Bundestagssitzung Berlin | Bildquelle: Pressebild Bundestag - Marc-Steffen Unger

Berlin/Stuttgart/Rottenburg:

Trotz Drohungen aus Ankara: Bundestag nennt Massaker an Armeniern Völkermord. Türkei beordert Botschafter zurück

Stand: 02.06.16 15:42 Uhr

Der Deutsche Bundestag hat mit großer Mehrheit beschlossen, die Massaker an Armeniern im damaligen Osmanischen Reich als Völkermord anzuerkennen. Die Entscheidung fiel mit einer Gegenstimme und einer Enthaltung. Damit wird der Tod von 800 000 bis 1,5 Millionen Armeniern als systematisch durchgeführte Vernichtung einer Volksgruppe gewertet. Die Türkei hat mittlerweile in einer ersten Reaktion ihren Botschafter aus Berlin zu Konsultationen zurückgerufen und den Geschäftsträger der Deutschen Botschaft in Ankara einbestellt. Bundeskanzlerin Angela Merkel CDU, Außenminister Frank Walter Steinmeier, SPD, sowie Vize-Kanzler Sigmar Gabriel blieben der Abstimmung "aus terminlichen Gründen" fern.

Anlässlich der heute im Bundestag zur Verabschiedung geplanten Resolution zum Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord hat der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst die türkischen Bürger in Deutschland sowie die Repräsentanten des türkischen Staates zu einer aufrichtigen Auseinandersetzung mit dem "dunklen Kapitel ihrer Geschichte" aufgefordert.

Deutschland selbst habe sich in einem mühsamen Prozess seiner historischen Schuld gestellt und den Völkermord an den europäischen Juden sowie an Sinti und Roma, als bleibende Verantwortung anerkannt und so seinen Platz in der Völkergemeinschaft erlangt. Nur so enstünden "die Voraussetzungen für Vertrauen"; und "dafür, in glaubhafter Weise zu mehr Frieden in dieser friedlosen Welt beizutragen", so der Rottenburger Bischof.

Indessen hat die Türkische Gemeinde die Abstimmung im Bundestag als "Politshow" bezeichnet, die negative Folgen für das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei haben werde. Dabei werde Tageswpolitik mit einer historischen Frage vermischt. Diese müsse zunächst wissenschaftlich aufgearbeitet werden, so der Bundesvorsitzende Gökay Sofuoglu.

Die türkische Regierung hat Deutschland mehrfach davor gewarnt, die Resolution zum Völkermord zu beschließen. Zuletzt hatte ein Vertrauter des türkischen Präsidenten gedroht, sämtliche Verträge und Abmachungen mit Deutschland aufzukündigen.

1915 waren während der Zeit des Ersten Weltkriegs wissenschaftlichen Schätzungen zu Folge zwischen 800 000 und 1,5 Millionen christliche Armenier aus ihren Häusern und Dörfern vertrieben worden und ums Leben gekommen - unter anderem wurden sie systematisch in Todesmärschen in die Wüste getrieben.

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