Den Vorwurf der Landes-CDU, er klebe und stalke sich aus rein wahltaktischen Gründen an Merkel, wies Kretschmann indessen heute in Stuttgart scharf zurück. Er unterstütze den Kurs von Merkel "aus voller Überzeugung". "Alle taktischen Finten" seien in einer solch "dramatischen Lage unangebracht", auch wenn wahlkampf herrsche.
Genau dieser Vorwurf der Scheinheiligkeit war nicht nur seitens der Landes-CDU schon öfter erhoben worden. Kretschmann gebe zwar nach außen den Kanzlerinnen-Versteher, drücke sich aber faktisch wegen seiner grünen Partei um Dinge herum, die Merkel bei der Reduktion der Flüchtlingszuströme unbedingt brauche. Beispielsweise mache Kretschmann mit Rücksicht auf die eigene Wähler-Klientel keine Anstalten, die Maghreb-Staaten zu sogenannten "Sicheren Herkunftsländern" erklären zu lassen. Hier sind die Grünen im Bundesrat das berühmte Zünglein an der Wage. Vorwürfe gibt es des weiteren beim Thema konsequente Abschiebungen und die Umstellung von Geldunterstützung auf Sachleistungen für Flüchtlinge.
Das hatte auch der Merkel-Vertraute Peter Altmaier beim Politischen Aschermittwoch genau so zum Ausdruck gebracht. Kretschmann könne noch Wochen prüfen. Währenddessen hätten sich bereits wieder Tausende aus Nordafrika auf den Weg nach Deutschland gemacht, die hier nichts verloren hätten.
Nach dem europäisch immer einsamer erscheinenden Beharren der Kanzlerin und den negativ ausstrahlenden Umfragewerten waren die Landes-CDU und ihr Spitzenkandidat mit der Forderung nach nationalen Grenzkontrollen und Kontingenten wie in Österreich, von Merkel sich absetzend, am Montag in die Offensive gegangen.
In der Bevölkerung, so Guido Wolf, gebe es zunehmend Ungeduld. Zwar unterstütze man die Merkelsche Suche nach einer europäischen Lösung unumschränkt. So lange die aber nicht komme, brauche es Zwischenlösungen, so wie sie Österreich jetzt praktiziere. Wolf brachte dabei erneut Grenzzentren ins Spiel, an denen unberechtigte Asylbewerber bereits abgewiesen werden könnten. Auch Kontingente müssten ein Thema sein.
In der Folge hatte Wolf vom Chef der CDU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, einem Merkel-Vertrauten, einen öffentlichen Rüffel bekommen. Im Landes-Vorstand der CDU wurden hingegen jetzt aktuell Stimmen laut, die Kanzlerin möge sich von der Vereinnahmung durch Winfried Kretschmann distanzieren – und dessen "Doppel-Spiel" durchkreuzen, weil ihr einsamer Kurs den Wahl-Erfolg im Südwesten gefährde.
Der grüne Ministerpräsident hingegen pochte heute hingegen in Stuttgart darauf, dass die Südwest-CDU den Erfolg der Kanzlerin gefährde. Seitenhiebe zu diesem Zeitpunkt seien jetzt unverantwortlich. Drei Prozent mehr könnten ihm sogar erneut die grün-rote Wunschkoalition bringen. Wahlkampf bestünde aus Wahlen und Kämpfen, so sagt Kretschmann heute.
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