Barbara Bosch | Bildquelle: RTF.1

Reutlingen:

Flüchtlinge, Haushalt, Stadtkreis: Stadt Reutlingen im vergangenen und aktuellen Jahr

Stand: 28.02.16 21:27 Uhr

Die Reutlinger Oberbürgermeisterin Barbara Bosch sieht Reutlingen wirtschaftlich insgesamt gut aufgestellt - und nicht in einer Konkurrenz zu Tübingen. So Bosch in einem Gespräch mit RTF.1. Bosch nimmt in unserem Rückblick auf 2015 und der Vorausschau auf das aktuelle Jahr dabei auch zum Mangel an Gewerbeflächen Stellung. Zudem schildert die baden-württembergische Städtetagspräsidentin auch die Herausforderung, die die Stadt und andere Kommunen im Land angesichts der Flüchtlingskrise derzeit zu stemmen haben. Bosch weist persönliche Verantwortung an der hohen Verschuldungslage der Stadt zurück - und kritisiert im Gegenzug das Verhalten von Teilen des Gemeinderats als doppelbödig.


Es war das große Thema im vergangenen Jahre für Reutlingen und seine OB – und es wird das große finanzielle und logistische Thema in diesem Jahr für Reutlingen bleiben: Die Stadt muss in der Anschluss-Unterbringung das Unterkommen von Flüchtlingen organisieren. Grade jetzt wurde der Bau und der Ausbau neuer temporärer Wohnflächen in der Ypernkaserne, im ehemaligen Altenheim Ringelbach und im SSV-Stadion beschlossen. Bis Juni brauchen 363 Flüchtlinge noch ein Dach über dem Kopf.

Ein Problem, das laut Bosch, alle kommunen "ordentlich beschäftige"; dbei gehe es um den Bau von Wohnraum und die Finanzierung. Insgesamt nehme all das die Verwaltung über alle Ressorts in Anspruch. Dabei, so Bosch, die auch als Städtetagspräsidentin die Städte im Land vertritt, nehme die große Politik in Land und Bund noch immer nicht wahr, welche Aufwendungen, Belastungen und Probleme dabei für die Kommunen entstünden.

DAbei gehe es nicht nur darum, Wohnraum und Unterkünfte zu schaffen; bei ersterem werde nur dauerhafter Wohnraum bezuschusst.  Das Reutlinger Modell, über Modulbauweise schnell  temporäre Unterkünfte zu schaffen, gehe dabei leer aus. Dazu kämen unter anderem Kosten für Hausmeister, Sozialarbeiter und Deutschkurse.

 Anhaltspunkte zur Finanzierung: bisher Fehlanzeige. Insgesamt macht auch Bosch Sorge, dass sich wie im vergangen Jahr in Oferdingen beim Rücktritt des dortigen Bezirksbürgermeisters auf öffentlichen Druck gegen Flüchtlingsunterkünfte  Bürger sichinsgesamt nicht mitgenommen fühlen könnten. Reutlingen zeige deshalb mit dem Beschluss von Bebauungsplänen für rund 6200  Wohneinheiten, dass man nicht nur die Flüchtlinge im Blick habe. Man denke auch an jene, "die sich auf dem regionalen Wohnungsmarkt schwertun".

Dramatische Auswirkungen haben diese finanziellen Fragen rund um die Flüchtlinge auch auf den Haushalt der sowieso schon hochverschuldeten Stadt deshalb: Rund 9 Millionen nichtkaltkulierter Steuereinnahmen werden dadurch praktisch absorbiert. Bosch hatte hier scharfe Kritik am Gemeinderat geübt, der beim knapp beschlossenen Haushaltsentwurf für 2015/16 später mit Wünschen noch nachlegte. Dieser hat mittlerweile einen Nachtrag mit Projekt-Priorisierung angenommen.

Dabei werden unumgängliche Aufgaben wie die Kinderbetreuungsangebote mit Rechtsanspruch oder die Flüchtlingsunterbringung prioritär behandelt und ausgeführt. Dazu gehören auch umumgängliche Schadstoffsanierungen an Gebäuden am Rathaus und an Schulen.

Über Finanziertes, aber noch nicht Begonnenes, soll der Gemeinderat je nach Möglichkeiten der Realisierung entscheiden. Nicht Finanziertes wie neue Gemeinschaftsschulen etwa sollen auf Halde. Auf Besserung  bei der finanziellen Gesamtsituation hofft Bosch durch die umstrittene Stadtkreisgründung- die Trennung vom Landkreis. Wenn dieser komme, werde Reutlingen dann über die Erstattung aus dem Finanzausgleich besser ausgestattet - und erhalte Gelder "für die vkielen Aufgaben, der wir als Großstadt nachgehn". Ob die Stadtkreisgründung kommt wird der Landtag nach einer Stellungnahme der Landesregierung dann voraussichtlich nach den Landtagswahlen entscheiden.

Die fortwährende Kritik indessen an Bosch, dass sie selbst für den Schuldenanstieg verantwortlich sei, weist sie zurück: Als sie ins Amt gekommen sei, habe man "bei über 120 Millionen Schulden gelegen "und die Planungen waren auf 150 Millionen hingehend. Jetzt sind wir bei unter 80 Millionen": trotz der schwierigen Gesamtsituation habe man also Schulden abbauen können. Und kege man die Prpo Kopf -Verschuldung zu Grunde, stehe man im Vergleich mit ähnlichen Städten gut da. Es sei den "Herausforderungen, die da sind", geschuldet, dass es notwendig sei " im Moment  Geld aufzunehmen."

Reutlingen leide insgesamt strukturell an dem Umstand, dass es hier viele international tätige Firmen gebe. Vor allem der Maschinenbau sei global zu Automatisierungen und zum Abbau von Arbeitsplätzen gezwungen. Und das belaste die Reutlinger Einnahmen.

Die Stadt hat jetzt deshalb eine Gewerbeflächen-Offensive für Erweiterungen und Neuansiedlungen gestartet. Ähnliche Flächen-Schwierigkeiten gebe es indessen bei vielen Kommunen. Das habe auch damit zu tun, dass die Wirtschaft gut gelaufen sei und Flächen verbraucht habe.  Vor Jahren habe sie schon einen Anlauf bei den Bezirksgemeinden für neue Flächen genommen, sei damals aber auf Ablehnung gestossen. Auch die Festlegungen des Regionalplans hätten verhindert, dass neue Wohn- oder Gewerbeflächen hätten ausgewiesen werden können.

Man brauche hier einen langen Atem, Und sie sei zuversichtlich, dass auch bei den Bezirksgemeinden jetzt die Bereitschaft und Einsicht wachse. Hier also hofft Bosch vor allem auf die Bezirksgemeinde. Auch diese seien für die Zukunft der Gesamtstadt in entscheidendem Maße verantwortlich.

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