Brand in Asylbewerberunterkunft | Bildquelle: RTF.1

Region Neckar-Alb:

Eine Flüchtlingsunterkunft brennt, eine weitere wird eingerichtet: Der September 2015 im Rückblick

Stand: 03.01.16 15:40 Uhr

Auch im September blieb das Thema Flüchtlinge das alles beherrschende Thema im Land und auch in der Region. Quasi über Nacht entstand am 16. September in Ergenzingen eine neue Flüchtlingsunterkunft. In Rottenburg geriet ein anderes Provisorium für Asylbewerber in Brand. Doch es ging im September nicht nur um Flüchtlinge. In Reutlingen ging die Kulturnacht über die Bühne, und aus dem Regierungspräsidium Tübingen erreichte uns eine traurige Nachricht. Der September im RTF.1-Jahresrückblick.


Trauer um Hermann Strampfer. Der Regierungspräsident des Regierungsbezirks Tübingen ist am zweiten September im Alter von nur dreiundsechzig Jahren überraschend gestorben. Der Verwaltungsfachmann, der in der Bevölkerung beliebt und in der Politik auch über Parteigrenzen hinweg hoch geschätzt war, erlag einem Krebsleiden. Schon seit April hatte er sein Amt wegen seiner Erkrankung nicht mehr ausüben können.

Strampfer hatte sein Amt 2006 als Nachfolger von Hubert Wicker angetreten. Er galt als eine treibende Kraft für die Schaffung des UNESCO-zertifizierten Biosphärengebiets Schwäbische Alb. Hermann Strampfer hinterließ eine Frau und zwei Kinder.

 

In Rottenburg ist am siebten September eine Flüchtlingsunterkunft durch ein Feuer zur Hälfte ausgebrannt. Sechs Menschen wurden dabei verletzt. Vierundachtzig zumeist schlafende Menschen entgingen knapp einer möglichen verheerenden Katastrophe. "Es war schrecklich", berichtete ein Bewohner. "Gegen 2 Uhr ist der Alarm los gegangen. Im Flur konnte man die Augen fast nicht öffnen. Alles war voller Rauch. Ich wäre fast erstickt.

Die Brandursache war und blieb unklar. Einen Brandanschlag oder gar einen fremdenfeindlichen Hintergrund konnten die Beamten aber ausschließen, da keine Spuren von Brandbeschleuniger gefunden worden waren. Auch ein technischer Defekt war nicht die Ursache. Die Polizei vermutet aber aufgrund von Zeugenaussagen der Bewohner, dass eine brennende Zigarette das Feuer verursacht haben könnte. Beweise für diese Vermutung gab es aber auch nach Abschluss der Ermittlungen keine.

Obwohl die Brandursache unklar war, demonstrierten mehrere hundert Menschen daraufhin in Rottenburg gegen Fremdenfeindlichkeit. Zur Kundgebung hatte die Antifaschistische Aktion Tübingen aufgerufen. Die Organisatoren wollten ein Zeichen der Solidarität mit Flüchtlingen gegen die Zunahme rechter Gewalt setzen.


Bürgerversammlung in Rottenburg-Ergenzingen. In einer Nacht- und Nebel-Aktion hatte das Land hier in einer leerstehenden Fabrikhalle in der Nacht auf den sechzehnten September eine Landeserstaufnahmestelle mit sechshundert Plätzen eingerichtet. Vierhundertfünfzig waren hier bereits untergebracht. Zur Informationsveranstaltung in den Kolping-Saal waren achthundertfünfzig Bürger gekommen. Der Saal platzte aus allen Nähten. Die Ergenzinger fühlten sich überrumpelt.

Georg Walter vom Regierungspräsidium Tübingen auf der Bürgerversammlung: "Am gestrigen Tag ist uns Mittags ein Sonderzug aus Bayern anvisiert worden. Und wir haben in der Kürze keine andere Möglichkeit gesehen, als sie in einer unserer Liegenschaften unterzubringen. Eine, die leer war, die beheizt war und die Wasser und Strom hatte, eben die in Rottenburg." Das Regierungspräsidium Tübingen habe dann wenig später den entsprechenden Anruf erhalten, THW, DRK und Ehrenamtliche zum Herrichten bestellt; ein Beispiel sei dies, wie großartig sich alle engagierten.

 

Derweil spitzte sich die Lage zu. Bund, Land und Kommunen arbeiteten im Krisenmodus. Anfang September besuchte Minister Nils Schmid die Flüchtlingsunterkunft des Landkreises Reutlingen, die ebenso wie die der Stadt in der Ypern-Kaserne untergebracht ist. Landrat Thomas Reumann machte auf die angespannte Lage aufmerksam: "Wir haben derzeirt 1600 Plätze und davon sind 1400 belegt", so Reumann. "Und wenn wir jetzt davon ausgehen, dass wir im Monat 350 zusätzliche Flüchtlinge im Monat bekommen, dann wird klar, dass wir noch in diesem Jahr etwa 500 Plätze zusätzlich schaffen müssen. Wir sind längst dazu übergegangen auch Notunterkünfte bereitzustellen."

Kippt die Stimmung im Land? Das fürchtete Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, der dieses Jahr mehrmals mit Aussagen zur Flüchtlingspolitik für Diskussionen sorgte. Im September warnte er vor einem Scheitern der Asylpolitik. "Für meine Partei war die Grundfrage immer die, dass das Grundrecht auf Asyl unangetastet bleiben soll", sagte Palmer. "Und das seh ich auch so. Ganz objektiv wird jeder einsehen: wenn im kommenden jahr 10 Milllionen Menschen kämen, dass dann irgendwann eine solche Grenze überschritten wird."

Eine Obergrenze für Asylbewerber? Grenzen der Belastbarkeit und der sozialen Verträglichkeit? Diesen Gedanken erteilte Ministerpräsident Winfried Kretschmann eine Absage. "Ich habe immer gesagt, was das Asylrecht betrifft, ist das Boot nicht voll", sagte Kretschmann. "Das Grundrecht auf Asyl ist ein Grundrecht, und Grundrechte sind nicht quantitativ beschränkt".

Inzwischen ging die konkrete Arbeit der Behörden vor Ort weiter. Auch in Tübingen arbeitete man fieberhaft an der Aufgabe, die neu hinzukommenden Menschen auch menschenwürdig unterzubringen. "Wir wollen keine zu große Ballung haben auf bestimmte Stadtgebiet oder auf bestimmte Flächen", sagte Baubürgermeister Cord Soehlke. "Wir wollen eine dezentrale Unterbringung, weil wir glauben, das ist für die Integration besser, wir glauben auch, dass das in der Bevölkerung besser ist, selbst wenn man dann über mehrere Standorte redet, glauben wir, es ist richtiger, als 500er oder 600er Standorte auch für die vorläufiger Unterbringung durch den Landkreis zu haben."

Das Thema Flüchtlinge war und blieb auch im September das große, alles beherrschende Thema in der Region.


Aber es gab auch noch andere Themen. In Reutlingen zum Beispiel ging im September die fünfte Kulturnacht über die Bühne. Für ein paar Stunden verwandelte sich die Achalmstadt in eine einzige Kulturmeile. Und viele Tausende konnten sich der Faszination nicht entziehen. An fast zweihundert Standorten gab es Großes, Kleines und Ungewöhnliches zu entdecken. Die Reutlinger Kulturnacht ist immer wieder ein Kaleidoskop des kulturellen Schaffens von Profis und Amateuren in Reutlingen und Umgebung.

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