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Grüne Jugend zum grün-schwarzen Koalitonsvertrag: "Müssen kein dauerhaftes Protestcamp einrichten"

Stand: 07.01.22 13:47 Uhr

03.05.2016. Nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen schaut die Grüne Jugend mit gemischten Gefühlen auf den grün-schwarzen Koalitionsvertrag. So finde sich darin zwar viel Gutes, aber auch Punkte, die Anlass zu deutlicher Kritik geben. "Es freut uns natürlich sehr, dass es einige unserer Forderungen in den Koalitionsvertrag geschafft haben. Wir haben Themen durchgesetzt, die jetzt nur im Vertrag stehen, weil wir sie auf den Tisch gebracht haben, so Leonie Wolf und Lena C. Schwelling, Sprecherinnen der Grünen Jugend Baden-Württemberg. Dass man die Füße stillgehalten habe, wie es vereinzelt heiße, stimme "also mitnichten".

Vor allen Dingen sind das die Forderungen für eine respektvolle Nachtkultur, die der Verband in den vergangenen Wochen immer wieder hervorgehoben hat. „Dass unsere Forderung nach einer Abschaffung der Sperrzeiten, die wir schon in das Wahlprogramm verhandelt haben, nun auch im Koalitionsvertrag steht, ist natürlich ein riesen Erfolg. Auch dass sich die künftige Koalition auf ein Ende des Alkoholverkaufsverbots nach 22 Uhr verständigt hat, ist nur sinnvoll und gibt erwachsenen, mündigen Menschen ihre Entscheidungsfreiheit zurück", freut sich Lena C. Schwelling.

Leonie Wolf schränkt allerdings ein: „Unsere Ablehnung gegen zeitlichen- und räumlichen Alkoholkonsumverbote hat kein Gehör gefunden – das finden wir bedauerlich. Dafür haben wir zaghafte Hoffnung auf eine Reform der „geringen Menge" straffreien Cannabisbesitzes. Dass die Koalition sich auf Bundesebene für eine Vereinheitlichung einsetzen will, bewerten wir positiv. Allerdings werden wir die Regierung in den kommenden fünf Jahren immer wieder daran erinnern – dass da auch wirklich was passiert.

Auch wenn im Dezember die Verwaltungsvorschrift zum Umgang mit Cannabis ausläuft, werden wir bei der Neuregelung von uns hören lassen."

Als Erfolge in den Koalitionsverhandlungen verbucht die Grüne Jugend außerdem die geplante Änderung des Landtagswahlrechts sowie das Bekenntnis zum „Aktionsplan für Akzeptanz und gleiche Rechte" und die Weiterentwicklung der Gemeinschaftsschule. „Dass Baden-Württemberg nun endlich auch ein Listenwahlrecht bekommen soll, ist ein wichtiger Bestandteil der Geschlechtergerechtigkeit und war lange überfällig.

Durch den Aktionsplan werden außerdem die Rechte von LSBTTIQ*-Personen weiter bestärkt", so Lena C. Schwelling. Sie fährt fort: „Im Großen und Ganzen bedeutet der Koalitionsvertrag für uns, dass wir nicht für die nächsten fünf Jahre ein Protestcamp vor dem Staatsministerium errichten werden – temporär werden wir aber sicher unsere Zelte aufschlagen müssen."

Anlass zum Protest sieht die Grüne Jugend vor allem bei den Themen Asyl und Integration sowie Innenpolitik. „Wir finden die Formulierungen zum Thema Asyl und Flucht sehr unerfreu-lich. Dass sogenannte ‚Abschiebehindernisse' beseitigt werden sollen bedeute nichts anderes, als der CDU-Forderung nach mehr und schnelleren Abschiebungen stattzugeben. Auch den ‚Schutz der EU-Außengrenzen' halten wir für nicht zielführend. Abschottung dämmt Schleu-serkriminalität nicht etwa ein, sondern sondern verstärkt sie. Stattdessen brauchen wir legale Einwanderungswege in die EU – sowohl für Flüchtende als auch für Menschen mit anderen Beweggründen zur Migration", kritisiert Leonie Wolf die entsprechenden Passagen im Koalitionsvertrag. Weiterhin appelliert sie an die künftigen grünen Kabinettsmitglieder, nicht der Einstufung der Maghreb-Staaten als „sichere Herkunftsländer" zuzustimmen: „Als Grüne kann man dem in keinem Fall zustimmen. Auch kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Einstufung verfassungsrechtlich gedeckt wäre."

Was den Umgang mit bereits in Baden-Württemberg lebenden Migrantinnen und Migranten angeht, sieht die Grüne Jugend den im Vertrag erwähnten „verpflichtenden Charakter" von Integrationsmaßnahmen kritisch: „Was soll das überhaupt bedeuten? Wir erachten Integration, die auf Freiwilligkeit, Austausch und Miteinander basiert für deutlich sinnvoller, als einen Integrationszwang", so Lena C. Schwelling.

Kritikwürdiges findet die Grüne Jugend auch im Bereich der inneren Sicherheit, fügt Schwelling an: „Wir finden es sehr ärgerlich, dass es die Forderung nach einer anonymisierten Polizeikennzeichnung nicht in den Koalitionsvertrag geschafft hat. Wir sind mehr als skeptisch, dass Bodycams hier ein Ersatz sein können. Vor allem Bürgerinnen und Bürgern nutzen sie gar nicht, so lange Polizeibeamte sie ein- und ausschalten können, wann sie möchten. Auch die Ermächtigung von Polizei und Justiz zur Überwachung digitaler Kommunikation bewerten wir sehr kritisch und sehen in ihr eine deutliche Einschränkung von Bürgerrechten."

„Jenseits von inhaltlichen Punkten im Koalitionsvertrag erinnern wir die künftigen Koalitions-parteien noch einmal an ihr Vorhaben, das Kabinett geschlechterparitätisch zu besetzen: Wir erwarten die Hälfte der Macht für Frauen", so Leonie Wolf und Lena Schwelling. (Grüne Jugend).

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