeit", sagte Rothbauer.
 
Hinzu kommt ein häufiges Problem: Bei der Einreise habe die Bundespolizei bei einigen Flüchtlingen die Pässe abgenommen, und die seien dann verschwunden. Somit hätten Flüchtlinge Probleme damit, ihre Angaben nachzuweisen.  Rothbauer: "Und dabei liegen die Pässe oder Dokumente längst vor und verschwinden dann irgendwo in der Vielzahl und Flut der Unterlagen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder auch bei der Bundespolizei, das weiß man alles nicht so ganz genau."
 
Viele warten schon auf Monaten auf ihre Anhörung, sagt Dagmar Menz vom Asylzentrum Tübingen. Die Flüchtlinge würden dann langsam ungeduldig. Das Coffee to stay jedenfalls werde sehr gut angenommen.

"Es kommen sehr viele Flüchtlinge hier in das Café, in das coffee to stay", so Menz. "Viele haben Fragen speziell zum Asylverfahren; sie bringen Fragen mit wie zum Beispiel: Was muss ich in der Anhörung machen? Welche Fragen kommen auf mich zu? Wie kann ich mich gut vorbereiten?"

Zum Projekt „Schritt für Schritt" gehört aber nicht nur die Asylverfahrensberatung. Den Flüchtlingen sollen auch Praktika, Ausbildung, Freiwilligendienste oder Erwerbstätigkeit vermittelt werden. Manche werden zu interkulturellen Vermittlern ausgebildet, berichtet Angela Zaschke, Sozialarbeiterin des Asylzentrums. "Das sind Geflüchtete, die schon relativ gut deutsch können und die uns hier unterstützen in sprachlicher Hinsicht", so Zaschke. "Viele Sprachen sprechen wir selber nicht und brauchen Unterstützung, sonst geht gar nichts."

„Schritt für Schritt" wird bei den Flüchtlingen so gut angenommen, dass das Asylzentrum gerade überlegt, noch ein weiteres Angebot im Landkreis Tübingen zur Verfügung zu stellen.

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