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"Flüchtlinge" ist Wort des Jahres 2015 - Auch Grexit und Selfie-Stab in der Wahl

Stand: 11.12.15 11:11 Uhr

Das Wort des Jahres 2015 ist Flüchtlinge. Diese Entscheidung traf eine Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS). Auch mit dabei in der Top 10: Grexit, Schummel-WM, Selfie-Stab und Kanzlerin Merkels "Wir schaffen das!".

Nicht die Häufigkeit eines Ausdrucks, sondern seine Signifikanz bzw. Popularität stehen bei der Wahl im Vordergrund.

Auf Platz 10 wählte die GfdS den Satz Wir schaffen das! Mit ihm brachte Angela Merkel ihre Überzeugung zum Ausdruck, dass Deutschland die seit der zweiten Jahreshälfte rapide ansteigenden Flüchtlingszahlen bewältigen werde. Neben weltweiter Anerkennung und Zustimmung erntete die Bundeskanzlerin im In- und Ausland auch scharfe Kritik, da ihre Aussage als Zusicherung aufgefasst wurde, Deutschland werde das Asylrecht großzügig auslegen.

Das Neuwort Flexitarier (Platz 9) findet sich bereits seit einigen Jahren. Auch hier handelt es sich um eine Wortkreuzung aus flexibel und Vegetarier; gemeint sind Personen, die bewusst wenig Fleisch essen, ohne aber ganz darauf zu verzichten. Auf den Trend, weniger Fleisch zu verzehren, reagiert inzwischen auch die Gastronomie. Nicht nur in Szenerestaurants, sondern auch in Kantinen und Mensen gibt es heute immer mehr vegetarische und auch vegane Angebote.

Mit dem Wort Schummel-WM (Rang 8) wird auf den Vorwurf Bezug genommen, dass die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2006 an Deutschland auf Bestechung beruht habe – dass das so genannte Sommermärchen gekauft gewesen sei. Das Wort ist keine Neuprägung, sondern kam bei an-deren Sportarten bereits in früheren Jahren hier und da vor. 2015 steht es im Zusammenhang mit dem weltweit populärsten Sport: mit dem Korruptionsskandal beim Weltfußballverband Fifa.

Die Zusammensetzung Selfie-Stab (Platz 7) benennt eine im öffentlichen Raum immer häufiger zu beobachtende technische Neuerung: eine Art Stativarm, mit dem die Kamera oder das Smartphone beim Anfertigen von Selbstporträts (Selfies) in größerem Abstand gehalten werden kann. Das englische Wortbildungsmuster mit der Endung -ie hat eine Reihe von Wortneuschöpfungen hervorgebracht – so etwa das Helfie (eine Überlagerung von Haar und Selfie: ein Foto von den eigenen Haaren), das Drelfie (darin steckt drink/drunk ›trinken/betrunken‹: ein Selfie im betrunkenen Zustand) und das Belfie (backside ›Rückseite, Hinterteil‹ + Selfie: ein Foto vom eigenen Hinterteil).

Das einzige Verb auf der Liste ist durchwinken (Platz 6). Es steht für den Vorwurf, dass einige EU-Mitgliedsstaaten, unter anderem Österreich, Zehntausende von Flüchtlingen ungehindert und unregistriert in andere Staaten, vor allem nach Deutschland, weiterreisen lassen.

Das Alliterationswort Mogel-Motor, von der Jury auf Platz 5 gewählt, steht für den VW-Skandal: Der Automobilkonzern hat offenbar jahrelang Motoren mit einer speziellen Software gebaut, die bei Abgasmessungen die Einhaltung der geforderten Werte vortäuscht. Die Aufdeckung des Betrugs führte zur schwersten Krise in der Unternehmensgeschichte.

Jahrelang hat der US-Geheimdienst NSA in Europa, auch in Deutschland, nicht nur spioniert, er wurde dabei vom Bundesnachrichtendienst auch noch unterstützt. Mit Hilfe von Suchbegriffen, so genannten Selektoren, die von der NSA vorgegeben waren, wurden Daten in großem Stil „gesammelt". Auch Regierungsorgane und Behörden wurden ausgespäht. Der Einblick in die vollständige Selektorenliste (Platz 4) blieb dem NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages verwehrt: Das Dokument wurde als streng geheim eingestuft.

Mit der Wortkreuzung Grexit (Platz 3), geprägt bereits 2011 von dem Volkswirt Ebrahim Rahbari, erinnerte die GfdS an das Topthema der ersten Jahreshälfte: die wochenlang schwelende Frage, ob Griechenland aufgrund seiner hohen Staatsverschuldung aus der Eurozone ausscheiden müsse. Die Überblendung von Greek (›griechisch‹) und Exit (›Ausgang, Ausstieg‹) wurde zum Vorbild für eine ganze Reihe weiterer Wortbildungen. Neben dem spätestens seit 2012 bekannten Brexit (Britain + Exit: ein mögliches Ausscheiden Großbritanniens aus der EU) fanden sich 2015 beispielsweise Alexit (Alexis Tsipras + Exit) und Schwexit (Bastian Schweinsteigers Wechsel von Bayern München zu Manchester United). Ein Grexit by Accident, kurz Graccident oder Grexident, wurde nach zähen Verhandlungen gerade noch vermieden; die gefundene Lösung bezeichnete EU-Ratspräsident Donald Tusk im Juli 2015 als Agreekment.

Auf Platz 2 wählte die Jury Je suis Charlie (›Ich bin Charlie‹). Bei einem Terroranschlag auf das Redaktionsbüro der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo wurden im Januar 2015 zwölf Menschen ermordet. Mit dem französischen Zitat oder mit Übersetzungen – auf Deutsch zudem in Abwandlungen wie Auch ich bin Charlie oder Ich bin auch Charlie – brachten weltweit Millionen von Menschen ihre Solidarität mit den Opfern zum Ausdruck und demonstrierten für die Pressefreiheit und gegen religiösen Fanatismus.

Das Wort des Jahres 2015 ist Flüchtlinge. Diese Entscheidung traf am Donnerstagabend eine Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS). Das Substantiv stehe nicht nur für das beherrschende Thema des Jahres, sondern sei auch sprachlich interessant. Gebildet aus dem Verb flüchten und dem Ableitungssuffix -ling (›Person, die durch eine Eigenschaft oder ein Merkmal charakterisiert ist‹), klinge Flüchtling für sprachsensible Ohren tendenziell abschätzig: Analoge Bildungen wie Eindringling, Emporkömmling oder Schreiberling sind negativ konnotiert, andere wie Prüfling, Lehrling, Findling, Sträfling oder Schützling hätten eine deutlich passive Komponente. Neuerdings ist daher öfters alternativ von Geflüchteten die Rede. Ob sich dieser Ausdruck im allgemeinen Sprachgebrauch durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

Die Wörter des Jahres 2015 wurden am 11. Dezember 2015 von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) bekannt gegeben. Wie in den vergangenen Jahren wählte die Jury, die sich aus dem Hauptvorstand der Gesellschaft sowie den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammensetzt, aus diesmal rund 2500 Belegen jene zehn Wörter und Wendungen, die den öffentlichen Diskurs des Jahres wesentlich geprägt und das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben sprachlich in besonderer Weise begleitet haben.

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