Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Integrationsministerin Bilkay Öney | Bildquelle: Staatsministerium Stuttgart

Tübingen/Stuttgart:

"Nicht alle, die Ängste haben sind rechtsradikal": Integrationsministerin Bilkay Öney zieht Bilanz

Stand: 18.04.16 17:35 Uhr

Sie wurde aus der Krisenstadt Berlin nach Stuttgart geholt, als Grün-Rot 2011 überraschend die Landtagswahlen gewonnen hatte. Bilkay Öney, SPD, wurde die bundesweit erste Ministerin für Integration. Und ursprünglich sollte sie sich genau um dieses Thema kümmern. Dann aber brach die Flüchtlingskrise los. Nach dem historisch schlechten Wahlergebnis der SPD und dem Verlust der Regierungsbeteiligung schaut Öney jetzt dem Ende ihrer fünfjährigen Amtszeit entgegen. Und hat für RTF.1 und BWeins Bilanz gezogen.

5.Mai 2011: Eine kleine politische Sensation perfekt Es ist deutschlandweit einzigartig: Im frisch gebackenen grün-roten Kabinett gibt es erstmals ein Integrations-Ressort. Und dafür hatte man sie geholt. Von September 2006 bis Mai 2009 war Bilkay Öney, die Deutsche mit türkischen Wurzeln, noch integrationspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin. Dann aber wechselte sie zur SPD über.

Zwei Jahre später wird Öney von der Landes-SPD mit integrationspolitischen Zielsetzungen dann nach Stuttgart geholt: Mit dem Beginn der Flüchtlingsströme: für Öney beginnt ein radikaler Wechsel der Problemlagen und Aufgabenstellung. Jetzt, nach fast fünf Jahren, zieht Öney nach der dramatischen SPD-Wahlniederlage trotzdem eine zufriedene politische Bilanz.

Als das Integrationsministerium eingeführt worden sei, habe es noch starke Vorbehalte gegeben. Es habe die Überzeugung vorgeherrscht, dass das in Baden-Württemberg der Arbeitsmarkt regle. Faktisch habe man aber Schwachstellen aufdecken können. Und zudem "viel mit den beteiligten Akteuren gearbeitet".

Öney knüpft Netze mit den Akteuren der Migrantenverbände, Kirchen und Wohlfahrtsorganisationen in einem Flüchtlings- und Islam-Rat. Und sie bringt das damals nicht unumstrittene Motto des „Förderns, aber auch Forderns" mit – und richtet es gegen beide Seiten.

Es sei gelungen, die Wichtigkeit der Integrationsthematik zu vermitteln, so Öney. Und mit der Flüchtlingskrise habe jetzt auch der letzte verstanden, warum aktive Integration wichtig und unumgänglich sei. Denn die gesellschaftlichen Kosten einer "nicht vollzogenen Integration" seien viel höher als die der entsprechenden Maßnahmen.

Öney hatte aber auch zu denen gehört, die angesichts der anschwellenden Masse der Flüchtlingsströme früh vor einer Überforderung der Menschen vor Ort warnten. Jetzt legt Öney nach. Es gebe "sehr viel Unverständnis und falsche Deutungen der politischen Kaste, bezüglich der Ängste der Bevölkerung. Weil offenbar manche Dinge falsch gedeutet und interpretiert werden. Nicht jeder, der Angst hat vor einer gewissen Überfremdung ist automatisch rechtsradikal. Da muss man genauer zuhören und genauer hören: was sagen die Menschen."

Im Rückblick auf die Flüchtlingskise waren ähnlich selbstkritische Töne waren jetzt auch von Parteichef Nils Schmid zu hören, der nach der Klausur in Fellbach am wochenende einräumte: die SPD habe sich in der grün-roten Koalition in der Flüchtlingskrise aus Rücksicht bei heiklen Themen  wie der Flüchtlingskrise zu sehr zurückgenommen. So hate die SPD viel früher als die Grünen den Weg für mehr abschiebefähige "Sicheren Herkunftsländern" und schnellere Abschiebungsverfahren frei machen wollen.

Bei den Bürgerinnen und Bürgern  hätten sich "reale Ängste aufgrund realer Entwicklungen" eingestellt. Jetzt müsse man dafür sorgen, dass "das Sicherheitsgefühl der Menschen verbessert wird. Man darf nicht den Eindruck erwecken haben, dass Politik über ihre Kopf gemacht wird und sie nicht mehr mitreden und mitentscheiden können". Das sei in der Flüchtlingsproblematkik ein großes Problem gewwesen.

Früh hatten Öney und innenminister Gall gegen die Grünen gefordert, wegen der dramatisch anschwellenden Zahlen wirklich politisch und lebensbedrohlich Verfolgter aus Syrien und Irak mehr Sicheren Herklunftsländern im Ostbalkan im Bundesrat  zuzustimmen; um so die rund 60 Prozent der unberechtigten unter den Flüchtlingen durch schnellere Verfahren schneller Abschieben zu können.

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