Boris Palmer beim Neujahrsempfang | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Weltpolitisch unruhige Zeiten - Städtischer Neujahrsempfang in Tübingen

Stand: 01.02.16 11:15 Uhr

Traditioneller Neujahrsempfang in Tübingen. Oberbürgermeister Boris Palmer hielt am Freitagabend seine Neujahrsansprache im Festsaal der Universität. "Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten..." Der Chor "Voice Cream" eröffnete den Abend mit diesem deutschen Volkslied - "Die Gedanken sind frei.


Der Festsaal der Universität ist bis auf den letzten Platz gefüllt, als Oberbürgermeister Boris Palmer mit seiner Neujahrsansprache beginnt. Unter den Gästen: Tübinger, Ehrenbürger, Amtskollegen – Vertreter aus Politik und Wirtschaft.

Der 22. Januar – auch der Tag, der deutsch-französischen Freundschaft. Frankreich verdiene Anerkennung und Dankbarkeit – denn nach den Angriffen der IS-Terroristen im November widerstanden sie den Einschüchterungsversuchen, so Palmer.

„Frankreich ist in der Tat eine Grande Nation. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wurden an der Bastille erkämpft. Heute werden sie dort verteidigt." Boris Palmer / Oberbürgermeister Stadt Tübingen

Und zusammen mit 196 anderen Staaten verteidigen sie nun auch das Klima. Das Abkommen von Paris - die Erderwärmung der Erde zu stoppen – für Palmer der wichtigste Fortschritt der Menschheit im letzten Jahr. Der Vertrag setze auf Eigenverantwortung und auf das Handeln vor Ort – Tübingen mache blau für die Zukunft , als Teil einer weltweiten Bewegung.

„Der Tübinger Gemeinderat hat exakt zum Beginn des Klimagipfels ein neues Ziel für unsere Klimaschutzinitiative formuliert. Wir haben die CO2-Emissionen in unserer Stadt in den letzten acht Jahren um mehr als 20 Prozent reduziert. Für die kommenden acht Seite Jahre haben wir uns nun eine Reduktion um weitere 25 Prozent vorgenommen." Boris Palmer / Oberbürgermeister Stadt Tübingen

Die weltpolitischen Zeiten seien unruhig – die Asylkrise allgegenwärtig . Um diese meistern zu können, brachte Palmer die Tugendethik von Aristoteles ins Spiel. Für den griechischen Philosophen war die Tugend eine Frage von Maß und Mitte. Angewandt auf die Flüchtlingskrise – die Mitte zwischen Hilfsbereitschaft und Eigennutz, zwischen Realismus und Empathie und zwischen Fremdenfeindlichkeit und Multikulti-Illusionen, so der Oberbürgermeister. Man dürfe sich aber auch nicht achselzuckend damit abfinden, dass viele tausend Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken.

„Der Wohlstand, den wir genießen, beruht auch darauf, dass Milliarden von Menschen in bitterer Armut leben, der manche zu entfliehen versuchen. Und wenn derzeit die meisten Flüchtlinge aus Afghanistan, dem Irak und Syrien kommen, dann sind das Regionen, in denen der Westen Krieg gegen den Terror geführt und dabei trotz militärischer Siege kaum etwas gewonnen hat." Boris Palmer / Oberbürgermeister Stadt Tübingen

Palmer mahnte einmal mehr zur sachlichen Diskussion in der Bewältigung der Asylkrise. Nach einer Willkommensbegeisterung, sei nach den Kölner Ereignissen nun zunehmende Abschottung und Fremdenfeindlichkeit spürbar. Die Bundesbehörden seien überfordert, wer sich im Land aufhält? - Der Überblick sei verloren gegangen, so Palmer. Um die Akzeptanz für die Flüchtlingshilfe zu erhalten, müsse auch gegen Missbrauch des Asylrechts vorgegangen werden. Andererseits ist finanzielle Unterstützung des Bundes nötig. Bei einem Investitionsbedarf von 25 Milliarden Euro, seien 500 Millionen einfach zu wenig.

„Wenn es nicht gelingt, die Finanzierung zu klären, besteht die Gefahr, dass die Zeche von denen bezahlt wird, die auf staatliche Leistungen angewiesen sind. Wir dürfen einfach nicht zulassen, dass das Einwohnerwachstum zu offener Wohnungsnot in unserer Stadt führt." Boris Palmer / Oberbürgermeister Stadt Tübingen

Palmer fordert eine Agenda 2020 – sie muss Asyl und Einwanderung klug verbinden. Wer durch Qualifikation, Leistungsbereitschaft und Integrationswillen einen regulären Arbeitsplatz in Deutschland erhält, sollte unkompliziert von der Asylschiene auf einen Einwanderungsantrag wechseln können, so Boris Palmer . Ein Einwanderungsgesetz muss her – es würde noch dieses Jahr nötig.
Ausbildung und Integration richtig angestellt, wären ein Grundstein für den Wohlstand der kommenden Jahrzehnte.

„Dafür brauchen wir zigtausende von neuen Stellen für Sozialarbeiter, Deutschlehrer, Erzieherinnen, Hausmeister, aber auch in der Polizei, der Verwaltung und bei den Gerichten. Das ist ein nationaler Kraftakt, den wir nur mit einer ganz besonderen Anstrengung stemmen können. Unser Grundgesetz kennt dafür die Gemeinschaftsaufgabe, die immer zu 50 Prozent vom Bund finanziert wird." Boris Palmer / Oberbürgermeister Stadt Tübingen

Einwanderung und Integration sollten eine solche Gemeinschaftsaufgabe werden, so Palmer


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