Mercedes-Stern auf Hauptbahnhof Stuttgart | Bildquelle: RTF.1

Dieselabgase:

US-Justizministerium lässt angeblich Daimler-Büros in Stuttgart durchsuchen

Stand: 29.04.16 23:42 Uhr

Nach Informationen der Deutschen Umwelthilfe sichern Ermittler der Unternehmensberatung Deloitte Touche Daten in den Büroräumen von Daimler. Die Untersuchungen in den Werken sowie der Konzernzentrale in Möhringen haben demnach bereits am 22. April 2016 begonnen, als das US-Justizministerium seine Ermittlungen bekannt gab. Die Ermittler suchen dem Bericht zufolge nach Hinweisen, ob Daimler illegale Abschalteinrichtungen in seinen Fahrzeugen verbaut hat.

Seit letztem Freitag (22.4.2016) durchsuchen laut der Deutschen Umwelthilfe Spezialisten der Unternehmensberatung Deloitte Touche die Büroräume in der Motorenentwicklung sowie in der Konzernzentrale in Möhringen des deutschen Automobilherstellers. Die Ermittler, die wegen der Ermittlungen des US-Justizministeriums Daten sowie den E-Mailverkehr sicherstellen, suchen demnach nach Hinweisen, ob Daimler illegale Abschalteinrichtungen in seinen Fahrzeugen verbaut hat, um die Abgasreinigung bei realen Fahrsituationen zu verringern.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte erstmals am 2. Februar 2016 auf die angebliche Abschaltung bei Temperaturen unterhalb von plus 10 Grad Celsius bei einer Mercedes C-Klasse 220 CDi hingewiesen. Einen Tag später - am 3. Februar 2016 - hatte die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation ein ihr zugespieltes Eingeständnis dieser Abschalteinrichtung, das im Intranet von Daimler veröffentlicht war - publiziert.

Daimler erklärte daraufhin: "Wir weisen den Vorwurf der DUH e.V. auf das Schärfste zurück, dass unsere Kunden mit falschen Qualitätsversprechen getäuscht würden.Die wiederholten, nicht belegten Vorwürfe und eine irreführende Darstellung des Vereins DUH verstehen wir als Versuch, das Unternehmen Daimler zu diskreditieren. Wir vertrauen in die professionelle Arbeit der öffentlich legitimierten Behörden und ihre laufenden Prüfungen und werden diese auch weiterhin vollumfänglich unterstützen."

In den USA wie auch in der EU sind Abschalteinrichtungen in der Abgasreinigung gesetzwidrig. Als Folge der giftigen Stickoxid-Emissionen sterben laut den Umweltschützern jährlich 10.400 Menschen vorzeitig an den Folgen des Dieselabgasgiftes NO2. Im März 2016 belegte die DUH in einem Rechtsgutachten von Rechtsanwalt Remo Klinger, dass die von Daimler dauerhafte Aktivierung einer Abschalteinrichtung bei Temperaturen unter 10 Grad Celsius rechtswidrig ist. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages bestätigte diese Rechtsauffassung in einem eigenen Gutachten.

"Daimler setzt die DUH seit unserer Veröffentlichung der ersten Ergebnisse eigener Untersuchungen im Dezember 2015 zu einem Mercedes C 200 CDI massiv unter Druck. Unsere Veröffentlichung der Drohbriefe von Daimler-Anwalt Christian Schertz führte zu einem Rechtsstreit, den wir Anfang April für uns entscheiden konnten", sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Seit Beginn des Abgasskandals stehe die DUH in einem intensiven Austausch mit nationalen, europäischen und amerikanischen Behörden. Im Februar fand auf Einladung der amerikanischen Umweltbehörde (Environmental Protection Agency, EPA) in der amerikanischen Botschaft in Berlin ein Gespräch mit dem EPA-Direktor Christopher Grundler statt, bei dem es auch um die gefundenen Hinweise auf Abschalteinrichtungen bei Mercedes Fahrzeugen bezüglich der Erkennung der Prüfsituation beziehungsweise die Temperaturabschaltung ging. Die EPA kündigte eigene Messungen und Gespräche mit Daimler an, die nun zur Einleitung der Untersuchung führten.

Die Berichte über die dauerhafte Aktivierung einer temperaturgesteuerten Abschalteinrichtung führte in den USA zu einer Sammelklage, in der neben den Ergebnissen des niederländischen Prüfinstituts TNO sowie der DUH auch eigene Messungen aufgeführt wurden. Die am 7.4.2016 eingereichte US-Klage spricht von einer bis zu 65-fachen Überschreitung der Stickoxid (NOx)-Grenzwerte auf der Straße.

Bundesverkehrsminister Dobrindt erhielt dieselben Informationen über die Untersuchungsergebnisse von allen durch die DUH untersuchten beziehungsweise analysierten Fahrzeuge. Bis heute habe Minister Dobrindt im Gegensatz zu den amerikanischen Behörden jedoch seinen Staatssekretären und dem Beamtenapparat jeden Gesprächskontakt mit der DUH untersagt, so die Organisation. Im Gegensatz zu den amerikanischen Behörden hätten im Bundesverkehrsministerium keine gezielten Überprüfungen der von der DUH übermittelten Messergebnisse stattgefunden. Den übermittelten Hinweise auf Abschalteinrichtungen bei Daimler Fahrzeugen (Neben zwei Mercedes Modellen der Smart Diesel) wie auch anderen Autoherstellern (Opel, BMW) sei das Dobrindt-Ministerium nicht nachgegangen.

Daimler wirft der deutschen Umwelthilfe vor, "Daten aus irrelevanten Testzyklen" zu nutzen und unseriös zu arbeiten. Um das Emissionsverhalten von Fahrzeugen eindeutig und rechtsverbindlich zu beschreiben, seien vom Gesetzgeber standardisierte Testzyklen vorgegeben. Ungeachtet dessen veröffentliche der Verein „Deutsche Umwelthilfe" wiederholt Daten aus eigenen Messprogrammen, die nicht vollumfänglich den gesetzlichen Vorgaben entsprächen. "Diese beziehen sich unter anderem auf ein EU 5 Fahrzeug der Marke smart, das zwischen Ende 2009 und Herbst 2013 auf dem Markt war. Herkunft, Historie und Zustand des verwendeten Fahrzeugs sind der Daimler AG erneut nicht bekannt", hieß es vom Unternehmen.

Ein Fahrzeug dieses Typs sei auch im Rahmen des Testprogramms vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) untersucht worden. Allein diese Emissionsmessungen hätten die notwendige Aussagekraft. Alle Fragen, die in diesem Zusammenhang an die Daimler AG gerichtet wurden, seien für beide Seiten zufriedenstellend beantwortet worden. Ein offizielles Verfahren zur Vorbereitung einer behördlichen Entscheidung gegen Daimler finde, anders als von der DUH behauptet, nicht statt.

Daimler-Sprecher Jörg Howe: „Die DUH e.V. bleibt sich selbst treu und geht gewohnt unseriös vor. Es werden unter anderem nicht zertifizierte Testverfahren verwendet und Behauptungen aufgestellt, die nicht bewiesen werden können. So wird einfach behauptet, dass es ein KBA-Verfahren gegen Daimler und andere Hersteller geben soll, obwohl die Behörden und die Betroffenen davon nichts wissen."

Mercedes-Benz unterstütze bereits seit Jahren vollumfänglich und aktiv die baldige Einführung des WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) sowie des Messverfahrens für die Real Driving Emissions (RDE). Beide Aktivitäten hätten zum Ziel, dass Norm- und Realwerte künftig möglichst nahe beieinander liegen.

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