Jan Böhmermann | Bildquelle: Screenshot Youtube

Türkei/Berlin:

Merkel erlaubt Böhmermann-Ermittlungen - US-Botschafter wundert sich

Stand: 15.04.16 14:35 Uhr

Kanzlerin Angela Merkel und die Bundesregierung haben dem türkischen Ersuchen im Fall Böhmermann zugestimmt und den Weg für juristische Ermittlungen frei gemacht. Gleichzeitig kündigte die Bundesregierung aber an, dass sie den Paragrafen über Beleidigung ausländischer Staatschefs abschaffen will. Eine vom ZDF in Auftrag gegebene Expertise kam unterdessen zu dem Schluss, dass die in Rede stehende Sequenz einschließlich des so genannten "Schmähgedichts" rechtlich zulässig war und daher die Grenzen zur Strafbarkeit nicht überschritten worden sind.

Die heutige Entscheidung der Bundesregierung hat die Diskussion befeuert, ob sich Merkel mit dem Flüchtlings-Deal zu abhängig von der Türkei gemacht hat, ob deutsche Grundwerte wie Meinung- und Pressefreiheit in Gefahr sind, um in der Flüchtlingspolitik keine Probleme zu bekommen? Kuscht Merkel vor Erdogan? Oder Ist Böhmermann einfach zu weit gegangen?

In letzterer Frage hat das ZDF eine Stellungnahme bei der Staatsanwaltschaft Mainz eingereicht. Sie stützt sich auf eine Expertise der Kanzlei Redeker Sellner Dahs. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehende Sequenz einschließlich des so genannten "Schmähgedichts" rechtlich zulässig war und daher die Grenzen zur Strafbarkeit nicht überschritten worden sind.

Die grundgesetzlich garantierte Satirefreiheit umfasse gerade im Zusammenhang mit Angelegenheiten von öffentlichem Interesse auch den Einsatz grober Stilmittel, unabhängig davon, ob sie persönlichen oder allgemeinen geschmacklichen Vorstellungen entsprechen. Es liege im Wesen der Satire, durch gezielte Überzeichnungen, die auch darauf angelegt sind, Emotionen und Reaktionen beim Publikum auszulösen, auf ein Thema aufmerksam zu machen und Kritik zu üben.

Mit dem in eine satirische Gesamtdarstellung eingebetteten Gedicht hatte das "Neo Magazin Royale" die Debatte um die politische Diskussion über einen Satirebeitrag der Sendung "extra3" und die diesbezügliche Reaktion des türkischen Staatspräsidenten aufgegriffen. Dabei ging es nicht nur um eine satirische Auseinandersetzung mit dieser Reaktion und dem rechtlichen Begriff der Schmähkritik, sondern auch darum, die Rezeption solcher satirischer Stilmittel in der digitalen Medienöffentlichkeit zu thematisieren. Form und Inhalt des satirischen Beitrags zielten nicht auf eine Ehrverletzung des türkischen Staatspräsidenten, sondern bezweckten die kritische Auseinandersetzung mit diesen Themen.

Das ZDF hatte am Tag nach der Ausstrahlung entschieden, das umstrittene "Schmähgedicht" nicht mehr zu verbreiten, weil die Passage nicht den Qualitätsansprüchen und Regularien des ZDF entspreche. Dies sei jedoch von der strafrechtlichen Bewertung der in Rede stehenden Sequenz klar zu trennen.

Der amerikanische Botschafter in Deutschland, John Emerson, hat das juristische Tauziehen um das Schmähgedicht des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als in den USA unvorstellbar bezeichnet. "Das wäre surreal", sagte Emerson der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post". "Ich denke nicht, dass dieser Fall in den USA jemals vor Gericht landen würde. Wir haben bei uns eine lange Tradition der lustvollen Beleidigung hochgestellter Persönlichkeiten, die bis zur Gründung des Landes zurückreicht. Bei uns wäre Herr Böhmermann sehr gut aufgehoben."

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