Koalitionsvertrag steht | Bildquelle: RTF.1

Stuttgart:

DGB Baden-Württemberg sieht gute Ansätze im Koalitionsvertrag, fordert "mehr konkrete Festlegungen"

Stand: 03.05.16 13:25 Uhr

03.05.2016. Der DGB Baden-Württemberg sieht gute Ansätze im Koalitionsvertrag, wünscht sich aber mehr konkrete Festlegungen. Über die geplante Neuorganisation des Arbeitsschutzes sei man erfreut. Scharfe Kritik üben die Gewerkschaften aber an der angekündigten Novellierung des Bildungszeitgesetzes

„Wir sind froh, dass auch die neue Landesregierung Baden-Württemberg zu einem Musterland für gute Arbeit machen will. Besonders freut uns das Bekenntnis zur Tariftreue und die Ankündigung, auf sachgrundlose Befristungen im öffentlichen Dienst verzichten zu wollen", sagte der DGB-Landesvorsitzende Nikolaus Landgraf.

Positiv sei auch, dass Grün-Schwarz gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen vorgehen und sich dafür einsetzen wolle, die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu schließen. Ebenfalls begrüßenswert sei, dass die künftigen Koalitionäre die Interessen von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Blick hätten, erklärte der DGB-Landesvorsitzende.

Landgraf weiter: „Die Gewerkschaften sind gerne bereit, weiter in der Fachkräfteallianz und im Ausbildungsbündnis mitzuarbeiten. Wir haben hier gute Erfahrungen gemacht. Besonders freut uns, dass es einen Ausbildungs- und Arbeitspakt mit den Gewerkschaften geben soll, um Geflüchtete in Ausbildung und Arbeit zu bringen. Es ist richtig, dass hier konkrete Ziele genannt werden. Jetzt müssen die Arbeitgeber die entsprechenden Angebote machen." Der DGB begrüßt darüber hinaus, dass sich Grüne und CDU im Land zur Frauenquote in Wirtschaft und Politik bekennen.

Erfreut zeigte sich der DGB-Landesvorsitzende, dass der Arbeitsschutz neu organisiert werden solle. Hier hatte der DGB seit langem auf eine Verbesserung gedrungen. Skeptisch stimme allerdings, dass die Bekenntnisse zu einer arbeitnehmerfreundlichen Politik oft vage blieben. „Der Koalitionsvertrag enthält nicht einmal ein eigenes Kapitel zum Thema Arbeit", monierte Landgraf.

Alarmiert sind die Gewerkschaften wegen der Passagen zur Bildungszeit. „Das Bekenntnis zur Bildungszeit fällt sehr halbherzig aus", kritisierte Frenzer-Wolf. „Es ist widersinnig, den Erfolg des Bildungszeitgesetzes gerade an seiner Wirkung bei kleinen Betrieben messen zu wollen, wo deren Beschäftigte doch in der Regel gar keinen Anspruch auf Bildungszeit haben."

Die große Bedeutung der Bildungszeit für den Ausbau der politischen Bildung und der Qualifizierungen für ehrenamtliche Tätigkeiten werde von der grün-schwarzen Koalition ausgeblendet. „Die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts kann gerade durch einen offensiven Ausbau der Bildungszeit gewährleistet werden. „Mehr politische Bildung auch im Rahmen der Bildungszeit wirkt Radikalisierung und Fremdenfeindlichkeit präventiv entgegen", argumentierte die DGB-Landesvize. Die Ankündigung, das Gesetz nach zwei Jahren zu novellieren, lasse vermuten, dass sich die neue Landeregierung keiner ergebnisoffenen Überprüfung stellen wolle. Der DGB wird sich daher weiter gemeinsam mit den Verbänden und Organisationen des Bündnis' Bildungszeit für die Bildungszeit einsetzen.

Die Gewerkschaften halten die Fokussierung auf die Sparpolitik für falsch. Sie hätten sich ein klareres Bekenntnis zu mehr öffentlichen Investitionen gewünscht. Landgraf: „Ein Anfang ist gemacht, doch die geplanten Investitionen sind bei weitem nicht so hoch, wie es für die Wirtschaftskraft des Landes angemessen wäre."

Positiv sei, dass die Koalitionäre die Sozialpartner auch bei der Wirtschaftspolitik einbeziehen wollen und auf die Förderung von Innovationen und Technologietransfer setzen. Der Koalitionsvertrag biete gute Ansätze zur Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen.

Eindeutig untergewichtet ist nach Ansicht der Gewerkschaften die Industriepolitik. Landgraf: „Wir hätten uns da konkretere Verabredungen gewünscht, etwa mit Blick auf die Industriestrategie 2025, an der die Gewerkschaften mitgearbeitet haben. Die dialogorientierte Wirtschafts- und Industriepolitik sollte fortgeführt werden."

Der DGB lobte auch den im Koalitionsvertrag formulierten Anspruch, den öffentlichen Dienst familienfreundlicher und durch mehr Chancengerechtigkeit für weibliche Beschäftigte attraktiver zu gestalten: „Die Gewerkschaften stehen bereit, die Landesregierung bei der Umsetzung ihrer Vorhaben zu unterstützen", sagte Gabriele Frenzer-Wolf, die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende. Ebenso wichtig wie ein flexibles Laufbahnrecht und Fortbildungsangebote sei aber eine angemessene Bezahlung für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst – selbstverständlich auch bei den Beamtinnen und Beamten. Frenzer-Wolf: „Wir hatten erwartet, dass die abgesenkte Eingangsbesoldung sofort zurückgenommen wird. Stattdessen lesen wir nun vage Versprechungen."

Zudem habe das Land Verantwortung nicht nur für die eigenen Beschäftigten, sondern auch für diejenigen in Kommunen. „An vielen Stellen im Koalitionsvertrag werden die Kommunen als wichtige Akteure und Partner genannt, besonders bei der Integration von Geflüchteten. Deshalb ist es falsch, die Zuweisungen zu kürzen. Dies müssen die Beschäftigten in den Gemeindeverwaltungen und Landratsämtern ausbaden", sagte die DGB-Vize im Land. Das gelte ebenfalls für die kommunalen Betriebe wie Krankenhäuser und Verkehrsbetriebe.

Die Schaffung von 1500 neuen Polizeistellen sei dringend notwendig. Doch sie reiche nicht aus, um genügend Nachwuchs zu gewinnen, bemängeln die Gewerkschaften.

Der DGB ist erleichtert, dass in der Bildungspolitik die Reformvorhaben der grün-roten Landesregierung im Grundsatz fortgeführt werden sollen.

Das ausdrückliche Bekenntnis zur Neuordnung des Übergangs Schule Beruf und weiterer Reformvorhaben an den beruflichen Schulen werden von den Gewerkschaften begrüßt. Die Schaffung neuer Angebote von dualisierten Berufskollegs sieht der DGB allerdings kritisch. „Wir erwarten an dieser Stelle eine Einbindung der Sozialpartner, des Bündnisses für Ausbildung und des Landesausschusses für Berufsbildung, bevor Fakten geschaffen werden", forderte Landgraf.

Der DGB begrüßte, dass das Landtagswahlrecht geändert werden soll. Das neue Wahlrecht müsse aber so gestaltet sein, dass die Quotenregelungen der Parteien wirken können. „Nur so werden Frauen bessere Chancen haben, gewählt zu werden", sagte Gabriele Frenzer-Wolf. (DGB)

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