Asylsuchende in Landeserstaufnahmestelle | Bildquelle: RTF.1

Region Neckar-Alb:

Immer mehr Flüchtlinge: Der August 2015 im Rückblick

Stand: 02.01.16 17:28 Uhr

Im August 2015 dominierte vor allem ein Thema die Schlagzeilen: Flüchtlinge. In Balingen gab es einen mutmaßlichen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim, in Tübingen mehrten sich kritische Stimmen zur Asylpolitik in Bund und Land, und in Meßstetten sorgte eine Gastwirtschaft für Schlagzeilen, die an die NPD verkauft werden sollte. Der achte Teil unseres Jahresrückblicks, der August.


War es ein Brandanschlag? Diese Frage beschäftigte noch im August die Polizei in Balingen. Am dreißigsten Juli hatte ein Mitarbeiter des zuständigen Landratsamtes vor dem dortigen Asylbewerberheim eine große Lache einer Flüssigkeit entdeckt. Er verständigte die Polizei, da er die Vermutung hatte, dass es sich dabei um eine brennbare Substanz handeln könnte. "Dies stellten wir dann auch in der Folge fest, so dass wir die Feuerwehr hinzuzogen", berichtete Dieter Popp vom Polizeipräsidium Tuttlingen. "Das Gebäude wurde vorsorglich evakuiert, die Flüssigkeit aufgenommen und die Räume gelüftet, so dass für die Bevölkerung in diesem Gebäude keine Gefahr mehr besteht."

Anfang August dann die Gewissheit: Es war Benzin. Die Polizei ging von einem Brandanschlag aus. Wenige Tage später wurde ein herrenloser Benzinkanister gefunden.

 

Indessen kamen im August immer mehr Flüchtlinge in Baden-Württemberg an. Die Landeserstaufnahmestelle in Meßstetten platzte aus allen Nähten. Maximal tausend Asylbewerber sollten dort Platz finden – mittlerweile waren es tausendzweihundert. Inoffizielle Quellen sprachen sogar von zweitausend. In der Folge war es seitens Meßstetter Bürgern zu Beschwerden über höhere Kriminialität, Saufgelage und Anzüglichkeiten gekommen.

Integrationsministerin Bilkay Öney räumte diese Schwierigkeiten in Stuttgart grundsätzlich ein. "Ich weiß, dass es für die Gemeinde nicht angenehm wird, wenn berichtet wird über Fehlverhalten von Flüchtlingen", sagte Öney. "Ich hoffe nur, dass das Fehlverhalten von Flüchtlingen insgesamt dazu führt, dass die Stimmung kippt. Die Stimmung ist im moment sehr fragil."

Jetzt sollte die Stauffenbergkaserne in Sigmaringen als Entlastung für Meßstetten dienen. Aber auch das reichte nicht aus. Der Druck wuchs. Auch auf die Landkreise. Der Tübinger Landrat Joachim Walter schlug Alarm.

"Das Land hat keine ausreichenden Erstaufnahmekapazitäten, ich sage jetzt mal auch nicht geschaffen entgegen unseren Mahnungen", sagte Joachim Walter. "Die Menschen werden direkt auf die Landkreise verteilt, Sie sehen momentan Unterbringung in Zelten, in Autobahnmeistereien, der Herbst wird kommen, der Winter wird kommen, und die Menschen werden zu uns dann auch gebracht werden, und wir müssen sie unterbringen, und deshalb versuchen wir möglichst frühzeitig Vorsorge zu treffen."

Jetzt galt es, auf die Turnhallen auszuweichen. Die Kreissporthalle in Tübingen-Derendingen wurde zur Flüchtlingsunterkunft. Doch auch das reichte nicht. Landrat Walter appellierte an Vermieter und Gewerbetreibende, Immobilien dem Landkreis für die Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung zu stellen.

In die bundesweite Diskussion mischte sich auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer mit ein. Wenn ein Drittel hierbleiben könne und solle, dann müsste man diesem Drittel Deutschkurse und Integrationsleistungen zur Verfügung stellen so Palmer. Dann müsse man aber auch dafür sorgen, dass diejenigen, die nicht hier bleiben dürften, in ihre Heimatländer zurückgeführt werden müssten.

Nur wenige Tage später ein weiterer Vorstoß Palmers auf Facebook: Leer stehender privater Wohnraum sollte enteignet werden, wenn der Wohnraum für die Flüchtlinge ausging. Für die Interessengemeinschaft der Vermieter ein Unding. "Das Thema eignet sich nicht, politisch damit zu spielen und vor allem nicht irgendwelche Drohbriefe zu versenden", sagte Helmut Failenschmied, Vorsitzender von Haus & Grund Tübingen. "Ich denke, er (Palmer) sollte auch die Emotionen nicht unnötig aufladen."

Reutlingen hatte bereits im Mai im Schnellverfahren die leerstehende Ypern-Kaserne zu einer Flüchtlingsunterkunft umgebaut. Das kostete achthunderttausend Euro. Einhundertachtzig Menschen kamen hier unter. Doch mittlerweile musste die Stadt sechzig zusätzliche Flüchtlinge versorgen.

Gemeinsam mit den Oberbürgermeistern anderer Großstädte in Baden-Württemberg schrieb Barbara Bosch einen offenen Brief an Bund und Land mit einem deutlichen Hilferuf: „Die Folgen des Scheiterns" – so hieß es wörtlich - „mögen wir uns alle nicht ausmalen".

Indessen sorgte in Meßstetten die Gaststätte Waldhorn für Schlagzeilen. Ein NPD-Mitglied wollte die Immobilie kaufen und ausgerechnet hier, am Standort der LEA, ein Schulungszentrum für seine Partei errichten. Land, Landkreis und Stadt wollten von ihrem Vorkaufsrecht kein Gebrauch machen.

Also gingen rund einhundertfünfzig Menschen in Meßstetten auf die Straße. Zur Kundgebung aufgerufen hatte ein breites Bündnis mit dem Namen „Keine Basis der NPD". Darin engagierten sich unter anderem SPD und Linke. Im September platzte der Deal zwischen dem Waldhorn-Eigentümer und dem NPD-Mitglied. Ein bereits anberaumter Notar-Termin wurde kurz zuvor abgesagt.

 

Die ganze Stadt wurde zum Sportgelände. Schwimmen im Neckar, Radeln im Schönbuch, laufen in der Altstadt. Im August wurde zum ersten Mal ein Triathlon in Tübingen ausgetragen. Beim City Triathlon am zweiten August konnten Tübinger und Gäste bei freiem Eintritt zuschauen, wie die Sportler schwitzten. Da gleichzeitig noch verkaufsoffener Sonntag und Sommerinsel am Anlagensee stattfanden, war an diesem Sonntag einiges los in der Stadt.

 

Ein weiteres sportliches Highlight sorgte in Reutlingen für ein Polizei-Großaufgebot: Der SSV Reutlingen durfte dieses Jahr im DFB-Pokal spielen. Reutlingen war sogar Ort der Auslosung für die erste Runde. Der SSV bekam den Karlsruher SC zugelost – und gewann sensationell drei zu eins. Doch nach der zweiten Runde war Schluss. Gegen Eintracht Braunschweig hieß es am Ende null zu vier. Vor allem das Spiel gegen Karlsruhe war im Vorfeld als Hochrisiko-Spiel eingestuft worden. Doch die erhöhte Präsenz von Einsatzkräften zeigte Wirkung. Abgesehen von Rangeleien und kleineren Vorfällen blieben die befürchteten Ausschreitungen aus.

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