Thomas Poreski am Wahlabend | Bildquelle: RTF.1

Region Neckar-Alb:

So verlief der Wahlabend

Stand: 15.03.16 10:33 Uhr

Die Grünen haben den Wahlkreis Reutlingen gewonnen. Thomas Poreski wird den Wahlkreis künftig im Landtag vertreten. Das ist das wichtigste Ergebnis und die größte Überraschung des gestrigen Wahlabends in der Region Neckar-Alb. Insgesamt werden acht Abgeordnete die Region im Landtag vertreten. Davon je zwei von CDU, Grünen und AfD sowie mit Nils Schmid und Andreas Glück je einer von SPD und FDP.


Den Wahlkreis Reutlingen gewinnt Thomas Poreski von den Grünen mit 31,2 Prozent. Zweiter wird Dieter Hillebrand mit 23,9 Prozent. Für ihn reicht es nicht für einen Landtagssitz. Wolfram Hirt, AfD, kommt auf 15,1 Prozent. Auch er im Landtag nicht vertreten. Für SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid gibt es nur Platz 4 mit 14,2 Prozent. Trotzdem reicht es noch für den Einzug in den Landtag. Wibke Steinhilber, FDP, kommt auf 8,4 Prozent und Jessica Tatti von der Linken auf 3,4 Prozent.

Den Wahlkreis Hechingen-Münsingen gewinnt Karl-Wilhelm Röhm, CDU, mit 28,5 Prozent. Knapp vor Kerstin Lamparter von den Grünen mit 27,8 Prozent. Carola Wolle von der AfD erzielt 16,1 Prozent. Da sie schon für den Wahlkreis Neckarsulm in den Landtag einzieht, erhält ihr Ersatzbewerber Hans Peter Stauch das Hechinger Mandat. Ebenfalls im Landtag ist Andreas Glück, FDP, mit 11,4 Prozent. Bitter für Klaus Käppeler, SPD: Er kommt mit 11,3 Prozent erst an fünfter Stelle und verliert sein Mandat. Günter Herbig von der Linken kommt nur auf 2,2 Prozent.

Den Wahlkreis Tübingen gewinnt Daniel Lede Abal von den Grünen mit 37,7 Prozent. Er ist der einzige Mandatsträger aus dem Wahlkreis im neuen Landtag. Mit viel Abstand folgt Klaus Tappeser, CDU, mit 23,8 Prozent. Dritte ist Dorothea Kliche-Behnke von der SPD mit 12,6 Prozent. Markus Rölle von der AfD erhält 10,3 Prozent, Dietmar Schöning, FDP, kommt auf 6,5 Prozent, und Bernhard Strasdeit von der Linken wählten 5,3 Prozent.

Für den Wahlkreis Balingen zieht Nicole Hoffmeister-Kraut, CDU, in den Landtag ein. Sie erhält 29,4 Prozent und liegt damit knapp vor Erwin Feucht von den Grünen mit 29 Prozent. Stefan Herre von der AfD erhält 18,1 Prozent und zieht in den Landtag ein. Angela Godawa, SPD, bekommt 9,9 Prozent, Dirk Egger, FDP, steht bei 8,1 Prozent, und Andreas Hauser von der Linken landet bei 2,3 Prozent.

 

Grüne: Nicht ungetrübte Freude

Jubel bei den Grünen – vor allem in Reutlingen und Tübingen. Denn dort haben die beiden Kandidaten Thomas Poreski und Daniel Lede Abal jeweils das Direktmandat gewonnen. "Insgesamt ein historisches Ergebnis für die Grünen, was uns niemand zugetraut hätte, weder im Land noch im Bund", sagte Thomas Poresk. Es sei eine Bestätigung, dass die Grünen einfach gut regiert hätten. Und sein Parteifreund Daniel Lede Abal aus Tübingen sagte, es sei ein Super-Erfolg, und es gäbe sogar noch Stimmenzuwachs. "Wir haben uns in den vergangenen fünf Jahren das Vertrauen zusätzlich erarbeitet, und das beflügelt uns natürlich.

Ganz ungetrübt ist die Freude bei den Grünen allerdings nicht. Das Ergebnis der AfD macht der Partei Sorgen."Das ist schon ein ziemlicher Hammer", sagte Thomas Poreski. Und Daniel Lede Abal sagte: "Wir werden uns als demokratische Parteien im Landtag besprechen müssen, wie wir jetzt mit dieser Situation umgehen. Das gab es ja in den neunziger Jahren schon mal, dass eine rechtsextreme Partei drin war, da ist es glaube ich ganz gut gelungen, die formal korrekt zu behandeln und trotzdem auch die Grenzen sehr deutlich zu ziehen." Damals saßen die Republikaner für acht Jahre im Landtag.

 

CDU: "Die Kanzlerin ist schuld."

Zum Feiern war der CDU nicht zumute. Müssen sich die einst starken Christdemokraten doch jetzt hinter den Grünen einreihen. Dieter Hillebrand verliert sein Mandat, Klaus Tappeser muss sich deutlich der grünen Konkurrenz geschlagen geben.

"Die Region Reutlingen/Tübingen wird durch keinen CDU-Landtagsabgeordneten mehr vertreten", beklagte sich Hillebrand gegenüber RTF.1. "Und in anderen Regionen des Landes sieht es noch viel schlimmer aus, da sind ganze Regionen weggebrochen." Die CDU-Fraktion würde um ein Drittel reduziert. Ein "katastrophales Ergebnis, das man sich gar nie hätte vorstellen können, dass die CDU in Baden-Württemberg mal so tief fällt", so Hillebrand.

Klaus Tappeser dagegen ärgerte sich vor allem über den Wahlkampf der AfD. Diese hätte einen Fleiß ohne Preis errungen: "Dass Leute, die überhaupt keinen Wahlkampf gemacht haben, elf Komma ungrad Prozent der Stimmen bekommen, also es tut mir schrecklich leid, wir haben für unsere Ideen bei der CDU gekämpft, und da kommt die AfD ohne eine einzige Veranstaltung im ganzen Wahlkreis und kommt jetzt landesweit über 12 Prozent", monierte Tappeser.

Den Grund für das Wahl-Desaster der CDU sieht Dieter Hillebrand ganz klar in der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Die Kanzlerin war eigentlich zum großen Teil dafür verantwortlich ursächlich dafür, dass wir die Wahl verloren haben", so Hillebrand. "Und gegen diesen Trend anzugehen, landespolitische Themen in den Fokus zu stellen, das war überhaupt nicht möglich. Es ging nur noch um die Frage: Ist die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin richtig, oder ist sie nicht richtig?"

 

SPD: Niederschmetterndes Ergebnis

Lange Gesichter auch bei der SPD. Historisches Rekord-Tief. Nur noch viertstärkste Kraft. Der Status einer Volkspartei scheint verloren. Von den vier Kandidaten in der Region konnte nur Nils Schmid ein Mandat erringen. Klaus Käppeler hat sein Landtagsmandat verloren. "Wir hatten die Hoffnung, dass wir mehr als zwölf Prozent bekommen, und da hätte es vielleicht auch gereicht", sagte Käppeler. "Aber es war nicht so. Dass eine AfD aus dem Stand heraus 15 Prozent in Baden-Württemberg bekommt, das ist für mich niederschmetternd. Wenn ich in die Geschichte blicke, Rechtspopulisten, dass die derart punkten, hätte ich nicht für möglich gehalten."

Dorothea Kliche-Behnke, Landtagskandidatin in Tübingen, sagte: "Wir erfahren immer wieder durchaus eine hohe Zustimmung zur rot-grünen Landesregierung, zur Arbeit und Bilanz der letzten fünf Jahre, offensichtlich hat das auf das Konto von Grün und vor allem auf das Konto eines sehr beliebten Ministerpräsidenten Kretschmann eingezahlt."

 

FDP: Man erntet, was man sät

Die FDP dagegen konnte feiern. Ganz besonders Andreas Glück im Wahlkreis Hechingen-Münsingen. Der gelernte Arzt übertrumpfte das ohnehin sensationelle landesweite Ergebnis der Liberalen noch und holte mehr Stimmen als sein SPD-Konkurrent Klaus Käppeler. "Politik hat manchmal was von Landwirtschaft und Ackerbau", sagte Glück. "Wenn Sie einen Acker bearbeiten, dann werden Sie irgendwann auch die Früchte einfahren können und ich glaub, das ist hier gelungen."

Auch für Glück ist das Wahlergebnis der AfD besorgniserregend. Die Menschen fühlten sich von Bundes- und Landesregierung nicht verstanden. "Jetzt soll die Politik mal endlich aufhören, diese Menschen, die AfD gewählt haben, zu beschimpfen", sagte Glück. "Ich rufe die anderen Parteien auf, sie sollen die Sorgen der Menschen ernst nehmen und nicht einfach beschimpfen. Wir als FDP haben das nie getan. Wir haben eben immer wieder klar gemacht, dass wir die bessere Alternative sind, weil wir eben auch kritisch sind, was die Bundes und Landesregierung angeht. Aber dass wir eben nicht diesen Fremdenhass haben." Die FDP sei nicht gegen Flüchtlinge sondern gegen eine chaotische Politik in Deutschland. Dies erkläre den Stimmenzuwachs.

 

AfD: Partei der Nichtwähler

Die lachenden Sieger der Wahlnacht waren die AfD-Anhänger. Auch aus der Region Neckar-Alb werden zwei Mitglieder der Protestpartei im Landtag sitzen. Der Reutlinger Kandidat Wolfram Hirt ist nicht dabei. Er führt den Erfolg seiner Partei auf die ehemaligen Nichtwähler zurück. "Die Nichtwähler haben mir im Wahlkampf in der Fußgängerzone oder auch sonst auf Veranstaltungen immer wieder gesagt, sie sind lange Zeit nicht wählen gegangen, weil sie sich von der Politik nicht mehr ernstgenommen gefühlt haben", sagte Hirt. "Und dass sie mit uns jemand gefunden haben, wo sie sagen: Jawohl, die hören einem zu, die bringen unsere Interessen voran, also haben Sie uns gewählt."

 

Umfangreiche RTF.1-Berichterstattung

RTF.1 hat über die Wahlen umfangreich berichtet: Neben der täglichen Nachrichtenberichterstattung statteten viele Wahlkreis-Kandidaten RTF.1 einen Redaktionsbesuch ab. In ausführlichen Redaktions-Interviews meldeten sich die Kandidaten zu Wort. Ergänzt um die RTF.1-Reihe "Wahl-Check", in der die Kandidaten der im Landtag vertretenen Parteien CDU, GRÜNE, SPD und FPD Antworten auf RTF.1-Fragen zur Wahl gaben. Die beiden nicht im Landtag vertretenen Parteien LINKE und AfD kamen in einer Extra-Folge des "Wahl-Check" zu Wort.

Mit den Spitzenkandidaten Guido Wolf (CDU), Winfried Kretschmann (GRÜNE), Nils Schmid (SPD), Hans Ulrich Rülke (FDP) unterhielt sich RTF.1 zu Wahl-Themen jeweils in der Vier-Augen-Talk-Sendung "Im Gespräch". In dieser Sendung war auch der Bernd Lucke (ALFA) zu Gast. Zwei der Spitzenkandidaten, Nils Schmid (SPD) und Hans Ulrich Rülke (FDP),kamen in der gemeinsamen Redaktion von RTF.1 Regionalfernsehen und BWeins Landes- und Landtagsfernsehen zu einem Redaktionsbesuch vorbei.

In der Woche vor der Wahl brachte RTF.1 ein umfangreiches "Wahl-Spezial"-Tagesprogramm auf Sendung: Täglich von 10 Uhr bis 17:30 Uhr wurden eine mehrstündige Sendestrecke mit der RTF.1-Berichterstattung, Interviews, Talks und Sendungen zur Wahl ausgestrahlt.

Am Wahlabend selbst war RTF.1 mit mehreren Teams zeitgleich im Stuttgarter Landtag, sowie in den Landkreisen Reutlingen, Tübingen und Zollernalb präsent: Ab 18:00 Uhr informierte RTF.1 via Fernsehen, Homepage, youtube, facebook und Twitter über die Wahlprognose und die aktuellen Hochrechnungen. Die RTF.1-Nachrichtensendung wurde im Laufe des Abends fortlaufend aktualisiert - mit den aktuellen Videos und Berichten, die von den RTF.1-Teams aus dem Stuttgarter Landtag sowie von den Wahlparties der Parteien im Sendegebiet  eintrafen.

Historischer Wahlabend - in mehrfacher Hinsicht

Es war gleich in mehrfacher Hinsicht ein historischer Wahlabend. Auch in der Region Neckar-Alb. Doch wie die Parteien das Ergebnis bewerten und was sie damit anfangen, das dürfte die Landespolitik noch die kommenden Tage und Wochen beschäftigen.

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